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Ausgabe:

1988

Spalte:

689-691

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

McGrath, Alister E.

Titel/Untertitel:

Iustitia Dei 1988

Rezensent:

Rogge, Joachim

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689

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 9

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diese Arbeit eine Qualität aufweist, die voraussichtlich für einige Zeit
nicht eingeholt werden wird. Dieser Eindruck bleibt bestehen, auch
wenn in der historisch-theologischen Aufarbeitung der reformierten
BS noch viel zu tun ist.

Eine ganze Reihe von Druckfehlern korrigieren sich selbst. Hingewiesen sei
'ediglich auf S. 247 Z. 7 v. u.. wo es heißen muß: „(Heili-)ge Geist", und auf
einige Fehler bei den Verfassernamen und Titeln des Literaturverzeichnisses:
ta Titel von B. O. Armstrong muß es heißen: Amyraut; im Titel von Gründler:
Girolamo; der Titel von E. Bizer lautet: Frühorthodoxie und Rationalismus;
der Titel von G. W. Locher: Die Zwinglische Reformation . ..; statt Lechter als
Verfassername muß es heißen: Lcchler.

Leipzig Ernst Koch

McGrath, Alister E.: lustitia Dei. A History ofthe Christian Doctrine
of Justification. I: From the Beginnings to 1500. 2: From I 500 to
the present day. Cambridge-London-New York-New Rochelle-
Melbourne-Sydney: Cambridge University Press 1986. XIII,
252 S. and VII. 264 S. 8 Lw. je £ 25.-.

Der Vf., Dozent für christliche Lehre und Ethik in Oxford, gibt in
seinem zweibändigen Werk einen ausführlichen Überblick über die
Entwicklung des Rechtfertigungsverständnisses in den christlichen
Kirchen. Er versteht seine Aufgabe jedoch nicht nur historisch (I.X).
sondern auch als theologisches Erfordernis. Die theologische Situation
heute verlangt eine Neuformulierung (restatement) und eine Wiedereinsetzung
(reinstatement) detchristlichen Lehre von der Versöhnung
. Davon geht McGrath aus. Die wesentliche Voraussetzung jedes
Versuchs der Interpretation, der Wiederinterpretation oder Neuformulierung
der Versöhnungslehrc ist eine angemessene Wertschätzung
der historischen Ursprünge und der nachfolgenden Entwicklung. Im
Rahmen der verschiedenen Konzepte zur Ausprägung dessen, was
Versöhnung durch Christus zwischen Gott und seiner Welt heißt, ist
das Rechtfertigungsverständnis am wichtigsten. Der Aufweis der Geschichte
des Rechtfertigungsgedankens in der vorliegenden Gestalt
wül dieser Einsicht dienen (I,XI).

Man sieht, das Vorwort des Vf. hat programmatischen Charakter
(I.1X -XII). Der Leser sollte es, verbunden mit der Namensliste in den
'acknowlcdgements", die eine Reihe namhafter römisch-katholischer
Ordenstheologen enthält (I.XIII), sorgfältig und als wirkliche
Voraussetzung für die weitere Lektüre zur Kenntnis nehmen.

McGrath weist gleich eingangs auf das Defizit der bis dato nicht
Beschriebenen Geschichte der christlichen Rechtfertigungslehre hin.
Die Notwendigkeit, hier Abhilfe zu schaffen, sieht der Autor in vierer-
'ei Hinsicht: I. Das klassische Werk Albrecht Ritschis (Die christliche
Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung, 1870) ist über
e'n Jahrhundert alt und den moralistischen Voraussetzungen des Verfassers
unterworfen, vornehmlich in der Analyse des jungen Luthers.
'Leider präzisiert McGrath seine Kritik an den "moralist presupposi-
tions" Ritschis nicht näher.) 2. Ritsehl geht der Geschichte des
Rechtfertigungsgedankens nur für die Zeit vom 1 1. bis 19. Jh. nach,
für die nachreformatorische Zeit auch nur im Horizont des deutschen
Protestantismus. (Man wird McGrath zustimmen, wenn es ihm um
eine Ergänzung zugunsten der ersten zehn Jahrhundertc und der nach-
■"eformatorischen römisch-katholischen Theologie zu tun ist, ebenso
um die Berücksichtigung der letzten Jahrzehnte des 19. und der ersten
Hälfte des 20. Jh.) 3. Seit Ritsehl gab es hervorragende kritische
Werkeditionen wichtiger Theologen (Die Weimarer Lutherausgabe
wird beispielhaft genannt), die u. a. neues Licht auf die Theologie des
Mittelalters geworfen haben. 4. Das neue Interesse an der Ökumene
"lacht eine gutinformierte Diskussion über die Entwicklung der
Rechtfcrtigungslehre erforderlich.

Mit obiger Defizit-Anzeige hat der Vf. gleich sein eigenes Programm
vorgestellt und dadurch Mut gemacht, sein kenntnisreiches gelehrtes
Werk seinerseits auf besondere Voraussetzungen hin zu bedachten
. Eine theologisch engagierte historische Fragestellung hat
man jedenfalls vor sich. McGrath zitiert, wohl um sein eigenes Wollen

zu signalisieren, Thomas von Aquin im Blick auf Siger von Brabant:
Der Zweck einer Arbeit über Philosophie besteht nicht darin, zu
lehren, was andere gedacht haben, sondern zu lernen, was wahr ist. In
diesem Sinne ist für den Vf. die Geschichtsschreibung über christliche
Lehrbildung nicht an ihrem Ende, und eine historische Methode kann
auch von einer theologischen Methode nicht absehen.

Nach solchen programmatischen Vor-Erklärungen geht der Leser
gespannt an die Lektüre. Sie wird vertieft durch zwei ausführliche
Anmerkungsapparate (I, 192-241; II, 193-250), die des Vf. Belesenheit
auch in der deutschsprachigen Literatur ausweisen. Die Verwendung
von Zeitschriftenpublikationen des Autors in den §§ 31, 33 und
37 (Anglieanism: the Caroline Divines; John Henry Newman's Lectu-
res on Justification; The dialectical theology of justification: Barth)
zeigt an, wo McGrath schon früher zur Theologiegeschichte gearbeitet
hat. Die Bibliographien in den beiden Bänden weisen auf seine weiteren
Arbeitsfelder hin und sind in summa eine Fundgrube für jede weitere
Arbeit am Gesamtthema des zweibändigen Werkes.

McGrath setzt nicht bibelexegetisch, sondern im Rahmen von Pro-
legomcna systematisch-definitorisch ein. Er möchte unterschieden
haben zwischen dem Konzept der Rechtfertigung und der Lehre der
Rechtfertigung (1,2). Letztere habe sich verhältnismäßig unabhängig
von ihren biblischen Ursprüngen entwickelt und beträfe die Mittel
(mcans). durch welche die Beziehung des Menschen zu Gott hergestellt
werde. Noch schärfer: Die Lehre von der Rechtfertigung hat in
der dogmatischen Theologie eine Rolle gespielt, die ganz unabhängig
(quite independent) von den paulinischen Ursprüngen war. Da
McGrath auf den Bibelexegeten Luther ausführlich eingeht, auch auf
Karl Barth, erhebt sich die Frage, ob eine durchgängige Systematisic-
rung der rechtfertigungstheologischen Fragestellung wirklich zutreffend
ist.

Für die theologischen Akzentuierungen durch die Jahrhunderte
bringt der Vf. folgendes in Anschlag: I. Die theologische Paulusrenaissance
im 12. Jh. durch Benutzung von Pauluskommentaren als
Vehikel der theologischen Spekulation. 2. das hohe Ansehen der
klassischen Rechtsgelehrsamkeit innerhalb der westlichen Kirche.
3. die semantische Verbindung zwischen iustitia und iustificatio. die
die Hochscholastik in die Lage versetzte, die göttliche Heilsveranstaltung
(dispensation) gegenüber der Menschheit in Rechtsbegriffen auszudrücken
, 4. die Formel „Gott ist gerecht" als Evangeliumsinhalt,
der in der Reformation sich in der Rechtfertigungslehre ausprägte.
5. die Diskussion über die Versöhnung mit Gott unter der Ägide der
Rechtfertigungslehre auf dem Konzil in Trient in der Mitte des
16. Jh.

Die genannten fünf Gesichtspunkte legen es nahe, die Rechtferti-
gungslchrc ih ihrer klassischen Ausprägung nur in der westlichen Kirche
zu suchen. Die östlichen orthodoxen Kirchen prägten mehr das
Konzept einer Vergöttlichung (deification) aus (1,3). Der lateinische
Westen entwickelte immer mehr theologische Interessen im Horizont
des römischen Rechts und entfernte sich dabei vom anders theologisch
grundgelegten Osten. Das vorliegende Werk befaßt sich vornehmlich
mit den Versuchen der westlichen Kirche, die Voraussetzungen
und Konsequenzen ihrer Proklamation des Heils in Christus
von den frühesten Zeiten bis heute zu analysieren.

Nach einer sehr kurzen Begriffsanalyse zu den biblisch und theologiegeschichtlich
relevanten termini im Bedeutungsfeld von Recht und
Gerechtigkeit setzt McGrath in der Darstellung mit Augustinus ein (I.
17). Der Bischof von Hippo ist auf der Schwelle zum frühen Mittelalter
der erste und einzige näher beachtete Theologe. Die sehr interessante
Paulusrezeption in der alten Kirche wird vom Vf. völlig übergangen
.

Das Interesse des ersten Bandes im vorliegenden Werk haftet an der
Entwicklung in der mittelalterlichen Kirche. Die Darstellung wird in
zwei Teilen geboten. Die §§5-13 (37-154) dienen dem Aufweis der
Verwendung der Leitbegriffe (justification, righteousness of God.
Justification and the sacraments. grace. merit, predestination and
justification etc.), die §§ 14-18 (155-179) der Darstellung mittelalter-