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Ausgabe:

1988

Spalte:

553-554

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Vom Dialog zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft 1988

Rezensent:

Schwintek, Martin

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 7

554

dem seinen in dem Ziel: „dort eine zwar nicht homogene, aber doch
geeinte Kirche, die sich aus Teilkirchen zusammensetzt - hier nur
eine Gemeinschaft getrennt bleibender, völlig autonomer Kirchen"
(zit. bei Fries, S. 74). Trotz aller Offenheit für Cullmanns Konzeption
kann Fries nicht die Idee einer - wenn auch friedlichen - Trennung
akzeptieren und stellt eine Reihe von Fragen, besonders im Blick auf
das Modell der Cha rismen, das Für Cullmann von entscheidender
Bedeutung ist. Hoffentlich wird die Diskussion nicht dabei stehen
bleiben, denn von beiden Seiten sind Entwürfe vorgelegt, die in
mancher Hinsicht miteinander verwandt sind und die sich gegenseitig
befruchten könnten.

Diejenigen, die mit Gewinn das Buch von Fries und Rahner gelesen
haben, werden diesen ergänzenden Beilrag begrüßen. Er bringt wohl
nichts grundsätzlich Neues, setzt aber die ganze Problematik in einen
größeren Zusammenhang hinein, womit die weitere Diskussion nur
stimuliert werden kann.

Das oben angeführte Werk über die Lehrverurteilungen des 16. Jh.
hat eine besondere Vorgeschichte. Die Gemeinsame Ökumenische
Kommission (1981-1985) hatte dem Ökumenischen Arbeitskreis
evangelischer und katholischer Theologen übertragen, eine Klärung
der genannten Lehrverurteilungen zu unternehmen. Denn es ist nicht
mehr möglich, so dachte man mit Recht, die „Damnamus" der
reformatorischen Bekenntnisschriften und die „Anathema" des
Trienter Konzils ohne weiteres zu übersehen oder sie schlechthin als
obsolet zu betrachten. An Stelle von Privatmeinungen müssen diesbezüglich
verbindliche kirchliche Aussagen treten, die sich auf eine
grundsätzliche Bearbeitung der Probleme stützen können.

D. H. Pesch bemüht sich darum, die nicht geringen methodischen
Schwierigkeiten eines solchen Vorhabens zu verdeutlichen. Zum
Beispiel: Kann man überhaupt heute solche Verwerfungen aufheben?
Sind sie nicht unauflösbare Teile offizieller Lehrdokumente? Und wer
ist gegebenenfalls dazu berechtigt, sie als nicht gültig zu erklären? Er
weist auch auf die theologische Notwendigkeit hin, die früheren Verurteilungen
noch einmal zu überprüfen, was für ihn mit der prägnant
famulierten Frage zusammenhängt, inwiefern man sich einen Konsens
ohne Konvergenz vorstellen könnte: „Dann hieße konkret die
Frage nicht: Wie kommen wir zu einer gemeinsamen Formulierung?,
sondern: Müssen wir uns im Namen des Glaubens selbst, also letztlich
■m Namen des verbindlichen Zeugnisses des Alten und Neuen Testamentes
gegenseitig verurteilen, wenn wir beiderseits gerade bei den
harmonisierten, nicht nur .komplementären', sondern un-
verrcchenbar gegensätzlichen Denkweisen und Formulierungen bleiben
?" (S. 96)

Nach diesen prinzipiellen Überlegungen, die auch die Frage der
kommenden Rezeption in den betreffenden Kirchen aufwerfen, gibt
Pesch einen kommentierten Überblick über die drei Teile des Dokumentes
(vgl. oben) und mit drei Teilthemen als Beispiel einen Einblick
m Methode und Argumentationsform. Alles auf instruktive Weise,
aber es ist klar, daß damit vor allem ein Ansporn gegeben ist, sich mit
dem Dokument selbst zu beschäftigen.

Pesch macht auch darauf aufmerksam, daß diese Studie als natürliche
Verlängerung des Fries-Rahncr-Plans angesehen werden muß
ünd daß beide Texte in Übereinstimmung mit dem Ökumenismus-
'fokret des 2. Vatikanischen Konzils sind, obwohl sie einen bedeutenden
Schritt über das Dekret hinausgehen. Dieses letzte Thema wird in
Einzelheiten im dritten Teil behandelt, und das Buch schließt mit Fünf
Thesen zur Einheit der Kirche ab.

Strasbourg Flcmming Flcincrt-Jcnsen

^<>m Dialojj zur Kanzel- und Abendiiiiililsgenieinseliaft. Eine Dokumentation
der Lehrgespräche und der Beschlüsse der kirchenlcitcn-
den Gremien. Hg. vom Luth. Kirchenamt und von der Kirchenkanzlei
der Evang.-method. Kirche. Stuttgart: C hristliches Vcrlags-
baus; Hannover: Lutherisches Vcrlagshaus 1987. 87 S. 8
DM 14,80.

Die Ev.-mcth. Kirche ist eine uns „bekenntnisverwandte" Kirche.
Sie steht in der reformatorischen Tradition (anglikanischer Hintergrund
). Sie arbeitet aktiv im Ökumenischen Rat der Kirchen mit.
Seine beiden letzten Generalsekretäre waren bzw. sind Methodisten
(Philip Potter, Emilio Castro). Sic stehen uns theologisch nahe. Zu
Unrecht traten sie in unserer Aufmerksamkeit hinter der röm.-kath.
Kirche zurück. Verwundungen vor Ort waren die Ursache. Dies hat
sich grundlegend geändert. Durch die Begegnungen in der Allianz und
besonders durch die ökumenische Bewegung wurde zunehmend das
Gemeinsame und Verbindende entdeckt. Es hat ja zwischen Methodisten
und Lutheranern, Reformierten oder Unicrten niemals gegenseitige
Verwerfungen von kirchentrennenden Lehren gegeben. So war
die Zeit einfach reif für einander näherbringende Lehrgespräche. Der
Lutherische Weltbund ergriff die Initiative und führte zwischen 1979
und 1984 einen Dialog mit dem Methodistischen Weltbund. Der in
der vorliegenden Broschüre mit abgedruckte Bericht konstatierte „ein
großes Maß an Übereinstimmung und Konvergenz". Es wurden
Schritte empfohlen, „um volle Gemeinschaft in Wort und Sakrament
zu erklären und herzustellen ... als ersten und wichtigen Schritt offiziell
Kanzeltausch und gegenseitige Gastfreundschaft am Tisch des
Herrn . . ."

Dies und eine als anstößig empfundene Empfehlung im „Handbuch
Religiöse Gemeinschaften", lutherische Christen sollten nicht an
methodistischen Abendmahlsfcicrn teilnehmen, weckten den
Wunsch nach klärenden Lchrgesprächen auch zwischen der VELKD
und der EmK. Zu ihnen kam es dann in den Jahren 1980 bis 1982 und
1985. Ihre Ergebnisse sind hier dokumentiert. Nach dem Abschluß
der Gespräche 1982 machten sich noch weitere, von lutherischer Seite
erbetene Klärungen in drei Fragen nötig: nach der Gegenwart Christi
im Abendmahl, nach der methodistischen Praxis der Zulassung und
nach dem Verhältnis der methodistischen Kirche zu Leuenberg. Alle
drei Anfragen konnten befriedigend beantwortet werden. Das methodistische
Abendmahlsverständnis entspricht dem der Leuenberger
Konkordie (im gemeinsamen Text z. T. wörtlich übernommen). Die
Unterschiede in der Praxis der Zulassung (offene Kommunion) stehen
einer gegenseitigen Gewährung der Abcndmahlsgcmeinschaft nicht
im Wege. Bei grundsätzlicher Bejahung des Ansatzes der Leuenberger
Konkordie kann es doch für die EmK nicht darum gehen, sie zu übernehmen
, weil deren Fragestellungen einen anderen geschichtlichen
Hintergrund haben.

Entscheidendes Ergebnis der Lehrgespräche im westdeutschen
Raum ist die Feststellung vom „gemeinsamen Verständnis des
Evangeliums" bei einigen Akzentunterschieden und die daraus
folgende Bereitschaft, einander Kanzel- und Abcndmahlsgcmeinschaft
zu gewähren. Besonders erfreulich ist darüber hinaus, daß sich
auch alle übrigen Kirchen der EKD (Arnoldshainer Konferenz und
Württembergische Landeskirche) dieses Ergebnis und diese Bereitschaft
zu eigen gemacht haben. Nach der ebenfalls hier dokumentierten
Beschlußfassung aller beteiligten kirchlichen Gremien wurde am
29. 9. 1987 mit einem gemeinsamen Gottesdienst in der Nürnberger
St. Lorenz-Kirche feierlich die gegenseitige Gewährung von Kanzel-
und Abcndmahlsgcmeinschaft erklärt und vollzogen. Ein Ereignis
von kirchcngeschichtlichcr Bedeutung. Es bleibt nur zu hoffen, daß
auch die Kirchen des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR
nach den inzwischen auch hier gelaufenen positiven Lchrgesprächen
bald nachziehen.

Der Dokumentation der Lehrgespräche auf der Ebene der Weltbünde
und im Bereich der Bundesrepublik und kirchenamtlichen
Beschlüsse sind noch drei Sclbstdarstcllungen, der Ev.-mcth., der
Ev.-Luth. Kirche und der Arnoldshainer Konferenz, die Ordnung des
gemeinsamen Abendmahlsgottcsdienstes und die Deklaration der
gemeinsamen Gewährung von Kanzel- und Abcndmahlsgcmeinschaft
beigefügt.

Dresden Martin Sehwintek