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Ausgabe:

1988

Spalte:

626-628

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Harms, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Familie als Aufgabe kirchlicher Verkündigung 1988

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 8

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pluralistisch in verschiedenen Philosophien, Ideologien und religiösen
Strömungen äußert, und einer jeweiligen Individuallage, die
die Stichwortc „Erfahrung" und „Identität" anzeigen, zentrierte praktisch
-theologische Urteilskraft darf mit der Aufmerksamkeit nicht nur
der praktischen Theologie rechnen. Sie geht sicher die ganze Theologie
an, die praktische Theologie hat jedoch kaum Zeit, auf diese zu
warten. Sie muß vielmehr eine entsprechende Theorie kirchlicher
Praxis endlich in Angriff nehmen. Allerdings wären an Fürst angesichts
seiner bei aller ökumenischen Öffnung durchaus katholischen
Position theologische - christologische, pneumatologische, ekklesio-
logische - Fragen zu richten. Denn so reibungslos, wie er die „Rechtfertigung
allein aus Glauben" in seine fides caritate formata aufzuheben
versucht, läßt sie sich nicht aufheben. Einer Theorie kirchlicher
Praxis setzt sie sehr bestimmte Grenzen. Die Definition „der praktischen
Theologie als praktischer Pneumatologie" (649) rückt sie
noch einmal in eine neue Beleuchtung.

Münster Ebernard Hübner

Reimer, Hans-Diethcr: Wenn der Geist in der Kirche wirken will. Ein

Vierteljahrhundert charismatische Bewegung. Stuttgart: Quell Verlag
1987. 132 S. 8". Kart. DM 12,80.

Die charismatische Bewegung gehört nach wie vor zu den großen
transkonfessionellen Bewegungen unserer Zeit. Hans-Diethcr Reifer
, Mitarbeiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
in Stuttgart und seit Jahrzehnten als Fachmann auf dem
Gebiet religiöserGcmeinschaften ausgewiesen, legt einen Abriß dieser
V|eldiskutierten, nach wie vor umstrittenen Bewegung vor. Er tut dies,
w'e Reinhart Hummel in seinem Geleitwort mit Recht bemerkt, aus
der Sicht „eines wohlmeinenden, aber nicht unkritischen Begleiters"
(S. 5). Diese Position setzt auf dem Hintergrund der großen Erfahrung
des Vf. mit inner- und außerkirchlichen Gruppierungen spezifische
Akzente, macht nicht zuletzt das Besondere und in vielfacher Beziehung
Anregende, ja Ungewöhnliche dieser Arbeit aus.

Reimer will keine objektive und auch keine abgerundete Darstellung
geben, sein Ziel ist „den Leser anzuregen, die Dinge neu zu
sehen", „eine Brücke zu schlagen" (S. 8).

Die Darstellung setzt mit der „Geschichte der charismatischen Bergung
" ein. Nach einem Blick auf „Das Umfeld" wird „Der Ursprung
der Bewegung" vorgestellt und dabei in besonderer Weise die
Entstehung der „katholischen charismatischen Bewegung" berück-
Slchtigt. Relativ ausführlich geht der Vf. naturgemäß auf „die .Geistliche
Gemeinde-Erneuerung' in der Bundesrepublik Deutschland"
e'n. Ungeachtet der aufgezeigten Aktivitäten sieht er hier, im Vergleich
mit der weltweiten Entwicklung, die charismatische Bewegung
"besonders schwach ausgeprägt" (S. 35). „Von einer .Bewegung' kann
"inerhalb der deutschen evangelischen Kirche keine Rede sein. Und
"^'t der Selbstbezeichnung .Geistliche Gemeinde-Erneuerung' ist eher
Zielrichtung markiert als ein tatsächlicher Vorgang erfaßt"
(ebd.).

Uber den „charismatischen Aufbruch in der DDR" wird ebenso wie
u°er aktuelle Entwicklungen in der katholischen charismatischen
Bewegung kurz informiert. In dem Abschnitt „Die weltweite Entwick-
'Ur>g im Überblick" verdient besonders der dritte Punkt „Wandlungen
" Beachtung. Mit dem Beginn der achtziger Jahre sieht der Vf.
weltwcit vier Themenkreise in der charismatischen Bewegung hervor-
lreten, „mit denen zum Teil traditionelle Strömungen wieder wirk-
wurden, zum anderen Teil aber der charismatische Impuls sich
neu artikulierte" (S. 55). Er nennt: Fundamentalismus, „Weltevange-
'"sation". Machterweise des göttlichen Geistes (Heilungen) und „Ge-
rrieindewachstums-Bewegung". An den historischen Teil (II.) schlie-
"en sich unter den Überschriften „Beobachtungen und Intcrprc-
tationen" (III.), „Gestaltungsformen der Bewegung" (IV.) und „Zur
Konkretisierung" (V.) thematische Darstellungen und Untersuchungen
an. Dabei werden u. a. so wichtige Fragen wie C harismen. Geisttaufe
, Seelsorge behandelt.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die „Beurteilung" (VI;). Diese
ist, in sechs Punkten entfaltet, grundsätzlich positiv. „Was in der
charismatischen Erneuerungsbewegung aufleuchtet und jenen, die
diese Bewegung tragen, anvertraut ist, verstehe ich als ein wirkliches
Geschenk Gottes an die Kirche" (S. 96). Im einzelnen erkennt der Vf.
jedoch mit Recht „Grenzen und Bedingtheiten" (S. 97). Er verweist
u. a. auf die anhaltende Prägung durch das „Gesetz des Anfangs"
(S. 98), die einseitige geistliche Ausrichtung, das Defizit an theologischer
Reflexion. Reimer sieht eine Reihe von Gefahrenpunkten
(„gesetzliche Rechtgläubigkeit, gesetzlicher Biblizismus", die Verfügbarkeit
des Geistes u. a.). Nachdrücklich zuzustimmen ist, wenn er
unter Hinweis auf einen in der charismatischen Bewegung verbreiteten
„unbiblischen Dualismus" die „außerordentliche Aufwertung des
Satans und seines Machtbereiches" feststellt: ..In ängstlichen Gemütern
gewinnt die Tcufelsfurcht fast automatisch das Übergewicht.
Ja. schwere psychische Spannungen und Pathologien benützen gleichsam
die hiermit vorgegebenen Muster und nehmen häufig .dämonolo-
gischc' Züge an. Um dem begegnen zu können, kommt es dann immer
häufiger zu exorzistischen Maßnahmen" (S. 1040.

Der Teil „Wohin steuert die .Geistliche Gemeinde-Erneuerung'?"
ist ein Kongreßbericht, wirkt als Anhang, verleiht der Publikation
zwar besondere Aktualität, rückt sie damit aber auch zu Unrecht in
die Nähe von Verbrauchsliteratur. Ein kleines Literaturverzeichnis
informiert über wichtige Quellen und Sekundärliteratur. Auch wenn
das Auswahlprinzip vom Vf. hervorgehoben wird, bleibt unverständlich
, warum die Arbeit von Carter Lindberg, Charismatische Erneuerungsbewegungen
in lutherischer Tradition (LWB-Report Nr. 12,
Oktober 1985), weder Erwähnung noch Berücksichtigung fand. Seinem
Anliegen, „Verständnis wecken, interpretieren, unterscheiden,
die jeweilige Situation erhellen, den Impuls aufgreifen und vertiefen.
Gefahren aufzeigen" (S 7), wird der Vf. mit der vorliegenden Publikation
durchaus gerecht.

Halle (Saale) Helmut Obst

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Harms, Klaus: Die Familie als Aufgabe kirchlicher Verkündigung.

Spardorf: Wilfer 1986. IV, 305 S. 8

„Es ist das Anliegen dieser Arbeit, die Bedeutung der Familie für die
Vermittlung christlicher Tradition neu ins Bewußtsein zu heben."
(284) So hat der Vf. am Schluß die Zielsetzung seines Buches zusammengefaßt
. Er beginnt die Untersuchung im Teil A mit einem
Paragraphen, der ganz knapp den soziologischen Bedeutungswandel
und -schwund der heutigen Familie beschreibt. Dann setzt er sich in
§ 2 kritisch mit Konzepten auseinander, die die defizitäre Situation
restaurativ-missionarisch im Sinne einer erneuerten „Hauskirchc"
überwinden wollen (E. von Kirchbach. T. Sorg. W. Horckel.
C. Meves). Ein Exkurs dazu bringt Hinweise auf die diesbezügliche
Tradition des Pietismus bei Zinzendorf und Spener. Im § 3 stellt er
fest, daß die bisherigen Denkschriften der EKD zu Ehe und Familie
wenig hergeben und diese vorwiegend als Objekte kirchlichen
Handelns betrachten. Wesentlich stärker befaßte sich die katholische
Kirche mit dem Thema (§4), die ähnliche Ziele wie die pietistisch-
missionarischen Bemühungen verfolgt und durch ihr naturrechtliches
Denken sowie durch ihre sakramentale Praxis der Familie einen eigenen
Platz als Quelle kirchlicher Erneuerung zuweist.

In § 5 beschäftigt sich der Autor mit Familientheorien und Familientherapien
(S. Minuchin, V. Satir, P. Watzlawick, H. E. Richter.
R. D. Laing), die in unterschiedlicher Weise die Familie als Basis der
sozialen Kommunikation und der individuellen Idcntitätsfindung im