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Ausgabe:

1988

Spalte:

734-736

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ollenburger, Ben C.

Titel/Untertitel:

Zion, the city of the great king 1988

Rezensent:

Otto, Eckart

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Theologische Litcraturzcitung 1 13. Jahrgang 1488 Nr. 10

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stehen. Sie sind nicht quellenhaft, wohl aber als Residuen der Anschauungen
und Beurteilungen verschiedener Menschen und verschiedener
Zeiten wichtig: sie treten oft zu Unrecht zugunsten einer
deuteronomistischen Gesamtanschauung zurück. Es scheint wünschbar
, daß diese Komponente stärker mitberücksichtigt wird. Abcrauch
so ist das Buch von F. auf jeden Fall eine wertvolle, mit Dankbarkeit
zu benutzende Hille. Sie hat mir auch dazu geholfen, meinen eigenen
Standpunkt klarer zu erkennen und zu profilieren.

Basel Hans Joachim Stoebe

l nterman. Jeremiah: Front Repentance to Redemption. Jeremiah's
Thought in Transition. Sheffield: JSOT Press/Sheffield Academic
Press 1987. 223 S. 8' = Journal forthe Study ofthe Old Testament.
Suppl.Scries 54. Lw. £ 27.50.

Der Vf. stellt sich selbst als Schüler von M. Weiss. M. Greenbcrg
und J. Milgrom vor (S. 20) und folgt dementsprechend bei seiner
Untersuchung der ..holistischen'* bzw. ..ganzheitlichen" Exegese, die
neben der sorgfältigen Auslegung einzelner Texte auch deren inhaltliche
und funktionale Beziehungen zum Gesamttext gewürdigt haben
möchte (S. 17-20).

Gegenstand der Untersuchung sind die Texte im Jercmiabuch. die
das Thema der Hinwendung bzw. Umkehr zu Gott (vu/>) und Gottes
Annahme bzw. Wiederannahme Israels behandeln (erneute Landgabe
. Steigerung des Ertrages des Landes. Vermehrung des Volkes.
Wiedereinführung der davidischen Dynastie. Wiedervereinigung Israels
und Judas) (S. I I). Diese thematische Fragestellung läßt sich
nicht durchführen, ohne die literarischen Besonderheiten des Jere-
miabuches (Wechsel von Poesie und Prosa, kürzerer LXX-Text) und
die darauf bezügliche wissenschaftliche Diskussion (Annahme einer
umfangreichen deuteronomistischen Prosa-Redaktion) zu berücksichtigen
. Darin, daß die poetischen und die in Prosa gehaltenen
I exte durch die Tendenz zu inhaltlichen und formalen Parallelismen
zusammengehalten werden, folgt der Vf. J. L. Kugel (The Idca of
Bibiical Poetry[New Häven 1981]) (S. 17 - Leser des deutschsprachigen
Raums vermissen hier Hinweise auf G. Fohrcr. Über den Kurzvers
. ZAW66. 1954. 199-236; H. Weippert, Die Prosareden des
Jeremiabuches [BZAW 132; Berlin-New York 1973], S. 74-81): auf
die kürzere LXX-Version geht der Vf. jeweils ad hoc ein. räumt ihr
aber generell keinen Vorrang gegenüber dem MT ein. sondern hält sie
für eine unter vermutlich mehreren Textfassungen (S. 142). Die populäre
Hypothese einer deuteronomistischen Bearbeitung des Jeremiabuches
erweist sich ihm im Verlauf seiner Untersuchung als unhaltbar
(S. I77f: "Clearly. the findings of this study raise a challenge to the
entire theory of a dtr. redaction of Jeremiah."); denn die sprachlichen
Parallelen rührten von Jeremias Vertrautheit mit dem Deuterono-
mium sowie mit der während der Josiazeit entstandenen deuteronomistischen
Darstellung der Königszeit her (S. 21.68-74 u. ö.). Zwischen
beiden Werken und Texten im Jercmiabuch gäbe es zwar
Überschneidungen auf sprachlicher Ebene; doch impliziere dies
keineswegs immer die Zustimmung zu deuteronomisch-deutcrono-
mistischen Vorstellungen. So lasse sich etwa die in Jcr 3.6-1 I; 31.9
ausgedrückte Bevorzugung Israels Juda gegenüber nicht mit der
deuteronomistischen Ideologie (2Kön 17.7-40!) vereinbaren
(S. 27.38 vgl. ferner S. 112). Der Vf. spricht damit ein vertrautes
Phänomen an (vgl. Weippert. a. a. O.. S. 40.82.23 mit Anm. 8 zu
Jer 7.12; 21.5; 32.41). das in der Diskussion über die literarische
Einordnung speziell der Prosareden des Jeremiabuches gewöhnlich zu
wenig Beachtung findet.

Nachdem die Weichen derart gestellt sind, gelingt es dem Vf.. einen
dreistufigen Fortsehritt im Denken Jeremias aufzuzeigen. Der junge
Jcrcmia der Josiazeit habe in menschlicher Umkehr und göttlicher
Gnade die unabdingbaren Voraussetzungen für eine Wiederherstellung
der Gottcsgemeinschaft (Bund) gesehen (Jcr 3.6-13.19-4.2;
31.2-9.15-22) (S. 23-53). In den Jahren zwischen 597-587 v. Chr.

habe sich Jcremia dann mimer weniger von der menschlichen Fähigkeit
zur Umkehr versprochen, und gleichzeitig sei er zu der Einsicht
gelangt, daß die 597 v. Chr. Deportierten für ihre Sünden bereits
ebüßt hätten, was eine Umkehrforderung an sie obsolet gemacht
labe. Beides zusammen habe eine Gewichtsverlagerung in Jeremias
Denken bewirkt, das mehr von Gottes Gnade und weniger von der
Bußfertigkeit des Volkes erwartete (Jer 24.4-7; 29.10-14) (S. 55-87).
Nach der Zerstörung Jerusalems schließlich habe Jeremia seine
Hoffnungen ausschließlich auf eine von Gott gewirkte Neuschöpfung
im Rahmen eines Bundes gesetzt, die es dem Volk unmöglich machen
sollte, jemals wieder aus der Gemeinschaft mit Gott auszubrechen
(Jer 31.27-37; 32.36-44) (S. 89-1 16). Diesen plausibel in der Biographie
des Propheten und der Zeitgeschichte verankerten gedanklichen
Dreischritt findet der Vf. an weiteren im Jeremiabuch verstreuten
Äußerungen zum Thema bestätigt (dabei werden nur Jer 50.33f;
51.50f als nach-jeremianisch bestimmt) (S. 117-150). Ferner lassen
sich ihm zufolge die inhaltlich verwandten Passagen im Arnos- und
Hoseabuch als Vorläufer (S. 151-166). die im Ezechielbuch und bei
Deuterojesaja (=Jes 40-66!) als Nachläufer jeremianischer Vorstellungen
einordnen (S. 167-175). So ergibt sich ein insgesamt geschlossenes
Bild, das von seiner Überzeugungskraft auch dann nichts
einbüßen dürfte, wenn man mit der Hcrlcitung der behandelten Texte
von Jeremia selbst sparsamer umgehen wollte, als der Vf. dies tut.
Heidelberg 1 Iclga Weippert

Ollenburger. Ben C: Zion the City of the Great King. A Theological
Symbol ofthe Jerusalem Cult. Sheffield: JSOT Press 1987.271 S. 8'
= Journal for the Study of the Old Testament, Suppl.Series. 41.
Kart. £ 8.95; Lw. £ 22.50.

In die Frage nach einer „Zionstradition" als Zentrum einer „Stadttheologie
" des vorexilischen Jerusalems kommt wieder Bewegung.
Mit den Arbeiten von O. H. Steck, der die „Zionstradition" als reflek-
tiert-kohärente theologische Konzeption versteht, die sich je individuell
-ausschnitthaft in den Jerusalemer Überlieferungen der Psalmen
und Propheten niedergeschlagen habe, von H. Wildberger. der die
konstitutive Bedeutung der „Zionstradition" für die Theologie Jesajas
herausgearbeitet hat. und von F. Stolz, der die Motivkombinationen
der „Zionstradition" aus vorisraelitischer Stadttheologie Jerusalems
ableitete, war ein Höhepunkt eines Forschungsstranges erreicht, der
seinen Ausgangspunkt beim Traditionsverständnis G. v. Rads und der
in diesem Horizont geschriebenen Dissertation von E. Rohland
(1956) nahm. Inzwischen ist, wie erneut der jüngst erschienene
Kommentar von R. Killian zeigt, in der Jesaja-Analyse deutlich
geworden, daß die Zionstexte im Protojesajabuch nachjesajanisch
sind und nicht mehr für die Behauptung des Alters der Zionsmotivik
in den Psalmen in Anspruch genommen werden können. In der Psalmenexegese
wird deutlich, daß gerade seit exilischer Zeit besonders
intensiv mythische Motive integriert wurden (Loretz; Petersen). In
dieser Diskussionslage nimmt man mit einiger Erwartung eine neue
Arbeit zur theologischen Bedeutung des Zionsmotivs zur Hand.

Das Besondere im Zugriff auf das Thema ist die Einführung eines
komplexen Symbolbegriffs. Ausgehend von Stecks Interpretation der
„Zionstradition" als einer kohärenten theologischen Konzeption soll
mittels des Symbolbegriffs die Vernetzung von Einzelmotivcn in ihrer
Zuordnung zum Zionsmotiv als Zentralsymbol erhellt werden. Als
Symbol ist das Zionsmotiv doppelseitig und verknüpft zwei Wirklichkeitsbereiche
. Einerseits hat es einen Anhalt an der Erfahrungswirklichkeit
im Südosthügel von Jerusalem, dem „Zionsberg". andererseits
hat es eine metaempirische Konnotation als Sitz des Königsgottes
und ist also auf das engste mit dem Motiv des göttlichen
Königtums und der darin ausgedrückten universalen Macht JHWH
als Schöpfer der Welt und Beschützer des Zion verbunden. Die Zionsmotivik
als Zentralmotiv ist abgeleitet aus der Schöpfungsmotivik.
Der Zion ist JHWHs Wohnort, der urzeitlich gegründet sei durch den
Sieg über das Chaos (Jes 14.32). Mit Aufnahme von Motiven, die aus