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Ausgabe:

1988

Spalte:

687-689

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Rohls, Jan

Titel/Untertitel:

Theologie reformierter Bekenntnisschriften 1988

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 9

688

der Rügenschen Fürsten, der Missionare und der Dänen miteinander
verbanden (58). Jan Skamby Madsen informiert über „Dänischwendische
Beziehungen am Schluß des 1 1. Jahrhunderts vom Fund
einer Schiffswerft bei Fribradreä auf Falster aus beleuchtet". Er führt
zu der Vermutung: „Vielleicht stehen wir mit dem Platz bei
Fribredreä einer solchen Situation gegenüber, wo die Wenden das
Gebiet mit-Billigung des dänischen Königs bewohnt haben" (86). '

Joachim Wächter schildert „Die Entwicklung des Kirchenwesens
auf Rügen im 13. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
". Auf dem Festland Rügen führte seit 1230 die ■„ Einwanderung
und Niederlassung deutscher Bauern, Kaufleute und Handwerker
zur Errichtung von Kirchen" (97). Dagegen blieb die Insel Rügen
mit Dänemark verbunden bis zur Reformation, „als Johannes Bugenhagen
sowohl in Pommern als auch in Dänemark für die Schaffung
reformatorischer Gemeinden arbeitete" (100).- Niels Jergen Poulsen
hielt einen Lichtbildervortrag über 16 Kirchen auf Südseeland
(107-112). Gerd Baier schildert „Die dänischen Einflüsse auf den
frühen Kirchenbau Rügens und ihre Beziehungen zum niedersächsischen
Kulturkreis". Von 11 oder 12 Kirchen auf der Insel, die Bischof
Absalon geweiht hat, sind drei erhalten: die Marienkirche in Bergen
sowie die Dorfkirchen von Altenkirchen und Schaprode. Mit dänischen
Priestern kamen auch dänische Bauleute. Kunstgeschichtliche
Details zeigen Zusammenhänge, „die ohne Frage unmittelbar nach
der Eroberung Rügens zwischen den Kirchenbauten Seelands und der
Insel Rügen bestanden, als vor nun schon über 800 Jahren dänische
Priester die Botschaft des Evangeliums in das Land der Ranen brachten
und dänische Bauleute ihnen zum Bau ihrer ersten Gotteshäuser
ihre helfende Hand boten" (134). Martin Schwarz Lausten erörtert das
Thema „Der Streit zwischen Dänemark und Pommern um die Super-
intendentur Rügen in der Reformationszeit". Johann Knipstro,
Johann Freder und Jakob Runge wurden im Laufe des 16. Jh. vom
pommerschen Herzog zu Superintendenten für Rügen bestellt; doch
sie mußten der alten Ordnung gemäß in Dänemark eine Bestätigung
einholen; dies war nicht nur ein kirchlicher Vorgang, vielmehr war es
für den dänischen König ein politischer Akt, der auch finanzielle Hintergründe
hatte (148). Auch die zahlreichen Bilder des Bandes tragen
bei zur Erhellung der dänisch-norddeutschen Kirchenbeziehungen.

Rostock Gert Haendler

Dogmen- und Theologiegeschichte

Röhls, Jan: Theologie reformierter Bekenntnisschriften. Von Zürich
bis Barmen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987. 365 S. 8' =
UTB für Wissenschaft, 1453. Kart. DM 29,80.

Der Titel des vorliegenden Buches ist mit Bedacht formuliert. Er
trägt dem Tatbestand Rechnung, daß es ein abgeschlossenes Corpus
reformierter Bekenntnisschriften (BS) nicht gibt und daß angesichts
der breiten geographischen und zeitlichen Streuung dieser BS „von
einer Theologie nur im Sinne einer Pluralität theologischer Konzeptionen
die Rede sein kann" (S. 5). Der Vf. nimmt sich vor, in seiner
Darstellung synthetisch vorzugehen, d. h. die theologischen Inhalte
der BS nicht aus einem (seiner Meinung nach nicht existierenden)
„reformierten Prinzip" zu entwickeln, sondern den dogmatischen
Loci zu folgen, und zwar so, „daß weder die theologischen Differenzen
zwischen den verschiedenen Bekenntnisschriften eingeebnet werden
noch deren historische Abfolge unberücksichtigt bleibt" (S. 7).

Die Darstellung ist diesem Programm treu geblieben. Sie widmet
sich den theologischen Gehalten der altreformierten BS, d. h. den
Texten von Zwingli bis zur Helvetischen Konsensusformel von 1675
in 16 Kapiteln, beginnend mit dem fundamentaltheologischen Fragenkreis
Offenbarung, Wort Gottes und Tradition bis hin zum Thema
Kirche und Staat. Immer wieder finden sich außerordentlich sorgfältig
differenzierende Partien, so z. B. bei der Darstellung der Gotteserkenntnis
(S. 39), der Frage des Verhältnisses von Sünde und Gottes-
ebenbildlichkeit (S. 91-96), der Prädestinationslehre (S. 176-198),
der notae ecclesiae (S. 209), der Sakramentslehre (S. 2160, der Taufe
(S. 2500 und der Rezeption des Sabbatgebots (S. 242r-245). Häufig
wird auf die SonderstellungZwinglis in der reformierten Lehrtradition
hingewiesen (so z. B. S. 99f, 215f, 250, 266). Der Facettenreichtum
dieser und anderer Partien, die die Nuancierungen der reformierten
Bekenntnistradition herausarbeiten, macht das Buch zu einem höchst
nützlichen Ratgeber. Immer wieder gelingen dem Vf. präzise und einprägsame
Formulierungen, die die Arbeit des systematischen Theologen
erkennbar machen (S. 178: „Die Erwählung ist das ontische Prius.
die Rechtfertigung das ontische Posterius. Aber die Erwählung ist zugleich
das noetische Posterius, die Rechtfertigung hingegen das noeti-
sche Prius"). Manche Einzelbeobachtungen machen nachdenklich
und lenken die Aufmerksamkeit auf größere Zusammenhänge, so, daß
in der Versöhnungslehre der reformierten BS die Christologie des
Hebräerbriefes vorherrschend ist (S. 116).

Der eher systematisch angelegte Hauptteil des Buches ist von einem
historisch orientierten Rahmen eingefaßt. Das Buch beginnt mit
einem Abschnitt über die Entstehung der altreformierten BS, der sich
mit Zwingli, Calvin und Bullinger und dem Verhältnis zwischen
Zürich und Genf, der Ausbreitung des Calvinismus in West- und
Osteuropa, dem Philippismus und der sog. deutschreformierten
Theologie, der Synode von Dordrecht und den Niederlanden, dem
englischen Puritanismus und der Schule von Saumur und ihrer Beurteilung
in der Helvetischen Konsensusformel beschäftigt. Der letzte
Teil des Buches befaßt sich unter dem Thema „Irenik, Toleranz und
die Entstehung neureformierter Bekenntnisschriften" mit der Frage
der Fundamentalartikel, der Entstehung der Toleranzidee in England,
dem Einfluß des amerikanischen Kirchenwesens, der Französischen
Revolution und der Erweckung auf die Bedeutung reformierter BS,
mit der Entstehung reformierter Freikirchen, der Unionsbewegung
des 19. Jh. und der Zeit nach 1918 bis zur Barmer Theologischen Erklärung
, die - wie schon bei Wilhelm Niesei - als reformierte BS erscheint
. Unschärfen sind am ehesten in diesen Teilen des Buches wie
überhaupt im Bereich der historischen Perspektiven der Darstellung
zu bemerken. Das mag bei Einzelheiten zu verschmerzen sein (so bei
der Darstellung des historischen Kontextes des Consensus Tigurinus
[S. 19], des Übergangs der Kurpfalz zum Calvinismus [S. 20] oder der
Herkunft der Konzeption der Lehre von den Fundamentalartikeln
[S. 322])-das historische Detail läßt sich anderswo erkunden. Für die
Darstellung theologischer Sachverhalte wichtig wird jedoch die
historische Einbettung der theologischen Positionen der reformierten
BS. Hier fällt auf, daß fast immer das Tridentinum gut und hinreichend
im Blick ist, sowohl was die Rechtfertigungstheologie
(S. 146-149 und 157) - bis hin zu neuen Interpretationsversuchen
(S. 146) und die Bußlehre (S. 167-170) als auch was die Meßopfcr-
theologie (S. 262-264) betrifft. Hingegen beschränken sich die Verweisungen
auf die altkirchlich-mittelalterliche Tradition auf wenige
Hinweise (vgl. S. 97, 107, 121 - hier übrigens ist Apollinaris, nicht
„Appolinaris" gemeint), während eine ganze Reihe wichtiger inhaltlicher
Bezugnahmen - etwa in der Lehre von der Gottebenbildlichkeit
- unaufgedeckt bleiben. Nicht ganz klar geworden ist mir der Sinngehalt
der Bezugnahmen auf die lutherische Lehrtradition. Solche Bezugnahmen
sind durchaus vorhanden (vgl. z. B. S. 139, 186,201,207.
211 u. ö.), bleiben aber an anderen wichtigen Stellen unerwähnt bzwwerden
in ihrer Relevanz nicht ausgewertet, so z. B. bei der BeicM"
frage (S. 171 0, dem Problem der Nottaufe (S. 247) und der Anbetung
Christi in den Abendmahlselementen (S. 2710 wie der Abendmahlstheologie
überhaupt sowie bei der Amtsfrage (S. 2820- ^n
diesen Stellen nehmen die reformierten BS eben auch zur luthen'
sehen, nicht nur zur römisch-katholischen Lehrtradition Stellung-
Der Aufweis dieser Aspekte hätte den Positionen der reformierten BS
ein noch deutlicheres Profil geben können.

Mit der vorliegenden Arbeit ist ein Buch greifbar geworden, das es
in dieser Art bisher nicht gab. Es ist ein großer Glücksumstand. daß