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Ausgabe:

1988

Spalte:

740-743

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Synopsis graeca quattuor evangeliorum 1988

Rezensent:

Elliott, James K.

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739

Theologische Literaturzeitung ! 13. Jahrgang 1988 Nr. 10

740

324 (Konstantin Alleinherrscher) und 438 (Codex Theodosianus,
Das 4. Jh. hat für die Entwicklung und die ganze weitere Geschichte
des Christentums wie des Judentums entscheidende Bedeutung. In
dieser Zeit etablierte sich das Christentum von der religio licita zur
Reichsreligion und formulierte die fundamentalen christologischen
und trinitarischen Dogmen. Gleichzeitig erlebte das Judentum das
Ende seiner eigenständigen zentralen Leitung, des Patriarchats um
den Abschluß des palästinischen Talmud. Zentrum dieser Entwicklung
war Palästina. Der Vf. zeigt nun. daß das 4. Jh. keineswegs
nur eine Zeit jüdischer Leiden unter den Christen, der Kirche und
dem römischen Staat war. Es gab vielmehr eine Vielfalt lebendiger
positiver Wechselwirkungen. Die Praxis sah oft ganz anders aus als die
theologische und juristische Theorie. Er betont die innere - frömmigkeitsgeschichtliche
- Entwicklung und gibt der Archäologie den
Vorrang vor den literarischen Quellen, bei denen er auf Parität zwischen
rabbinischen. christlichen und heidnischen Schriften bedacht
ist. Ökonomische und sozialpolitische Faktoren spielen eine größere
Rolle als in früheren Darstellungen.

Das Buch hat 10 Hauptabschnitte: [. Verwaltung. Wirtschaft.
Bevölkerung (mehr als sonst werden hier und auch später die Gruppen
der Heiden und Samaritaner berücksichtigt). II. Die Juden Palästinas
unter Konstantin (ihre politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Lage - erheblich positiver als in früheren Darstellungen). III.
Kirchenbau und Christianisierung (besonders interessant die ideologischen
und wirtschaftlichen Auswirkungen des konstantinischen
Kirchenbaus). IV. Das christliche Pilgerwesen (das für die Bevölkerung
nicht unerhebliche Probleme mit sich brachte). V. Synagogenbauten
(Erweiterungen vorhandener Gebäude, prunkvolle Ausstattungen
, offenbar keine absichtlichen Zerstörungen lassen auf eine
friedliche Koexistenz von Juden und Christen, wenn auch in getrennten
Lebensbereichen, schließen - anders als in der jüdischen Diaspora
). VI. Der Aufstand gegen Gallus (wahrscheinlich nur eine Folge
verschiedener kleinerer jüdischer Terroraktionen mit entsprechenden
römischen Einschüchterungsaktionen - in älteren Darstellungen
übertrieben), VII. Julians Religionspolitik und Palästina (die das
Christentum, wenigstens in Palästina, offenbar stärker erschütterte als
bisher angenommen; was den geplanten Tempelbau anbetrifft, zwar
Begeisterung der jüdischen Unterschichten, aber Skepsis der Oberschicht
- keine wesentlichen christlichen Repressalien nach dem
Tode Julians). VIII. Die Samaritaner. IX. Der jüdische Patriarch (besonders
interessant das offenbar weitherzig-positive Verhältnis des
Patriarchenhauses zur hellenistisch-römischen Kultur). X. Das Rab-
binat (diese Tür das Fortbestehen des Judentums wichtigste Institution
wird nach drei Richtungen dargestellt: die Stellung des Rabbi in der
Synagoge, in Gemeindeleitung und Gericht und in der nichtjüdischen
Umwelt). Ein dreifacher Ausblick schließt den Textteil des Buches ab:
I. ..Codex Theodosianus und politische Wirklichkeit" (im 4. Jh. Auseinandergehen
von Theorie und Praxis, s. o.. gewisse Fairneß des
Gesetzgebers - rapide Verschlechterungen für die jüdische Gemeinde
erst im Laufe des 5. Jh.) 2. ..Barsauma: Druck judenfeindlicher Fanatiker
?" (vorsichtige und differenzierte Darstellungen dieser ersten
größeren Aktion christlicher Mönche gegen Synagogen und jüdische
Gruppen. „Die Gefahr jüdischer Geschichtsschreibung, alles, was zu
einer jüdischen Leidensgeschichte beitragen kann, allzu unkritisch als
Tatsache zu übernehmen, ist noch immer allgegenwärtig, auch wenn
die gegenteilige Gefahr. Spuren der Judenfeindschaft in der Geschichte
vorschnell zu verharmlosen, nicht von der Hand zu weisen
ist." S. 250) 3. „Auswirkungen eines Jahrhunderts christlicher Herrschaft
?" (Hier wird das Ergebnis der ganzen Untersuchung noch
einmal kurz zusammengefaßt: geringere Leiden der Juden unter
christlichen Gemeinden und römischer Verwaltung als bisher angenommen
. Synagogenzerstörungen und Zwangstaufen in dieser Zeit
nicht nachweisbar, kein zahlenmäßiger Rückgang der jüdischen
Bevölkerung - Hieronymus geht bei der gegenteiligen Behauptung
wohl „eher von exegetischen Motiven anstatt von tatsächlichen
Beobachtungen aus" S. 251 - jüdische Tradition und Kultur erweist

sich in diesem Zeitraum - allerdings letztmalig - als ein tragender
Faktor für das „wichtige geistige Zentrum" Palästina.) „Somit ist die
Geschichte des ersten christlichen Jahrhunderts in Palästina für die
jüdische Bevölkerung gewiß nicht immer leicht und erfreulich gewesen
, doch besteht auch kein Anlaß für eine tränenreiche Leidensgeschichte
. Die jüdische Tradition hat sich als stärker und lebenskräftiger
erwiesen, als ihr in damaliger Zeit und später oft zugetraut
wurde." (S. 251) Ausgestattet ist das Buch mit 3 Karten: politische
Gliederung Palästinas im 4. Jh. und Kirchen- und Synagogenbauten
im 4. und frühen 5. Jh. Dem umfangreichen Anmerkungsteil folgen
Abkürzungsverzeichnis. Bibliographie. Stellen-, Sach- und Personen-
und Autorenregister. Ein paar Anregungen und Bitten im Hinblick
auf eine weitere Auflage: I. Die Karten sollten durch eine wirtschafts-
und bevölkerungspolitische Karte (Dichte, jüdische, heidnische,
samaritanische Zentren) ergänzt und im Inhaltsverzeichnis mit
Seitenzahl angezeigt werden. 2. Eine synoptische Übersicht der politischen
, kirchengeschichtlichen, theologisch-philosophischen, wirtschaftlichen
und sozialgeschichtlichen Entwicklungen im 4. Jh. -
auch über Palästina hinaus - könnten dem besseren Begreifen der
Ereignisse und des Anliegens des Vf. dienen. 3. Leider hat das Buch
keinerlei Abbildungen (etwa Grundrisse. Lageskizzen. Rekonstruktionen
und Ausstattungen von Synagogen und Kirchen). Das ist
angesichts des großen Gewichts der archäologischen Forschungsergebnisse
besonders schade. 4. Eine Ausblicksskizze der weiteren
Entwicklung in die byzantinische und islamische Zeit hinein .würde
die Darstellung für das heutige politische und religiöse Palästinagespräch
noch interessanter machen.

Durch seine vorsichtig-sachliche, ausgewogene Interpretation und
Kombination des vielfältigen und torsohaften Quellenmaterials bringt
der Vf. nicht nur die Kirchengeschichte jener Zeit voran. Für die
Theologie, das ökumenische Gespräch und das Gespräch zwischen
den Religionen ergeben sich wertvolle Aspekte. Für den Politiker ist
das Buch bedenkenswerl. weil es aufzeigt, wie sich im praktischen
Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturbereiclic und
verschiedenen Glaubens Gegensätze und Vorurteile durchaus versachlichen
lassen.

Potsdam Helmut Opitz

Neues Testament

Boismard. M.-E.. and A. Lamouillv: Synopsis Graeca Quattuor l.van-
geliorum. Leuven-Paris: Peeters 1986. LXXVIII. 418 S. 4 Lw.
bfr 2.000.

The publication of Boismard and Lamouille's Greek Synopsis
(=B + L) means that those who study the interrelationship of the
gospcls have a fourth tool to add to those already on the market:
Aland (= Synopsis) 13th ed.; Huck 13th edition revised by Grcevcn
(= H G13); and Orchard's Synopsis. These last three have bcen analy-
sed by the present reviewer in NTS 32. 1986. 557-582.

B + L will inevitably becompared with Boismard's French Synopsis:
P. Benoit and M.-E. Boismard Synapse des Quatre Evangiles eti
Francais Vol. I 3rd edition. revised by M.-E. Boismard and A. La-
mouille (Paris. 1981); Vol. II 2nd edition. revised by A. Lamouille
(Paris, 1980); Vol. III L'Evanxile de Jean by M.-E. Boismard and
A. Lamouille (Paris. 1977). Thanks to therc being smallcr pericope
divisions in the Greek, and to therc being a repositioning of some of
the peculiarly Johannine sections, the paragraph numbers in the two
synopses do not coincide throughout and thus an immediate eompari-
son is not facilitated; however the Tabula SynOptica (pp. xviii-lxxv)
in Ihc Greek Synopsis does indicate in column 13 (under i$ Fr.) the
differing pericope numbers in the French Synopsis, and this cross
referencing also allows us to make usc of the commentaries found in
Boismard's French volumesll and III. A comparison of the two
synopses will reveal that one cannot always assumc completc identity