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1988

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Neuerscheinungen

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547

Theologische Literaturzeitung 11 3. Jahrgang 1988 Nr. 7

548

Bcintkcr. Michael: Ewigkeit und Gericht (Die Christenlehre 40. 1987.

293- 301).

Brakemeier, Gottfried: Rechtfertigung aus Gnade und Theologie der Befreiung
. Eine vergleichende Betrachtung (Luth. Kirche in der Welt 34. 1987.
25-37).

Brunner. Hellmut: Die Gerechtigkeit Gottes(ZRGG 39. 1987.210-225).

Oestrich. Christof: Christologie als Auftrag zur Erneuerung des christlich-
jüdischen Verhältnisses (Berliner Theologische Zeitschrift 4. 1987.21 5-227).

Gisel. Pierre: La Creation. Essai sur la liberte et la necessite. l'histoire et la lai.
I'homme, le mal et Dieu. 2c Edition, revue et corrigee. Genf: Lahor et Fides
1987. 315 S. «• = Lieux Theologiques. 2.

Grenz, Stanley .1.: Dogmatik des christlichen Glaubens, hy (i. Ebcling.
Vol. I-3IRSR 14. 1988.30-37).

Koester, Helmut: The Di ine Human Being(HThR 78. 1986. 243-252).

Oechslen, Rainer: (leset/ und Evangelium - ein lutherisches Sonderthema?
(Cath4l. 1987.30-41).

Pannenberg. Wolfhart: C hristentum in einer säkularisierten Welt. Freiburg-
Bäsel-Wien: Herder 1988.93 S. kl. 8' = Herderbücherei, 1504. DM 7.90.

Pesch. Otto Hermann: Rechtfertigung und Kirche. Die kriteriologische Bedeutung
der Rechtfertigungslehre für die Ekklesiologie(ÖR 37. 1988.22-46).

Rodenberg. Otto: Vom Schmer/. Gottes. Ein Beitrag zur biblischen Anthro-
pomorphic Gottes (Theologische Beiträge 18. 1987. 174-193).

Schäfer. Rolf: Zum Problem der Gegenwart Christi im Abendmahl
(ZThK 84. 1987. 195-214).

Schillebeeckx. Edward: Overwegingen rond Gods .weerloze overmacht'
(TTh 27. 1987.370-381).

Schwarz. Hans: Historische Konlingenz und universale Relevanz in neueren
Prozeß-Christologien(NZSTh 28. 1986.3-13).

Slenczka, Reinhard: Evangelische Hermeneutik von Schrift und Bekenntnis.
Am Beispiel der Arbeit der Gemeinsamen Ökumenischen Kommission über
die gegenseitigen Lehrverurteilungen im 16. Jahrhundert (MdKI 38. 1987.
I 10-1 16).

-: Gerecht vor Gott durch den Glauben an Jesus C hristus. Das Verständnis
der Rechtfertigung in der evangelischen Kirche und die Verständigung über die
Rechtfertigung mit der römisch-katholischen Kirche (N/STh 29. 1987.

294- 346).

Praktische Theologie: Homiletik

Otto. Gert: Predigt als rhetorische Aufgabe. Homiletische Perspektiven
. Ncukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1987. 147 S. 8".
Kart. DM 34.-.

Unter den deutschsprachigen Homiletikern ist G. Otto (geb. 1927)
derjenige, der seit zwanzig Jahren am entschiedensten dafür eintritt.
Predigt als rhetorische Aufgabe zu begreifen. Dabei versteht er
Rhetorik nicht als die äußeren Mittel der Rede, sondern als den
Prozeß, in dem die Wahrheit im Für und Wider erst gefunden und
zugleich an die Zuhörer vermittelt wird. Wenn er sich also mit Inhalt
und Form der Predigt, mit der Rolle des Predigers und der Situation
des Hörers beschäftigt, geht es ihm immer um ein bestimmtes Verständnis
von Theologie: ,,Was ich zu sagen habe, etwa als Prediger,
wird allererst vernehmbar in der Hinwendung zum redenden und
hörenden Menschen in seiner, meiner jeweiligen konkreten Situation.
Theologie, die sich auf Rhetorik einläßt, kennt also den Glauben
nicht als fertige, situationslose Substanz, sondern erfährt ihn in vielfältigen
Dialogen, die über die Mauer der Theologie hinausführen."
(S. 16)

Das vorliegende Buch ist ein Mittelding zwischen einer Aufsatzsammlung
und einer zusammenhängenden Abhandlung. Otto vereinigt
eine Reihe von Aufsätzen, Teile seines Buches „Von geistlicher
Rede" (1979) und drei unveröffentlichte Arbeiten, druckt sie aber
nicht unverändert ab, sondern überarbeitet, kürzt, erweitert und verbindet
sie durch Überlcitungsabschnittc und Querverweise. Eine
gewollte Ambivalenz liegt darin, daß vor allem bei den frühen
Arbeiten die damalige Diskussion und die damaligen Thesen des
Autors noch erkennbar bleiben, so daß man Ottos Denkweg durch
zwei Jahrzehnte verfolgen kann.

Das I. Kapitel markiert den Ausgangspunkt Ende der 60er Jahre,

das 2., das mit ..Sondierungen in Richtung Rhetorik" überschrieben
ist. bringt v or allem die Auseinandersetzung mit dem Predigtverständnis
der dialektischen Theologie, die Verbindung zur Neuen Rhetorik
(W.Jens u.a.) und die Auseinandersetzung mit denen, die Ottos
rhetorisches Predigtverständnis kritisiert haben. Das dialektische Verständnis
lindet sich nicht nur bei K. Barth und E. Thurneysen. sondern
ebenso bei R. Bultmann und in neuer Form bei R. Bohren. Hier
setzt sich Otto entschieden ah und knüpft bei der Aulklärung und der
liberalen T heologie an. Interessant ist der Abschnitt „Gegenthesen
zur Kritik am rhetorischen Predigtverständnis" (S. 52IT). den er selbst
als Angelpunkt des Buches bezeichnet. In ihm erinnert er zuerst an
D. Lange und setzt sich dann mit R. Bohren. U. von den Steinen.
H.-J. Benedict. A. Stock. P. Düsterfeld, M. Josuttis und mit mir auseinander
. Zum einen kann man dabei sehen, auf welche Probleme sich
die Diskussion der letzten Jahre konzentriert hat. Zum anderen tritt
das auch sonst zu beobachtende, dialogische Element der Theologie
(i. Ottos deutlich zutage. Er läßt auch seine Kritiker zu Wort kommen
und versucht, ihnen gerecht zu werden. Dabei läßt ersieh zwar nicht
korrigieren, aber zum Weiterdenken und zu klareren und differenzierteren
Formulierungen herausfordern (z. B. zur Bedeutung der biblischen
Texte für die Predigt). Allerdings habe ich den Eindruck, daß
Otto das. worum es z. B. mir bei meinen Anfragen zur theologischen
Begründung der Homiletik und zur Alltagssprachlichkeit der Predigt
geht, nicht nur weiterhin ablehnt (was ihm ganz unbenommen seil),
sondern auch gar nicht ganz, verstanden hat. Vermutlich stehen wir
hieran derGrenze der literarischen Kommunikation überhaupt. Hier
könnte wohl nur das direkte, persönliche Gespräch in Verständigung
und Abgrenzung einen Schritt weiterführen.

Das .3. Kapitel heißt „Historische Perspektiv en in Hinsicht auf die
Gegenwart". Darin beschäftigt sich Otto mit Luther. Lessing. Herder.
Schleiermacher, Kriegspredigten aus dem I. Weltkrieg und Goll-
witzer. Das geschieht eher essayistisch als historisch-gründlich. Die
Absicht ist. rhetorische Fragestellungen in die historische Betrachtung
einzuführen und Anregungen für die gegenwärtige Diskussion zu
gewinnen.

Das letzte Kapitel bringt Konkretisierungen zu den beiden ersten.
Dabei liegt das Schwergewicht auf dem Gebiet der Sprache. Es geht
um die Sprache der Predigt, die Verwendung von Literatur in der
Predigt und Predigt als Sprache im Angesicht des Todes, dazu in
einem (recht fragmentarisch geratenen) Abschnitt um Musik und
Predigt. Dieses Kapitel zeigt eine weitere Stärke Ottos. Er nimmt vielfältige
Anregungen auf, verwendet P. Celan. J. Ringelnatz, japanische
Haikus und vieles andere, interpretiert eigene Predigtbeispiele und
setzt zur gleichen Frage von ganz verschiedenen Seiten an. Das liest
sich gut und (ordert das eigene Nachdenken. Und was lür das letzte
Kapitel gilt, gilt eigentlich für das ganze Buch. Das hat freilich auch
seinen Preis. Otto gibt keine geschlossene Gesamtdarstellung und will
das auch gar nicht. Immer wieder betont er. er wolle Impulse vermitteln
, keine Lösungen oder fertige Antworten geben.

Es lohnt sich also, das Buch zu lesen und durchzuarbeiten. Trotzdem
möchte ich zum Schluß ein Bedauern ausdrücken. Es ist schade,
daß ein Homilctikcr. der sich seit zwanzig Jahren lür einen rhetorischen
Ansatz einsetzt, wichtige rhetorische Fragestellungen unberücksichtigt
läßt. Das ist einmal die ganze Frage der individuellen
und schichtenspezifischen Sprachbarrieren, dann das Problem der
Persönlichkeit des Predigers und schließlich die Aufgaben der Predigtgestaltung
(z. B. erzählende und argumentierende Predigt) und des
Predigtvortrags (im Gegensatz zur Predigt-Vorlesung). Soziologie
Sozialpsychologie. Tiefenpsychologie, Sprachwissenschaft und
Semantik hätten dazu einiges beizutragen und sind in der homiletischen
Diskussion auch schon aufgenommen worden. Otto fordert den
Dialog über die Mauern der Theologie hinaus. Er führt ihn aber nur
mit der Literatur und der Literaturwissenschaft: Die anderen Partner
kommen nicht zu Wort. Das linde ich bedauerlich.

Stuttgart Jörg Rothcrnuindt