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Ausgabe:

1988

Spalte:

594-596

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Burge, Gary M.

Titel/Untertitel:

The anointed community 1988

Rezensent:

Schnelle, Udo

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Theologische Litcraturzeitung I I 3. Jahrgang 1988 Nr. 8

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Besondere des Matthäusevangeliums wird dann als Ideolekt seines
Autors angesehen. Aber so sicher dieser Vergleich angesichts der
vorhandenen Quellen der konstitutive Arbeitsgang schlechthin ist,
kann der Dialog zwischen dem Autor des Mt und seinen Lesern nur
gelingen, wenn ein hinreichend großer Vorrat an gemeinsamem So-
ziolekt vorgegeben ist. Das heißt, der synoptische Vergleich liefert zunächst
nur die Besonderheit des mt Textes. Die danach zu vollziehende
Wertung von Soziolekt und Ideolekt ist noch einmal ein
weiterer Arbeitsgang. Das hat einschneidende Konsequenzen: Eine
Besonderheit des mt Textes kann durchaus älter sein als der jetzige
Text und kann für den Autor des Mt ohne besondere Relevanz für seinen
Ideolekt sein.

Eine dritte Beobachtung sei angefügt: Immer wieder muß Sch., will
er nicht sein Werk im Umfang uferlos werden lassen, thetisch Hintergrundinformationen
als Ergebniszitate fremder Untersuchungen anfügen
(vgl. z. B. S. 4 mit gleich zwei Beispielen). Dies ist seine Wahl
und Wertung, auf die er dann seine weiteren Thesen aulbaut. Aber
wieweit solche Thesen umstritten sind, wie sie begründet werden oder
"1 wiefern sie einen bestimmten forschungsgeschichtlichen Ort haben,
bleibt unerwähnt. Ein Leser, der den Forschungsstand nicht kennf,
wird aufgrund der Selbstverständlichkeit, mit der solche Thesen
gesetzt werden, zu der Annahme verfuhrt, das sei unbestrittene und
selbstverständliche Wahrheit. Dies gilt aber für zahlreiche Stellen
keineswegs.

Auf anderer Ebene liegen zwei Kritikpunkte zur Gestaltung des
Werkes: Es ist nicht gerade benutzerfreundlich, wenn Sch. seine theoretischen
Voraussetzungen, mit denen er arbeitet, nur auf zwei
knappen Seiten (S. 20 andeutet. Ebensowenig fördert es das Lese-
vergnügen, wenn die vielen Abkürzungen weit über die üblichen
grammatischen Fachausdrücke hinaus auch sehr viele sonstige Wörter
betreffen. Ein Abkürzungsverzeichnis fehlt ganz. Wie soll ein
Leser, der nicht Deutsch als seine Muttersprache spricht, sich dabei
durchfinden?

Als abschließende Würdigung ergibt sich: Das Werk hat deutliche
Probleme, jedoch enthält es bei kritischer Benutzung umfassende
Informationen zu Mt, wie sie bisher nicht vorlagen. Wer sich in
Zukunft mit Mt beschäftigt, wird sich bei Sch. viele Hilfen holen
können.

Kiel Jürgen Becker

Schwankl, Otto: Die Sadduzäerfrage (Mk 12,18-27 parr). Eine
exegetisch-theologische Studie zur Auferstchungserwartung.
Frankfurt/M.: Athenäum 1987. IXX. 699 S. gr. 8" = Bonner
biblische Beiträge, 66. geb. DM I 18.-.

Die vorliegende Untersuchung ist die gedruckte Fassung einer 1985
v°n der kath.-thcol. Fakultät der Universität Würzburg angenomme-
nen Dissertation: sie wurde unter Anleitung von R. Schnackenburg
erarbeitet. Die Thematik wird in 21 §§ breit entfaltet. Nach einer
ausführlichen Standortbestimmung der Auferstehungsfrage in der
beutigen Diskussion (S. 2-10) und einem Überblick über die Behandlung
des Sadduzäergesprächs in der Forschungsgeschichte (S. 11-62;
v°n D. F. Strauß bis J.-G. Mudiso M. Mundla [1984]) wendet der Vf.
Slch zunächst einer umfänglichen linguistischen Untersuchung der
perikope zu (2. Kap., S. 68-141). Sie ist in eine grammatisch-syntak-
"sche. eine semantische und eine pragmatische Analyse untergliedert
. Besonders in diesen drei §§ stellt sich das durchgehende Bemühen
des Vf. als hilfreich heraus, die jeweiligen Arbeitsschritte methodolo-
g!seh eingehend zu begründen sowie - speziell in diesen Abschnitten -
den Leser in das verwendete Vokabular einzuführen1. Damit ist ein
8r°ßcr, nicht selbstverständlicher Vorzug dieser Arbeit angesprochen.
anhand der behandelten l'erikope exemplarisch Arbeitsweisen der
'"nguistischen Analyse darzustellen. Ein drittes Kap. ist der Entwicklung
t|es Auferstehungsglaubcns im biblisch-jüdischen Raum gewid-
"tet (S. 142-300), bevor im vierten Kap. eine eingehende historisch-

kritische Analyse der Perikope erfolgt (S. 301-465)2. Ein im Blick auf
die Forschungssituation zu Mk 12.18-27 parr gesteigertes Interesse
gebührt der anschließenden k,Rückfrage nach Jesus" (S. 466-587); in
diesem Kap. wird zunächst die methodologische Problematik der
historischen Jesus-Frage ausführlich diskutiert, um für die historische
Beurteilung der Perikope' verantwortete Kriterien zu erarbeiten.
Wieder ist die methodisch klare Einführung und die angesichts der
Grundsätzlichkeit der Erwägungen exemplarische Durchführung am
fraglichen Text hervorzuheben. Ein abschließendes Kap. zieht die
Thematik in hermeneutische und systematische Dimensionen aus
(S. 588-633). Literaturverzeichnis4, Stellen-, Wort- und Sachregister
schließen die Arbeit ab (S. 634-699). O. Schwankl präsentiert einen
groß angelegten Gesamtentwurf zur Sadduzäerperikope und der
damit verbundenen Thematik. Die gegenwärtige Forschungssituation
wird überzeugend dargeboten und weitergeführt. Die Arbeit ist auch
für den mit Gewinn zu lesen, der sich mit der Methodologie neutesta-
mentlicher Exegese beschäftigt.

Einige kritische Anmerkungen schranken diesen Gesamteindruck nicht
wesentlich ein:

Religionsgeschichtlich wird dtr Auferstehungsglaubc gleichsam gesetzmäßig
aus dem Erleben der Geschichte hergeleitet (vgl. z. B. S. 155 mit Anm. 40
[Hegels These-Antithcse-Synthese-Modell). S. 176 [Auferstehungsglaubc als
ein ..Paroli des Glaubens gegen die verschärfte Attacke des Todes, sozusagen
eine ultima ratio der Glaubenserfährung und -lehre")). Mit der theologischen
stellt sich hier die historische Frage nach dem Verhältnis von Ableitung und
Innovation (vgl. den kurzen Abschnitt S. 1701', der der Frage nach etwaigen
,.fremdeln) Einflüsse(n)" gewidmet ist); auch wäre im hermcncutisch-systcma-
tischen Teil eine breitere Berücksichtigung dieser Problematik zu erwarten
gewesen (hier nur die kurze Passage S. 601 unter b): ..Historische Relativität
").

Bei der Behandlung des Liber Antiquitatum Biblicarum (S. 218-227) erachte
ich es als einen Mangel, daß nur die Textausgabc von G. Kisch verwendet
wurde; die m. E. einschlägige (vgl. G. Delling in ThLZ 103, 1978, 8170 von
D. J. Harrington und J. Cazcaux (Sources Chreticnncs 229/230, Paris 1976)
wird nicht erwähnt (vgl. auch S. 637). Aus den einleitenden Sätzen S. 218 geht
nicht hervor, daß zwischen hebräischer und lateinischer Textform eine griechische
anzunehmen ist; dies aber wird S. 223 Anm. 160 vorausgesetzt.
Konventionell wird der Text in den Kapp, des LAB in tjij angegeben (vgl. aber
S. 221,Z. lOv. o.,Z. 7v. u. u.ö.).

S. 470 Anm. 13: Die sich auf Bultmann beziehenden Seitenzahlen geben in
dieser Anm. die Fundstellen der Erstveröffentlichung, nicht aber der laut Literaturverzeichnis
zitierten Ausgabe (vgl. S. 645. auch S. 469 Anm. 12) wieder.

Eine unrichtige Vereinfachung sehe ich in der im Blick auf die Entstchungs-
und Überlieferungsgcschichte der ncutcstamcntlichen Texte generell formulierten
Aussage, ..daß, soweit wir sehen, christologisehe Glaubens- und Bckcnnt-
nisformeln am Anfang stehen und von da aus alle weiteren Inhalte der
Verkündigung entwickelt werden" (631). Damit wird erklärtermaßen (ebd.)
auch die ..Frage nach der historischen Zuverlässigkeit der Auferstehungs-
debattc" relativiert und zugleich eine nicht mehr diskutierte Spannung zu der
sehr aufwendig gestellten und im Ganzen positiv beantworteten Frage nach der
Historizität der Perikope (vgl. zusammenfassend S. 5X7) und den dafür gültigen
Kriterien (s. o.)erzcugt.

Naumburg Eckart Reinmuth

' Der Autor gibt in der Einleitung zu diesem Kap, (S. 63-67) eine diesbezügliche
Rechenschaft und geht generell davon aus, ..daß es .die* richtige exegetische
Methode nicht gibt" (63).

2 Die Behandlung der Perikope in der Mt- bzw. Lk-Redaktion erfolgt ah
S. 439.

' Dieser Arbeitsgang setzt mit S. 501 ein.

4 Nicht im Literaturverzeichnis angeführt ist der „Synodenbeschluß Unsere
Hoffnung" (so zit. S. 514 Anm. 74). S. 490 Anm. 85 ff wird das ..Ergänzungsheft
" von Theißen/ Vielhaucr zitiert: es ist hier nicht ersichtlich, daß es zu
Bultmann. Geschichte der syn. Trad. gehört (s. dort S. 645).

Bürge. Gary M.: The anointed Community. The Holy Spirit in the
Johannine Tradition. Grand Rapids, MI: Eerdmans 1987. XVIII.
269 S.8*. Kart.£ 16.35.

Die überragende Bedeutung des Geistes für die joh. Theologie wird