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Ausgabe:

1988

Spalte:

585-586

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Meyers, Carol L.

Titel/Untertitel:

Haggai, Zechariah 1-8 1988

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Seite 1

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585

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 8

586

Meyers, Carol L.. and Eric M. Meyers: Haggai, /echariah 1-8. A

New Translation with Introduction and Commcntary. Garden City,
NY: Doublcday 1987. XCV.478 S. gr. 8' = The Anchor Bible, 25 B.
Lw. $ 20.-.

Mit dem von dem an der Duke University tätigen Alttestamentlcr-
EhepaarC. L. und E. M. Meyers erarbeiteten Kommentar über Haggai
und Protosacharja erscheint ein weiterer Band aus der bekannten
Anchor Bible-Rcihe. Der charakteristische Grundaulbau dieser Kommentare
ist auch in diesem Band beibehalten: In dem eigentlichen
Auslegungsteil wird der Text abschnittsweise in den Schritten Übersetzung
, Anmerkungen, Kommentar behandelt. Während der Kommentar
meist relativ kurz ist und mehr den Charakter einer Zusammenfassung
der in den Anmerkungen erarbeiteten Exegese trägt, liegt
auf diesen der eigentliche Schwerpunkt. Gegenüber dem ursprünglichen
, oft als ungenügend empfundenen Konzept, in dem die Anmerkungen
nicht viel mehr als eine knappe philologische Begründung der
gebotenen Übersetzung lieferten, ist der Umfang dieses Materials in
den neueren Bänden der Reihe, so auch hier, erheblich angeschwollen
. Dabei werden in einer Vers-für-Vers-Exegese vielfältige textkritische
, grammatische, semasiologische, historische, archäologische
und literarkritische Probleme behandelt. Wer in die Exegese der beiden
Prophetenbüchcr näher eindringen will - der Rez. hat den Band
erstmals zu einer gerade abgeschlossenen Semestervorlesung benutzen
können - findet in diesen Anmerkungen eine Fülle von Anregungen.
Die Methode hat allerdings den bekannten Nachteil, daß es viel weniger
leicht ist, einen Gesamtüberblick über die besprochenen Kapitel
Ur|d Abschnitte zu gewinnen. Da hilft ein wenig die Einleitung, in der
die VIT. ihre Sicht über den historischen Hintergrund, die Entstehung
u"d Komposition der beiden Bücher entwickeln (XXIX-LXXI1).
Hier finden wir zunächst einen Überblick über die historischen Zeitumstände
und eine kurze Zusammenfassung der prophetischen Antwort
, die Haggai und Sacharja (deren Bedeutung Tür den Neuanfang
"ach dem Exil nicht überschätzt werden kann) darauf gaben. Der Niederschlag
ihrer Verkündigung, die beiden Prophetenbüchcr. sind nach
Ansicht der VIT. als Gesamtkomposition ein einziges Werk. Neben der
gemeinsamen Thematik und der zeitlichen Nähe beider Schriften,
dazu dem beide Bücher umspannenden chronologischen Rahmen,
meinen sie auch ein System von stilistischen und thematischen Entsprechungen
zwischen Hagg und Sach, dazu innerhalb der verschiede-
nen Teile von Protosacharja feststellen zu können (vgl. die Tabellen
XLVlfT). die auf eine gemeinsame Endredaktion deuten. Dazu gehört
auch, daß innerhalb des Visionsteils Sach 1-6 (entgegen der Auffassung
von A. Petitjean1) nicht mit einer von der Sammlung der Nacht-
Besichte ursprünglich unabhängigen Sammlung von Wortverkündigung
des Propheten zu rechnen ist. Beide waren von Anfang an mit-
e,nander verwoben. Der konservativen Grundhaltung der Vff. entsprechend
, halten sie es für möglich, daß Sacharja selbst für die End-
fedaktion der Doppelschrift verantwortlich war. Sie vermuten, daß
diese Schrift zur Verlesung bei der Einweihungszeremonie für den
Tempelneubau im Jahre 515 bestimmt war.

Eine konservative Einstellung zeigt sich auch zu vielen literarkriti-
schen Problemen. So wird das Datum in Hagg 1,15 einschließlich
^- '5b als Abschluß von Kap. I genommen; die ungewöhnliche Abfolge
Tag-Monat-Jahr wird als Anzeichen einer zusammen mit 1,1
beabsicht igten spiegelbildlichen Inclusio des ersten Verkündigungs-
a°schnittes gewertet. Zugleich soll aber die Jahresangabe am Schluß
d°Ppelwertigzum Eingang des Datums in 2,1 dienen Zu Sach 3.1-10
Wird eingeräumt, daß diese Vision wegen ihrer andersartigen Form
n,cht zu dem ursprünglichen Zyklus der sieben Nachtgesichtc gehört,
dennoch ist auch dieses Stück eine prophetische Vision; in der vorliegenden
Gesamtstruktur erfüllt sie eine wichtige Rolle für das Verständnis
des 4. Nachtgesichts (Kap. 4,1 ff) und steht an einer zentralen
Stelle in der Abfolge der Visionen. Auch hier wieder macht sich eine
auf die „kanonische" Form gerichtete strukturelle Sicht als methodi-
Sc"er Zugang bemerkbar. Ähnlich behandeln die VIT. auch die Wort-
at,schnittc Sach 1.1-6: 3,8-10; 4,6b-10a; 6,9-15; Kap. 7-8. Für ihr

Verständnis ist weniger bedeutsam, ob sie sämtlich zusammengehören
oder zu gleicher Zeit entstanden sind - das braucht nicht
angenommen zu werden -, sondern ihre Stellung im jetzigen Kontext:
"Rather, we proposc to read cach of these units in the canonical Position
in which it appears" (266). In den Gesamtansatz paßt auch, daß
für 6,9-15 die seit Wcllhausen2 von den meisten Auslegern angenommene
nachträgliche Umschreibung der Krönungszeremonie von
Serubbabel auf Josua - und dies wohl mit Recht! - abgelehnt wird.
Weniger überzeugend ist dagegen die Rechtfertigung eines Verses wie
4.12 im Kontext, dessen Charakter als Zusatz ziemlich offensichtlich
ist - zumal er sich nach wie vor nicht einleuchtend verstehen läßt.
Rekonstruktionsfreudiger sind die Vff. dagegen bei historisch-archäologischen
Konjekturen: So wird der in 6.10 ohne Patronym und Herkunftsbezeichnung
erwähnte Tobia mit der aus späterer Zeit bekannten
Familie der Tobiaden in Verbindung gebracht (Anm. z. St. );
ähnliches findet man zu dem Namen Jedaja (ebd.) oder zu der Genealogie
der nachcxilischefi Davididen (zu Hagg 1,1 ). Eine gewisse Einwirkung
der Sicht israelischer Forscher und der Tradition der
Albright-Schule macht sich stellenweise bemerkbar. Doch lassen in
der Tat neuere archäologische und historische Erkenntnisse uns
manche Einzelheiten des Textes heutzutage besser würdigen.

Eine (allerdings von fremdsprachigen Werken, wo englische Übersetzungen
vorhanden sind, nur diese nennende) Bibliographie
(LXXIII-XCV), verschiedene Register, einige Abbildungen und Karten
ergänzen den Band. Er stellt einen wertvollen Begleiter für das
Verständnis der beiden Prophetenschriften dar.

Bochum Henning (i rat" Reventlow

Lesoraclesdu Proto-Zacharie. Paris/Louvain l969 = Etudcs Bibliques.
2 Die Kleinen Propheten (1898' = Neudruck Berlin 1963). z. St.
'In Anlehnung an B. Mazar, The Tobiads: 1EJ 7. 1957. 137 bis
145.229-238.

' In Aufnahme von N. Avigad. Bullae and Seals from a Post-exilic Judean
Archive. Qcdcm 4. Jerusalem 1976.

W estermann, Claus: Prophetische Heilsworte im Alten Testament.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987. 219 S. gr. 8" =
FRLANT, 145. Kart. DM 48.-.

C. Westermann legt mit diesem Buch eine alle Prophetenschriften
umfassende Darstellung der in ihnen enthaltenen Heilsworte vor. Dieser
umfangreiche Komplex ließ, sollte die Arbeit nicht ins Uferlose
anschwellen, nur eine skizzenhafte Darstellung zu. Ausgegangen wird
von der Form, in der jeweils die Heilsbotschaft vorgetragen wird, und
insofern ist dieses Buch als Fortsetzung der Arbeit des Vf. über
..Grundformen prophetischer Rede" (1964; 51978) anzusehen, die
seinerzeit nur die Formen der Gerichtsankündigung erfaßt hatte.

Frühere Arbeiten über prophetische Heilsworte hatten diese in den
einzelnen Prophetenbüchern je für sich untersucht und zu dem jeweiligen
Propheten in Beziehung gesetzt. Im Hintergrund stand die literarkritische
Frage, ob ein Wort dem Propheten zugesprochen werden
kann oder nicht, die lange Zeit die Prophetenforschung beherrscht
hatte; bei den Hcilsworten hatte sie entweder zu einer Abwertung
geführt, wenn diese als „unecht" angesehen wurden, oder zu einer
Verschiebung ihrer Aussage, wenn man sie als „echt" qrweisen
wollte.

W. stellt die literarkritische Frage zurück und hat dadurch den Blick
frei für die ganze breite Bezeugung alttestamentlichcr Heilsworte. Er
gewinnt so einen Eindruck von Gemeinsamkeiten in Form und Inhalt
bestimmter Gruppen, wobei die Gemeinsamkeiten eben nicht an ein
bestimmtes Prophetenbuch gebunden sind, sondern quer durch die
Prophetenbücher hindurchgehen. Daraus schließt er (S. 1 I). ..daß die
Heilsworte in den Prophetenbüchern eine selbständige Traditionsschicht
bilden ähnlich wie auch die Völkersprüche".