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Ausgabe:

1988

Spalte:

596-597

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Beagley, Alan James

Titel/Untertitel:

The "Sitz im Leben" of the Apocalypse with particular reference to the role of the church's enemies 1988

Rezensent:

Karrer, Martin

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 8

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in dieser exegetischen Studie dargestellt. Als Einstieg in die Thematik
dient dem Vf. die Parakletvorstellung. Er stellt in einem forschungs-
geschichtlichen Überblick die gängigen religionsgeschichtlichen Er-
klärungsmuster vor, behandelt alle wichtigen Aspekte der Paraklet-
sprüche und kommt zu dem Ergebnis, daß eine ursprünglich jüdische
Vorstellung vom Evangelisten in besonderer Weise aufgenommen
wurde. Das Spezifikum der joh. Parakletvorstellung sei in der streng
christologischen Fassung zu sehen, die den Parakleten nicht nur als
Parallelgestalt zu Jesus ausweist, sondern: "When one encountered
the Spirit Paraclcte in the Johannine Community, one encountered the
risen Christ" (S. 41).

Im 2. Hauptabschnitt untersucht der VI". die Bedeutung des Geistes
für die joh. Christologie. In Joh 1,29-34 werde Jesu Taufe ausschließlich
als Geisttaufe dargestellt und das Bleiben des Geistes auf Jesus in
V. 32.33 nachdrücklich betont. Jesus erscheint damit als Geistträger
schlechthin, der vom Vater die bleibende Gabe des Geistes empfing
(vgl. ferner Joh 3,34; 6,27). In der joh. Pneumatologie ruht der Geist
nicht nur auf Jesus, sondern er ist ein Attribut seiner Person. Deutlich
wird diese enge Verbindung zwischen Jesus und dem Geist in
Joh 7,37-39; 19,34; 1 Joh 5,6-8; Joh 4,7-15, wo das von Jesus ausströmende
Wasser erwähnt wird. Der Vf. versteht Wasser als Symbol
für den Geist (vgl. Joh 7,37.38 mit 7,39) und nimmt als Ursprung für
diese Symbolik atl. bzw. rabbinische Traditionen an. Der Geist und
Jesus sind nicht nur in Jesu Erdenwirken untrennbar miteinander verbunden
, sondern darüber hinaus in Kreuz, Auferstehung und der
Gegenwart des Erhöhten. Aus Joh 6,63 und der atl. Verbindung
Geist/Wahrheit geht für den Vf. hervor, daß auch die Worte Jesu an
den Geist gebunden sind. Jesus als eschatologischer Prophet offenbart
den Glaubenden das durch den Geist lebendige Wort.

Im 3. Hauptteil wird die Bedeutung des Geistes für die joh. Eschato-
logie erörtert. Er beginnt mit einer intensiven Analyse von Joh 20,22
und thematisiert insbesondere das Verhältnis zu Apg2. Aus den
Übereinstimmungen zwischen beiden Texten ergibt sich für den Vf.:
"What Luke records on Pentecost, John refers to Easter" (S. 148).
Diese Interpretation setzt voraus, daß sich Joh 20,17 f bereits auf den
Aufstieg Jesu zum Vater bezieht. Weil Johannes Jesu Verherrlichung
am Kreuz, seinen Hingang zum Vater und die Gabe des Geistes als
einen Akt versteht, muß Joh 20,22 bereits auf die Gabe des Parakleten
bezogen werden. Wenn die Jünger in Joh 20,19ffden auferstandenen
Jesus sehen, begegnen sie dem Geist. Johannes verbindet die Gabe des
Geistes mit Ostern, weil für ihn Jesu Tod und die Sendung des Parakleten
nur verschiedene Aspekte der einen Verherrlichung des Sohnes
sind. Indem Jesus im Parakleten präsent ist, verbinden sich im Geist
Auferstehung und Parusie. In der präsentischen Eschatologie übernimmt
der Geist die Rolle Jesu und ermöglicht "a personal epiphany
of Jesus to the believer" (S. 147). Dabei verliert der Evangelist die
Parusie Jesu (vgl. Joh 14,20 nicht aus den Augen, nur sind für ihn
viele traditionell zukünftige Ereignisse bereits Realität.

Im 4. Hauptteil widmet sich der Vf. der Bedeutung des Geistes für
Taufe und Abendmahl bei Johannes. Einerseits wird Joh 3,5 als ursprünglich
angesehen, andererseits kommt der Taufe nur eine untergeordnete
Bedeutung in der joh. Gemeinde zu. Die Geisterfahrung
und der Glaube sind die Primärdaten christlicher Existenz. Nicht die
Taufe, sondern der Geist und der Glaube gewähren dem Glaubenden
die Gabe des ewigen Lebens. Die joh. Gemeinde versteht sich als eine
pneumatische Gemeinschaft, in der jeder Gläubige sich vom Geist;
ergriffen und geführt weiß. Dies zeigt sich auch im joh. Abendmahlsverständnis
, denn Joh 6,52-58 wird zwar nicht als sekundär angesehen
, aber den Interpretationshorizont dieses Abschnittes bildet
Joh 6,63. Der Evangelist ist nicht an einem traditionell materiellen
Abendmahlsverständnis interessiert, vielmehr betont er die Vereinigung
des Glaubenden mit Jesus im Geist. Die Pneumatologie interpretiert
bei Johannes die Eucharistie. Schließlich ist auch der joh.
Gottesdienst vom Geist bestimmt (Joh 4,23.24). "Worship in Spirit
affirms activity which incorporates the union of worshiper with Christ
through the Spirit that Christ himself has providcd" (S. 193).

Im Schlußabschnitt wendet sich der Vf. zunächst dem joh. Missionsverständnis
zu. So wie der Vater den Sohn sandte, so sendet der
Sohn die Gemeinde (Joh 20,21). Empfing der Sohn die Gabe des
Geistes vom Vater (Joh 1,33; 3,34), so die Gemeinde vom Sohn
(Joh 20,22). Der Paraklet fuhrt die Gemeinde in ihrem Missionszeugnis
gegenüber der Welt. Überlegungen zum Parakleten bilden
dann den Abschluß der Arbeit. Der Vf. stellt noch einmal die forensische
und hermeneutische Funktion des Parakleten heraus, der die
Gemeinde in ihrer Auseinandersetzung mit der Welt leitet, an die
Worte Jesu erinnert und zugleich als Christus präsens neue Traditionen
schafft.

Die Arbeit des Vf. ist ein beachtenswerter Beitrag zu den vielfältigen
Problemen der joh. Pneumatologie. Auch wenn einzelne Ergebnisse
fragwürdig erscheinen (so die Alternativsetzung Sakrament - Pneuma,
die völlige Gleichsetzung Christus - Paraklet), ist es das Verdienst
dieser Studie, die joh. Pneumatologie sowohl in ihrer ganzen Breite als
auch in ihrer charakteristischen christologischen /.en'Herung darzustellen
.

Erlangen Udo Schnelle

Beagley, Alan James: The ,Sitz im Leben' of the Apocahpse with
Particular Reference to the Role of the Church's Knemies. Berlin
(West)-New York: de Gruyter 1987. XIV, 207 S. gr. 8" = BZNW,
50. Lw. DM 82,-.

Eines der bedrängenden Probleme der Apk stellt ihre Haltung zum
nicht christlich gewordenen Judentum dar. Denn in Apk 2,9; 3,9
findet sich das erschreckende Verdikt, dieses bilde die Synagoge
Satans. Deutschsprachige exegetische Literatur schlägt um diese
Äußerungen nicht ohne Grund gern einen Bogen. Anders verhält sich
Beagleys 1983 am Füller Theological Seminary angenommene Dissertation
, die hier in ihrer von Tamsui, Taiwan, aus geringfügig überarbeiteten
Druckfassung zu besprechen ist: Sie bettet diese Stellen in
ein judenkritisches Gesamtbild der Apk unter der im Titel der Arbeit
halb verborgenen These ein, die Feinde der Kirche seien lür die 'Apk
die sich dem Christentum verschließenden Juden um ihr Zentrum
Jerusalem; Rom dagegen spiele nur eine untergeordnete Rolle. Niko-
laiten, Leute um Isebel und Verfall der Gemeinden bleiben gänzlich
irrelevant (S. 31 -36 zu Apk 1,9-3,22).

Drei Rahmenkapitel flankieren die These: Laut Kap. 1 ererbt das
Christentum vom Judentum die Bereitschaft zum Leiden um Gottes
willen, die es Verfolgungen von Heiden wie nichtchristlichen Juden
ins Auge schauen läßt. Kap. 3 erarbeitet die Grundlage für die Jerusalemkritik
der Apk in altprophetischen Anklagen und Unheilsansagen,
Kap. 4 schließlich den Kontext einer negativen Jerusalemsicht im
Neuen Testament.

Zwischen diese Koordinaten eingebettet, widmet sich das zentrale
Kap. 2 der Einzeluntersuchung der Apk. Die Leidensbereitschaft der
Christen erscheint weitab vor Rom von ihrer in Jerusalem gebündelten
Umwelt gefordert, die hinter den Verfolgungen von 2,10 und -
schlimmer - 18,24 stehe (S. 32f, 95); denn Rom sei noch nicht zu so
weit gehenden Verfolgungen fortgeschritten (weshalb Beagley die
Datierung der Apk offenhält, z. B. S. 112). Auch bei den Bewohnern
der Erde, die 11,10 über den Tod der beiden Zeugen jubeln, müsse
man so vorrangig an Juden denken (S. 69).

Korrespondierend ergehe das Gericht entscheidend über das Judentum
, Jerusalem. Ihm gelte so das Auftreten der apokalyptischen
Reiter (S. 42) und der Zorn des sechsten Siegels; sogar die Könige der
Erde 6,15 ließen sich auch auf Regierende Palästinas beziehen (S. 44).
Weiter stünde es im Zentrum des Plagengeschchens etwa von 8.7 und
9,1-12 (S. 52ff) sowie der Gerichtsvorgänge von 14,14-20 und
16,2-17,3a (S. 840. Selbst 7.3-8; 11,2; 14,1-5 implizierten in ihrer
Aufwertung der Christen und des himmlischen Zion Gericht über
Jerusalem, Abweisung ungläubigen Judentums und Entwertung des
irdischen Zion (S. 48, 63, 81). Alles überbietend sei schließlich die