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Ausgabe:

1988

Spalte:

580-582

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der fernöstlichen Religionen 1988

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 8

580

Der zweite Beitrag von J. Brosseder (Bonn) mit dem Titel „Gott der
Vater - Gott der Schöpfer" (S. 32-50) untersucht zunächst in einem
historischen Abschnitt den Vateraspekt der Gottesvorstellung im AT
(„Gott der Väter") und im NT (gütiger, naher Vatergott) sowie in den
christlichen Glaubensbekenntnissen der frühen Kirchengeschichte
(ursprl. „Gott der Vater" = „Gott der Schöpfer", dann unter dem Eindruck
der Trinitätslehre „Vater" = „Vater Jesu Christi"). Am Ende
des zweiten systematischen Teils, der auf Fragen nach dem Sinn eines
solchen Gottesbekenntnisses heute eingeht, steht der Gedanke der
universalen Vaterschaft Gottes, der den Gedanken der Schöpfung der
gesamten belebten und unbelebten Natur sowie der Sohnschaft und
Gleichheit aller Menschen einschließt.

In dem folgenden interessanten Aufsatz „Zur Geographie der
Wahrheit" (S. 51-66), in dem es letztlich um den „menschenfreundlichen
Gott" geht, stellt A. Wessels (Amsterdam) einleitend die Frage,
ob Menschen bestimmter geographischer Gebiete nur einen Teil derselben
Wahrheit oder dieselbe Wahrheit verschieden verstehen, warnt
vor einer geographischen Isolation mit fundamentalistischer Einstellung
, die den Andersgläubigen verteufelt, und fordert für den interreligiösen
Dialog eine „Grenzüberschreitung", eine „Pilgerfahrt als
Antithese zum Kreuzzug" in ein Land, wo es keine Unterdrückung,
sondern nur Gerechtigkeit gibt. Wenn der Vf. sagt: „Wir brauchen
eine Ganzheitsschau der gesamten Menschheit" (S. 62), in die der Beitrag
aller Religionen und Kulturen mit einfließt, so bedeutet das zugleich
, die Fremdreligioncn nicht als einen heidnischen Irrweg abzustempeln
, sondern im Gegenteil bereit zu sein, voneinander zu
lernen.

In dem Beitrag von A. Falaturi (Köln) „Der Islam - Religion der
Rahma, der Barmherzigkeit" (S. 67-87) wird der jahrhundertelangen
Polemik entgegengetreten, wonach der Islam die Religion der Härte
und Rache, Allah der lediglich von Willkür geleitete, strafende und
rachsüchtige Gott sei, dem die Attribute der Güte, Gnade und Liebe
völlig fehlen. Demgegenüber zeigt der Vf., daß gerade die Barmherzigkeit
für den frommen Muslim entscheidend ist. Belege in Koran und
Sünna erweisen die rahma als „.oberstes göttliches Handlungsprin/ip'
und als .göttliche Verpflichtung' gegenüber der Schöpfung, die ohne
Einschränkung alles umfaßt" (S. 75).

Der universale Gesichtspunkt kommt auch deutlich in dem Artikel
von S. S. Schwarzschild (St. Louis) „Schekhinah und jüdische Escha-
tologie" (S. 88-114) zum Ausdruck, in dem der Vf. den traditionellen
jüdischen Begriff der Schekhinah als eine Metapher für das funktionierende
Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk Israel sowie der
ganzen Menschheit versteht. Die entscheidende Frage nach der Natur
der Beziehung zwischen Gott und Mensch wird dahingehend beantwortet
, daß die Schekhinah keine Hypostase, sondern ein ethisches
Konzept ist und überall dort „wohnt", wo gute Taten geschehen, während
Sünde aller Art dieselbe vertreibt. Daraus resultiert, daß sie zu
ihrem größten Teil erst in der jenseitigen Welt anzutreffen ist.

„Die Rolle des Vatermotivs in den Gottesvorstellungen des neueren
Hinduismus" (S. I 15-133) untersucht H. Bürkle (München). Dabei
kommt Vf. zu der Beobachtung, daß für die Übernahme des christlichen
Vatcrgott-Motivs des ethische Verständnis der Botschaft Jesu
lür die indischen Reformer Rani Mohan Roy, Keshab Candra Sen,
Ramakrishna. Gandhi und Radhakrishnan von entscheidender Bedeutung
war. der christliche Vaterglaube aber durch die universale
brahman-Vorstellung von einer Einheit in der Vielheit dem hinduisti-
schen Religionsverständnis mehr oder weniger stark integriert, d.h.
relativiert und letztlich auch impersonalisicrt wurde.

Die „Heutige Weltverantwortung in islamischer Sicht" (S. 134 bis
149) besteht nach M. Zakzouk (Kairo) darin, daß der Muslim
Gott zu jeder Zeit und an jedem Ort selbständig Antwort gibt mit allen
seinen Handlungen auf Grund der durch Mohammed vermittelten
Offenbarung des Korans. Dieser sagt ihm, daß der Islam eine Religion
des Friedens ist. die jegliche Aggression verbietet, und daß Gott in seiner
Güte dem Menschen die ganze Schöpfung untenan gemacht hat.
Daher besteht die Weltverantwortung des Menschen als des Statthalters
Gottes auf Erden darin, daß er diese einschließlich der Tiere
und Pflanzen nicht verkümmern läßt, daß er voranschreitet in der
Verwirklichung der Einheit aller Menschen als Geschöpfe Gottes und
der unbegrenzten Liebe zu den Mitmenschen, die grundsätzlich als
Brüder betrachtet werden.

Der achte und letzte Aufsatz von D. Mieth (Tübingen) „Zur Herrlichkeit
Gottes in christlicher Sicht" (S. 150-170) grenzt sich zunächst
gegen ein falsches Verständnis der Herrlichkeit Gottes ab. wendet
sich dann der Entfaltung der „Konnotationen" des biblischen
Grundwortes zu und gibt als entscheidendes Thema für ein Religions-
gespräch die „Herrlichkeit als Universalität des Heils" an, wobei im
einzelnen zwischen einer solchen in der Schöpfung, Erlösung und
Vollendung unterschieden wird.

Ein Autorenverzeichnis (S. 171) und eine Liste der Teilnehmer an
den Religionsgcsprächcn(S. 196-199) sind dem sehr lesenswerten
Buch beigegeben.

Jena Theodor Lohmann

Hartmann, Karl: Atlas-Tafel-Werk zur Geschichte der Weltreligionen
. Karten. Tabellen, Erläuterungen. Bd. I: Die Geschichte der
fernöstlichen Religionen. Stuttgart: Quell 1987. 192 S. m. 33 Ktn.
4'. Ringbuch DM 56,-.

Bei einem zunehmenden Interesse für die Welt der außerbiblischen
Religionen kann das vorliegende Werk mit einem breiten und sein
motivierten Leserkreis rechnen, zumal die vielfältigen Erfahrungen
des Autors mit seinem fünfbändigen „Atlas-Tafel-Werk zu Bibel und
Kirchengeschichte". 1979-83, und den für Religionspädagogen unentbehrlich
gewordenen Tafeln und Texten für die Gemeindearbeit:
„Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft", 1981, in die Konzeption
und Didaktik des neuen Werkes eingebracht wurden.

Je mehr sich der Kreis derer weitet, denen es darum zu tun ist, von
dieser Welt der - hier zunächst fernöstlichen - Religionen ein Bild
über ihre Entstehung, ihre Geschichte, die Entfaltung und Wandlung
ihrer Lehren und ihre theologischen und missionarischen Auswirkungen
bis in die Gegenwart hinein ein Bild zu gewinnen, findet hier das
entscheidende Material präzise formuliert und übersichtlich geordnet
.

Schon dieser erste Band kommt einem echten Bedürfnis all derer
entgegen, die sich mit der Mission und dem thcosophisch-religiösen
Synkretismus fernöstlicher Gedankenwelt in Jugendsekten. New Ate.
neuen Religionsstiftern und Erscheinungen eines Missionsbuddhismus
und Neuhinduismus konfrontiert sehen.

Das auf drei Bände angelegte Werk bietet in seinem ersten nun vorliegenden
Band einen umfassenden Überblick Ober die Geschichte der
großen fernöstlichen Religionen Hinduismus, Buddhismus. Tao-
ismus, Konfuzianismus und Schinloismus. Der zweite Band wird die
Geschichte des Islams und der dritte Band die Geschichte des Judentums
enthalten. Wichtig scheint, daß die Darstellung dabei nicht au!
die Religionsgeschichtc im engeren Sinn beschränkt bleibt, sondern
durchgehend die allgemeine historische Entwicklung in der entsprechenden
Region einbezieht und die Verflechtung von religiösen, gei-
stcsgeschichtlichen, politischen und wirtschaftlich-sozialen Linien
aufzeigt. Querverweise auf Ergebnisse historischer und religionswissenschaftlicher
Forschung sowie eine Auswahl wichtiger, weiterführender
Literaturangaben schaffen Überblicke und strukturieren
bisher nur sporadische Kenntnisse.

Für alle behandelten Religionen wird mit der Zeit der ältesten
Besiedlung, also Hinweisen auf religiöse Phänomene seit der Steinzeit,
begonnen. Die bisherige Praxis des Einsetzens der Darstellung bei der
Entstehung der I lochreligionen mußte zu irrtümlichen Vorstellungen
über die gesellschaftlichen Bedingungen klassischer Religionsgründungen
führen. Deutlich w ird das etwa an der Gliederung der Darstellung
Indiens: