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Ausgabe:

1988

Spalte:

748-750

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Fee, Gordon D.

Titel/Untertitel:

The First Epistle to the Corinthians 1988

Rezensent:

Wolff, Christian

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 10

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stologischen Interpolation erklärt) ..das Lieblingscvangelium der
katholischen Kirche" (S. 310- In ihm sei das Jesusbild dogmatisch
verfälscht, und zwar von ..paulinischen" Glaubensvorstellungen (!)
her (S. 26). Durch seine Schriftbeweise erzeige sich Matthäus als Fundamentalist
und unterscheide sich ..in nichts von einigen Fundamentalisten
im modernen Judentum, die exakt wissen, in welchem Bibcl-
vers die Balfour-Erklärung oder die Staatsgründung Israels oder der
6-Tage-Krieg vorausgesagt wurden" (S. 32). Mit diesem Verdikt werden
sodann auch die beiden israelkritischen Stellen Mt21.43 und
27,25 sowohl historisch als auch theologisch diskreditiert - ein doch
wohl etwas zu einfaches Verfahren. Noch negativer ist das Urteil über
das Johannesevangelium, für das der Vf. sich auf ein angebliches Zitat
von H. Conzelmann beruft, wonach es ..ein ungeheuerliches mixtum
compositum aus iranischen, babylonischen, ägyptischen Ideen" sei
(S. 36). Er hat übersehen, daß Conzelmann mit dieser Aussage die
Gnosis und keineswegs das Johannesevangelium meint. Über Paulus
aber kann Vf. in ratloser Entrüstung nur noch den Kopf schütteln; es
ist ihm „unbegreiflich, wie ein Mensch so abfällig über die Juden
schreiben kann", der selbst zu diesem Volk gehört, und erwägt darum,
daß IThess 2.15f eine historische Fälschung sein könnte (S. 40f).
Trotzdem bleibt noch genug auf seinem Negativkonto, so die Erfindung
der Sühntodlehre und des Verständnisses des Gekreuzigten als
..Lamm Gottes" (S. 46). Unter Berufung auf H. Zahrnt sieht der Vf. in
ihm den ..Verderber des Evangeliums Jesu" (S. 47). wobei er verschweigt
, daß die Wendung bei Zahrnt in einem Referat über Positionen
der Religionsgeschichtlichcn Schule erscheint. Phil 1.18 muß für
die Behauptung herhalten. Paulus habe ,,es gewissermaßen .offiziell'
erlaubt, zur Verherrlichung Gottes ... .heilig zu lügen'" (S. 47). Immerhin
habe, wie der Vf. erleichtert feststellt. „Paulus und nach ihm
eine umfassende kirchliche Zensur den historischen Untergrund nicht
komplett zugedeckt" (S. 71). Diesen Untergrund freizulegen diene
(ausgerechnet!) die redaktionsgeschichtliche Methode, die Vf. mit der
..formgeschichtliche(n)' und .historisch-kritische(n)'. . . Methode"
ohne Rest identifiziert und. zumindest in ihrer Anwendung auf die
Jesus-Forschung, durch E. Käsemann begründet sein läßt (S. 66).

Im zweiten Teil („Zur Sache") erfolgt eine Analyse des eigentlichen
Passionsgeschehens. Die historische Wahrheit, die der Vf. hinter den
theologischen Übermalungen der Evangelienberichte frcilegdi will,
ist die Alleinschuld und Alleininitiative der Römer. Alles, was auch
nur entfernt eine Mitbeteiligung jüdischer Instanzen nahelegen
könnte, wird als nachträgliche christliche Konstruktion entlarvt. Der
Vf. bedient sich dabei relativ schlichter Mittel. Er erklärt einerseits,
ohne dafür Kriterien zu benennen, alle Notizen und Einzelnachrichten
, die die Römer betreifen, kurzerhand für historisch. Hier gilt ihm
auch das sonst so stark abgewertete Johannesevangelium als zuverlässige
historische Quelle. So muß die Erwähnung einer ancipa in
Joh 18.3.12 für die Behauptung herhalten, daß ausschließlich die
Römer an der Verhaftung Jesu beteiligt gewesen seien. Andererseits
versucht der Vf.. alle jene Passagen, in denen Juden als Kontrahenten
Jesu erscheinen, durch den Aufweis innerer Widersprüchlichkeiten ZU
demontieren. Daß dies beim markinischen Prozeßbericht ein Stück
weit möglich ist, ist ihm durchaus zu konzedieren. Aber die Behauptung
, daß Verhalten und Verkündigung Jesu an keinem einzigen
Punkt Grund für Maßnahmen der jüdischen Behörde gegeben hätten
(S. 208-212), ist doch nur aufgrund einer Nivellierung der Texte möglich
. Gerade von einem Juristen wäre ein etwas einfühlsameres Hören
auf jüdische Rechtsprobleme zu erwarten gewesen. Vollends abwegig
ist der Versuch, aus der Barrabas-Szene eine Bitte der Juden um die
Freilassung Jesu durch Pilatus herauszuhören (S. 248 f). Über alledem
kann der Vf. nicht plausibel machen, welche Gründe Pilatus zu einem
Todesurteil gegen Jesus veranlaßt haben könnte, da nach seiner Darstellung
Jesus ein harmloser, von allen jüdischen Gruppen und Kreisen
geliebter Prediger und Disputator war (S. 109). der weder einer
messianischen Anspruch erhoben, noch Provokationen irgendwelcher
Art begangen hat: auch die Tempelreinigung ist eine ungeschichtliche
Erfindung (S. 145). So bleibt nur das Faktum, daß Pilatus

ihn in einem Schnellverfahren verurteilte und hinrichten ließ - ein
offensichtlicher Justizmord, ohne benennbaren Grund.

Kann der Vf. hier keine Klärung geben, so hat er sie in einer anderen
Hinsicht bei der Hand. Paulus nämlich ist für ihn der böse Drahtzieher
, der für die spätere antijüdische Ausgestaltung der Passionsberichte
verantwortlich ist. Die von ihm (angeblich) gegründete, (angeblich
) von ihm judenfeindlich indoktrinierte römische Gemeinde
hat die Evangelienverfasser entsprechend beeinflußt (S. 1680- Es ist
also paulinisch-heidenchristliche Ideologie aus der Zeit nach 70, in
deren Gefolge die Geschichte Jesu verfälscht worden ist. Angesichts
der entwaffnenden Naivität dieses Geschichtsbildes, das die vielschichtige
Problematik des Verhältnisses der christlichen Gemeinde
zum Judentum in der Epoche zwischen dem Tod Jesu und dem Jahr
70 schlicht ignoriert, erübrigt sich jede weitere Diskussion.

Erlangen Jürgen RolofT

Fee. Gordon D.: The First Epistlc to the Corinthians. Grand Rapids.
MI: Eerdmans 1987. XXIV. 880 S. 8* = The New International
Commentary on the New Testament. Lw. £ 22.90.

Der besondere Reiz dieses derzeit wohl umfangreichsten Kommentars
zum Ersten Korintherbrief liegt darin, daß die Auslegung von
einem Exegcten erarbeitet wurde, der in den Traditionen der Pfingst-
bewegung und der evangelikalen Richtung steht. Man ist daher vor
allem auf die Exegese der paulinischen Äußerungen über die Charismengespannt
.

Die Einleitungsfragen werden in prägnanter Kürze behandelt. Der
Akzent liegt auf der Herausarbeitung der im korinthischen Pneuma-
Verständnis begründeten Konfliktsituation zwischen der Gemeinde
und ihrem Gründer, dessen Autorität als weisungsbefugter Pneumali-
ker in Frage gestellt wurde. Die Korinther vertraten eine "overreali-
zed" bzw. "spiritualized eschatology" (S. 12), die freilich nicht an
jüdischer Apokalyptik orientiert war, sondern pagan-hellcnistischcm
Denken entsprach. - Die Frage der literarischen Einheitlichkeit wird
positiv beantwortet. - Im Überblick über die theologische Bedeutung
des Briefes werden seine Eschatologie. Ethik und Ekklesiologie sowie
deren Relevanz für die heutige Verkündigung angesprochen.

Die Kommentierung ist in vier Hauptteile untergliedert: I. Einleitung
(1,1-9), II. Antwort auf Berichte (1,10-6,20), III. Antwort auf
den korinthischen Brief (7,1-16,12), IV. Abschließendes (16.13-24).
Jeder größere Abschnitt ist mit einer Einleitung versehen, die die Veranlassung
des behandelten Themas rekonstruiert und den paulinischen
Gedankengang nachzeichnet. Die Unterabschnitte beginnen
mit einer Übersetzung, denen Überlegungen zur Struktur des Textes
folgen. Die Versauslegung wird mit Reflexionen über die'Bedeutung
der Aussagen als Gottes lebendiges Wort für den Menschen unserer
Zeit abgeschlossen.

Hinsichtlich des Präskripts und der Danksagung wird deren Ausrichtung
auf die Anliegen des Briefes herausgearbeitet. 1.2c gilt
integraler Bestandteil des Schreibens; die Beziehung der beiden Possessivpronomina
auf kyrios wirkt freilich sehr gezwungen, zumal A.'"
rios bereits mit einem Possessivpronomen verbunden ist.

Für 1,10-4,21 arbeitet F. deutlich den apologetischen Aspekt heraus
: Durch das Selbstverständnis der Korinther sah Paulus das Evangelium
vom Kreuz und den apostolischen Dienst bedroht. Der Skopus
des schwierigen Abschnittes 2.6IT wird dahingehend bestimmt, daß
die paulinische Predigt des Kreuzes für diejenigen, die vom Geist Gottes
erfüllt sind, göttliche Weisheit ist, daß aber die Korinther handeln-
als hätten sieden Geist nicht; die „Vollkommenen" sind keine besondere
Gruppe, sondern alle Christen, die den Geist, der ihnen das Verständnis
des Evangeliums von der Rettung durch den Gekreuzigten
erschließt, besitzen.

Die in 1 Kor 5 und 6 verhandelten Probleme werden als "Test cases
of the crisis of authority and gospel" (S. 194) verstanden. Die Zusammenhänge
zwischen 4,18-20 und 5.2.4.6, zwischen 5,l2f und 6,1-''