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Ausgabe:

1988

Spalte:

736-738

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Georg

Titel/Untertitel:

Das Prophetenbild des Heinrich Georg August Ewald 1988

Rezensent:

Dienst, Karl

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 10

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Silo stammen, sei die Zionstradition als Ideologie Jerusalemer Hegemonie
zur Zeit Davids entstanden. In einem ersten Schritt wird dann
die Relation von Zions- und JHWH-Königsmotivik angegangen. Die
mit dem JHWH-Königtum auf dem Zion verbundenen Motive werden
analysiert, traditionsgeschichtlich auf Silo zurückgeführt und in
Jerusalem mit einem „Thronbesteigungsfest" verbunden. Um das
Motiv des göttlichen Königtums herum gruppiert werden die Motivzusammenhänge
von Schöpfung der Welt und Schutz der Stadt durch
JHWH als "divine warrior", das vorstaatlich datiert wird (Dtn33;
Ri 5; Hab 3) und dessen Integration in die Schöpfungsmotivik bereits
in vorstaatlicher Zeit vollzogen (Ex 15) und mit der Lade auf Jerusalem
übertragen wurde. Durch die Rolle Davids als Verantwortlicher
für die Lade wurde auch eine Verbindung zwischen der Tradition der
Erwählung Davids und der Zionstheologie hergestellt. Die Traditionen
aber bleiben bis in die Exilszeit in ihren Funktionen selbständig,
obwohl sie gegenseitig Motive entlehnen. Zionsmotivik wird in die
Königsideologie integriert, um die Hegemonie der Davididen über die
Völker auszudrücken (Ps. 2,6), Königsmotivik wird in die Zionstheologie
integriert mit dem König als Agent von mispat und fdaqu
JHWHs. Als Wohnort des Schöpfers der kosmischen Ordnung und
des Beschützers Israels hat der Zion auch die Funktion eines Symbols
der Sicherheit (u. a. Ps46; 20,20 und des Schutzes insbesondere für
die Bedrängten und Armen (Ps 9,10-13), d. h. die, die auf JHWH
allein vertrauen. Daraus leitet sich die "anthropology of Zion" ab, die,
die Arroganz des Menschen in dem Versuch sieht, aus eigener Kraft
Sicherheit zu schaffen.

In dieser Anthropologie drückt sich die mit aller sonstiger Macht
der Götter und Menschen unvergleichliche Macht JHWHs (exclusive
prerogative) aus, deren Analyse der zweite Teil der Monographie
dient. Während in Ps9; 10; 118 dieses Motiv die Überlegenheit
JHWHs über alle menschliche Macht in den Mittelpunkt stellt, wird"
der Gegensatz irrPs20; 33; 44 im Vertrauen auf Waffen und Vertrauen
auf JHWH gesehen. Daraus leitet sich das Motiv des universalen
Friedens (Ps 46,10; 76,4) ab. Traditionsgeschichtliche Wurzeln
dieser Motivkomplexe werden bereits im vorstaatlichen Silo im Motiv
des exklusiven Königtums JHWHs (vgl. lSam 8-12) gesehen. Es wird
zur Grundlage des Gedankens der exklusiven Machthabe JHWHs. der
sich bei Hosea einerseits, in den Psalmen Jesaja andererseits als theologisch
zentral entfaltet. In Jes 30,1-5; 31,1-3 wird dieses Motiv auf
konkrete politische Situationen angewendet und sei als Exegese der
Zionstheologie eng mit dieser verbunden (Jes 2,6-22; 8.9f;
17,12-14). Obwohl die Zionstheologie auch in den Dienst der Königsideologie
gestellt werden konnte (Ps 2), blieb sie dennoch auch unabhängig
von dieser wirksam und konnte zu einem kritischen Potential
werden. Darin unterscheidet sich die Zionstheologie grundlegend von
den mythischen Theologien der Umwelt Israels, die die Hilfe der
Götter an die Institution des Königtums binden.

Abschließend hebt der Autor u. a. gegen W. Brueggemanns negative
Bewertung der Jerusalemer Theologie als "royal trajectory" im
Gegensatz zur "liberation trajectory" die engagierten Züge der
Zionstheologie hervor: "What we have found in the Zion symbolism
of the Jerusalem cult tradition is a constant, pervasive concern for
justice, a consistant and radical critism of royal attempts to pervert
justice, a theologically motivated attempt to ground justice in the
action and character of God ".

Die Arbeit gibt sich auf den ersten Blick als ein Stück deutscher exegetischer
Wissenschaft im angelsächsischen Sprachgewand. Nicht
nur überwiegt bei weitem die Verwertung deutschsprachiger Literatur
zur „Zionstradition", sondern sie knüpft auch inhaltlich an die im
Horizont des Traditionsbegriffs von Rads erstellten Arbeiten an, insbesondere
an O. H. Stecks These der kohärenten „Konzeption" einer
Zionstheologie. Eine wesentliche Bedeutung hat die Monographie in
dieser Transferleistung deutscher exegetischer Arbeit der letzten zwei
Jahrzehnte zur Jerusalemer Theologie in den angelsächsischen Raum.
Angesichts der immer schneller aufeinanderfolgenden Trendwechsel
in der Exegese ist es bedauerlich, aber kaum vermeidbar. daß dieser

Transfer zu einem Zeitpunkt geleistet wird, wo die deutschsprachige
Exegese auch in bezug auf die sogenannte „Zionstradition" mitten in
einem Paradigmenwechsel steht und die Rezeption vorexilischer
Motive in exilischer und nachexilischer Zeit sowohl in der Psalmen-
wie der Prophetenexegese als wichtiges Feld der Analyse erkennt. So
ist die Arbeit von Ollenburger Opfer ihrer entscheidenden Schwäche
geworden: Sie verzichtet weitgehend auf eine eigenständige Textarbeit
und lebt von der Montage vorgegebener Thesen der Sekundärliteratur
. Entsprechend eklektisch geht sie mit den Psalmen um. Ohne
diachrone Differenzierung werden Motive aus formgeschichtlich
unterschiedlichen Psalmen zu einem Symbolnetzwerk „montiert".
Die methodische Legitimation dazu liefert die These einer umfassenden
Jerusalemer Kulttheologie, die sich ausschnitthaft in den einzelnen
Psalmen niedergeschlagen habe. Dem ist nicht nur die Zirkel-
haftigkeit der Argumentation entgegenzuhalten. Vielmehr wird eine
Psalmenexegese nicht mehr ohne Analyse der Gedanken- und Argumentationsfiguren
und -strukturen der je einzelnen Psalmen zunächst
durch Strukturanalyse der Sprachebene auskommen und so zu dia-
chroncr Differenzierung voranschreiten, ehe umfassendere theologische
Konzeptionen konstruiert werden können. Der je einzelne
Psalm ist als ein individueller theologischer Kosmos zu entdecken
auch über die Verallgemeinerungen der Formgeschichte hinaus, die
gerade an metaindividuellen Formcharakteristika in einer Mehrzahl
von Psalmen interessiert war. Wie am Ende dann ein "network of
symbolic relations in which Zion is dominant" aussehen kann, sollte
aber als Frage und Aufgabe nicht verloren gehen.

Auf den zweiten Blick aber wird deutlich, daß die eigentliche Intention
dieser Monographie wohl in einer inneramerikanischen Diskussion
ihren Ort hat. Gegen die Verdächtigung der Jerusalemer Zionstheologie
als einer staatserhaltenden Ideologie der Davididen wird
nicht nur die Eigenständigkeit gegenüber der Königsideologie unterstrichen
, sondern vor allem die besonders von G. Mendenhall für eine
genuine JHWH-Religion im Gegensatz zur staatsstabilisiercndcn
Ideologie in Anspruch genommene prinzipielle Transzendenz und
Weltüberlegenheit JHWHs. die Kritik aller vorfindlichen politischen
Macht sei, auch für die Zionstheologie (Yahwe's exclusive prerogative
) herausgearbeitet. Es könnte sich erweisen, daß Ollenburger darin
einen zentralen Zug der Zionstheologie erfaßt hat. daß dieser aber
nicht so sehr als ein Gegenwurf zum vorexilisch-judäischen Staat
formuliert ist, sondern gegen die Erfahrungen mit den überlegenen
Großmächten der Babylonier und Perser in exilischer und nachexilischer
Zeit.

Osnabrück Eckart Olto

Schmidt. Georg: Das Prophetenbild des Heinrich Georg August
Ewald. Als Manuskript vervielfältigt. Textband: 316 S. Beilagen-
Sonderband: 291 S.(o. J.). 1986.*

Kurz vor dem Abschluß des Promotionsverfahrens erlag Amtsbruder
Pfarrer i. R. Georg Schmidt (Biedenkopt) einem Kricgsfolge-
leiden. Seine Gattin, Frau Dr. med. Nina Schmidt-Schabcrl. hat die
Dissertation, in der Prof. Otto Kaiser (Marburg) „seines ältesten
Promovenden" im Vorwort in Dankbarkeit gedenkt, der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht.

Nicht nur infolge seiner „temperamentvollen Ouerständigkeit"
(Otto Kaiser) ist es ein schwieriges Unternehmen, das Prophetenbild
Heinrich Georg August Ewalds (geb. 16. II. 1803 zu Göttingen, gest.
daselbst 4. 5. 1875) darzustellen (Vita: 70- Dies setzt voraus. ..das
Ineinander von Prophetenbild und eigenem Selbstverständnis
Ewalds" (313) aufzuzeigen, versteht doch den Prophctcnauslegcr
Ewald nur. wer den Propheten Ewald versteht! Dieser These als eines
wichtigen Beitrags nicht nur zur Erforschung der Bibelwissenschaft
des 19. Jh. hat Georg Schmidt mit großem Fleiß und Akribie eine
überzeugende werkimmanente Begründung gegeben: „Dem Alttesta-
mentler wird beim Lesen der Arbeit bewußt, was er selbst den Vätern
des 19. Jh. verdankt. Dem Historiker wird der Hintergrund für Ewalds