Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1988

Spalte:

637-638

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Mickel, Tobias

Titel/Untertitel:

Seelsorgerliche Aspekte im Hiobbuch 1988

Rezensent:

Mickel, Tobias

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

637

Theologische Litcraturzcitung 11 3. Jahrgang 1988 Nr. 8

638

Referate über theologische
Dissertationen in Maschinenschrift

weithin geübten Praxis, nur einzelne Aussagen von Hiobtexten secl-
sorgcrlich zuzuspitzen, ohne ihren Problemkontext genügend zu
beachten, erhebt vorliegende' Arbeit den Anspruch, einen umfassenderen
poimenischen Interpretationsversuch des Hiobbuches dar-

L*e, Shin Kcun: Entwicklung und Gestalt der Ekklesiologie zubieten. Die Erschließung seelsorgerlicher Aspekte geschieht dop-

K. Barths. Diss. Tübingen 1987. 286 S. pelseitig: sowohl im Horizont exegetischen Wissens als auch von

Grundzusammenhängen der Seclsorge her. Dabei gibt sich das Hiob-
Das Hauptgewicht der Arbeit (Kapitel l-lll) liegt darauf, die Wand- bucn muMis mutandis als „ein seelsorg(er)liches Reflexionsmodelllungen
der Ekklesiologie K. Barths in bezug auf die Veränderung der Z|] erkennen, an dem sich Einsichten gewinnen lassen, deren Relevanz
Grundeinsichtcn seiner Theologie darzustellen und zu deuten. RJr heutige Seelsorgetheorie und -praxis aufzuzeigen versucht wird.

Das Kapitel 1 behandelt den frühen Kirchenbegriff, der in den Jahren
1913-1919 in seinen Predigten und in seinem I. Kommentar des Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Teil I beinhaltet ..problcm-
Römcrbriefes 1919 besonderen Ausdruck fand. Hier wendete er seine orientierte Vorübcrlegungcn" (1-42). Themabezogen wird die neuere
Kritik gegen die römisch-katholische Kirche einerseits und gegen die scclsorgcthcorctischc Diskussion und der derzeitige Stand der Hiob-
nc<jprotcslantischc Kirche und den Pietismus andererseits. Er nennt exegesc skizziert. Ausgehend vom grundsätzlichen Erkenntnisintcr-
die wahre Kirche als ,Lcib Christi' die organisch wachsende Christus- esse der Seelsorge an ihrer biblischen Dimension werden zahlreiche
Gemeinschaft, die Gemeinschaft des Gottesreiches. Berührungspunkte zwischen poimenischen Fragestellungen und dem
Das Kapitel II unternimmt, den Kirchenbegriff in der Periode der Hiobbuch aufgezeigt. Methodologische Überlegungen ergeben, daß
•dialektischen Theologie' 1921-1931 zu untersuchen. In seinem eine poimenische Interpretation des Hiobbuches von der Grund-
2- Kommentar des Römerbriefes 1921 verstand er die Kirche als die kategorie ,,seelsorgerliche Situation" ausgehen kann. Diese konsti-
Unanschaulichc. dialektische Größe. Und die sichtbare Kirche des tuiert sich durch den in Not geratenen Menschen (Hiob). durch den
Neuprotestantismus wurde in die Krisis gestellt. Aber kurz nach der Seelsorger (Hiobs Freunde) und durch den theologischen Kontext der
Veröffentlichung der 2. Auflage des Römerbriefes trat die .Theologie entstehenden Kommunikation (Gott),
des Wortes Gottes' an die Stelle des ,Gott-Welt-Prinzips' als des

Maßes und Motives seiner Theologie. Nun wurde die Kirche unter Tcii 2 cnlhal1 -exegetische Untersuchungen und Textinterpretatiodas
Wort uMlcs gestellt. Sie ist als solchedie Kreuz. ncn" und bildct den Hauptteil der Arbeit (43-158). Die Situation
die Kirche von Sündern. Sie hat als hörende Gemeinde eine nur mit- Hiobs wird zunächst unter verschiedenen Aspekten als bewußt gestaltbare
, relative und formelle Autorität. Ab 1926 wollte er das Wesen tete -Scelsorgesituation" beschrieben, um sodann den Dialogteil (Hi
der Kirche positiver als früher als .göttliche Stiftung'legitimieren. 4~27) als -Gesprächsprozeß des .scheiternden' Tröstens" nachzu-

Das Kapitel III untersucht den christologisch bestimmten Kirchen- zeichnen. Dieser erste Durchgang erfährt eine zwe.läche Vertiefung,

begriff 1932-1968. Im ersten Abschnitt wird versucht, die Wandlung ,ndem zum einen das h,nter dem Trösten der Freunde erkennbare

der Grundeinsichten zwischen 1927 und 1932 darzustellen: a) Von -Seelsorgekonzept" rekonstruiert und - vom Kriterium der Authentl-

der Dialektik zur Analogie, b) Histologische Konzentration, c) Zltal gegenüber dem „Hiobproblem" her - der Kritik unterworfen

Wiederentdeckung der endgeschichtlichen Eschatologie. Der zweite wird- Zum andcren findc' Hiobs Kla«c als eine ..«JWOlogilche Sprach-

Anschnitt behandelt den Kirchenbegriff, der 1933-1945 währenddes form" Beachtung, in welcher der im Le.den eines Unschulden aul-

"ürcherfkampfes im Dritten Reich von Deutschland Ausdruck fand. brechende Widerspruch zwischen Lodenserfahrung und Gottesglau,

•n» dritten Abschnitt ist von der Kirche in ihrem Zusammenhang mit ben so zur Sprache kommt, daß die Gottesbeziehung .m Leiden festge-

der Heiligen Schrift die Rede (KD 1/2, 1938). Der vierte Abschnitt be- haitcn wcrden kann' ohne Jcncn w'dcrspruch zu verdrängen oder gar

handelt den KirchenbegrilT im Rahmen der Erwählungslehre als gelöst auszugeben. Schließhch wendet sich d,e Untersuchung den

K- Barths (KD H/2, 1942). Im fünften Abschnitt wird der Kirchcnbe- Gottesreden und der Erzählung von Hiobs Wiederherstellung zu: Das

tfffim Rahmen der Vcrsöhnungslehre K. Barths ins Licht gebracht tröstliche Umgestimmtsein Hiobs in 42,6 w.rd in Verbindung mit

'KD IV/1 -3 1953-1968) dem Akt" und Antwortcharakter der Gottesreden interpretiert. Dabei

>m Kapitel IV und V der Arbeit wird unternommen, K. Barths Ek- kommt im Gefol8c der Hiobintcrprelationen von O. Keel und
k|esiologie mit den römisch-katholischen Ekklcsiologicn zu verglei- J- Ebach " letzterem verdankt vorliegende Arbeit auch an andereren
. Das Kapitel IV unternimmt, den .Leib-Christi-Gedankcn' Stelle manchc Anregung - die Auffassung zum Tragen, daß sich die
K Barths mit der am 29. Juni 1943 von Pius XII veröffentlichten ,m mythologischen Kontext gegebene Antwort Gottes mit dem GeEnzyklika
.Mystici Corporis Christi' zu vergleichen. schick Hiobs im Mcdium c,ner -erzählten Analogie" vermittelt. Aus

Das Kapitel V versucht, den KirchenbegrilT K. Barths von dem dl^ Interpretationsperspektive verweigert das Hiobbuch von

'VoIk Gottes' mit der Kirchenkonstitution des 2. Vatikanischen Kon- sc,ncm Ende hcr cinen Slnn des Lcldcns nacb dcn Kategorien der

*ls<Lumcn Gentium. 1966) zu vergleichen. Kausalität. Finalität und Notwendigkeit, ohne jedoch damit die eher

Zum Schluß der Arbeit wird unternommen, die wichtigste Charak- ^kursiven Antwortversuche der Freunde Hiobs zu widerlegen.

teristik und Problematik der Ekklesiologie K. Barths in vier Punkten Allerdings wird mit der exemplarischen Erzählung vom sinnhaften

hervorzuheben und zu bewerten: I) Was ist die Kirche?. 2) Wie gestal- Lebcn dcs Wiederhergestellten ,n 42.1 I -1 7 die Hotlnung aul den „Ab-

■fcsichdie Kirche?, 3) Wozu ist die Kircheda?, 4) Was ist die Zukunft bruch der Leidensgeschichte" (W. Benjamin) - ähnlich wie in Hiobs

derKirche? Appell „an Gott gegen Gott" in 19,25-27-festgehalten.

Teil 3 akzentuiert drei Haupterträge der interpretatorischen Arbeit
am Hiobbuch für die poimenische Diskussion (159-171). Zum einen
wird für seelsorgerliche Authentizität gegenüber dem „Hiobproblem"

Dickel, Tobias: Scclsorgerlichc Aspekte im Hiobbuch. Ein Bei- optiert. Zum anderen plädiert Vf. für die Sprachform der Klage als

'rag zur biblischen Dimension der Poimenik. Diss. Halle (S.) 1987. einer in der zeitgenössischen Seclsorge wiederzuentdeckenden Mög-

'V, 182 S. 1 ichkeil der Leidensbewältigung. Endlich geht die Auswertung auf die

bedrängende Warum-Frage ein. wobei hingewiesen wird auf die im

Daß das biblische Hiobbuch auch in seelsorgcrlicher Hinsicht Bc- Dialogteil deutlich werdende Grenze ihrer diskursiven Beantwortbar-

deutung hat, ist in der poimenischen wie in der exegetischen Literatur keit und auf die in den Gottesreden und am Hiobschluß auf-

*" diesem Themenkreis nicht unbekannt, wenngleich diese Einsicht scheinende Bedeutung mythischer und narrativer Elemente für die Be-

eher peripheren Stellenwert einzunehmen scheint. Gegenüber einer wältigung von Leidenserfahrungen in der Seelsorge.