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Ausgabe:

1988

Spalte:

534-535

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Stein, Heidrun

Titel/Untertitel:

Die romanischen Wandmalereien in der Klosterkirche Prüfening 1988

Rezensent:

Strohmaier-Wiederanders, Gerlinde

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Theologische Lileraiurzcitung 113. Jahrgang 1488 Nr. 7

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Einen Schwerpunkt in Hürtens widerstandstheoretischen Rellcxio-
nen bilde) das Glaubenszeugnis der Kirche im NS-Staat. und zwar
ausdrücklich jenseits von politischen und soziologischen Inlcrpreta-
tionskategorien. Wurde der christliche Marlys, frag) der Vf.. nicht
schon durch das NS-Regime um Spezifik und Würde seines Zeugnisses
gebracht: durch Politisierung? Vollziehe sich Politisierung, nunmehr
unter umgekehrten Vorzeichen, nicht auch in der Historiographie
des Widerslandes? Oh als politischer Verbrecher oder als politischer
Held - beidemal werde der Martys um seine Individualitat.
auch um die Indiv idualität seines Leidens um ( hristi willen, gebracht.

Die wenigen Bemerkungen, die sich in dem rellexionsgesälligten
Händchen zur evangelischen Kirche linden, sind m. E. nicht in jedem
I all zutreffend. Sollte der Protestantismus sein „organisatorisches
Vorfeld" (gemeint sind Schule. Presse. Verbände) tatsächlich weniger
hoch veranschlagt haben als der Katholizismus? (41) Die Bemerkungen
über das ..politische Mandat'* der Kirche in der Spurbahn der
Bonhoeffferschen Ethik und angeblich ..ganz im Gegensatz zur Tradition
des deutschen Luthertums" (108) sind zumindest interpretationsbedürftig
. Die Hinweise auf Karl Harth - zum einen positive Bewertung
der theologischen Widerstandsposition von 1933. zum anderen
negative Bewertung der politisch-theologischen Option Barths von
'y38 -. läßt im Gegensatz zu den Passagen über die ..Kompetenz des
Historikers" (I3IT) nun freilich doch eine dezidierte Wertcnlsehci-
dung erkennen. ..Parteinahme in politischen Auseinandersetzungen
war nicht Sache der Kirche" (105).

Zu den bereichernden Vorzügen von Hürtens widerstandslhcoreti-
ICner Position gehört die trennscharfe Unterscheidung der unterschiedlichen
Dimensionen von Kirche. Dem Historiker ist dort Einhalt
geboten, wo Kirche nicht mehr als gesellschaftliche Institution,
sondern als Glaubensgröße und göttliche Stiftung im Blick ist. Welche
dramatischen Akzente die mangelnde Unterscheidung von politischen
und spirituellen Perspektiven anzunehmen vermag, wurde auf
evangelischer Seite kürzlich wiederum am heftigen Zusammenprall
der divergenten Meinungen über den einstigen hannoverschen Landesbischof
Marahrens sichtbar (vgk LM 26. 1987. 544-549; 27.
'^88. 68-71). Cicrät die geistliche Identität von Kirche und Christen
aus dem Blickfeld, können sie in politischen Systemen Ictztendhch
nur noch soziologisch-funktional bewertet werden. Der in diesem
3pannungsfeld aufgeworfene Gegensatz zwischen wissenschaftlicher
Rationalität und Glaubensurtei! ist dem Vf. voll bewußt. Er plädiert
dafür, „daß die Kirchengeschichte trotz aller erforderlichen Rationalität
ihrer Methode ihren Gegenstand nicht in grundsätzlicher Imma-
nenz konstituieren sollte, auch wenn es ihr mit ihren Mitteln nicht gelingen
kann, die Immanenz zu überwinden" (113, A. 34). Nur kon-
sequent. daß Hütten für den Weg der katholischen Kirche im Dritten
Reich nicht nur rationale Kategorien, sondern auch den geistlichen
Terminus ..Fügung Gottes" in Anspruch nimmt. Angebote zur Zusammenordnung
der ..immanenten" und der ..transzendenten" Be-
'fachtungsperspektiven und damit ein Beitrag zur Methodologie der
Disziplin Kirchcngeschichte als Teil der Theologie sind des Vf. Sache
n,eht. F.jn willkommenes Mcmcnto wiederum, die Geschichte der
Kirche im NS-Staat in ihrer Eigenart nicht flächendeckcndcn Soziolo-
Baroen aufzuopfern, stellen die Hinweise auf J. Klepper. R. Schneider
Und T. HBecker dar. Ihre dem gängigen Gegenwartsverstande widerstrebenden
Zcildeutungen (z. B. ..Stunde des Bösen") sollen hinweisen
auf die ..christliche Dimension in der Interpretation der damaligen
Epoche durch gläubige Zeitgenossen", die „dem modernen Bewußt-
se,"i. auch dem von Christen und Zeilgenossen, eigentümlich fremd
geworden" seien (1 13). Bereichernd ist auch das Kurzkapitcl über den
katholischen Widerstand in Frankreich (1 HIT), bei dem sich der Vf.
u- a- auf das Werk von Rcnee Bcdarida: Lcs armes de 1'csprit. Temoig-
nage Chreticn 1941-1944. Paris 1977 stützen kann. Das Profil des
"Temoignagc Chreticn» (Konzentration auf die religiöse Auseinandersetzung
mit dem Nationalsozialismus) kommt dem Hauptan-
'iegen des Vf. entgegen: Erweiterung und Entschränkung der historischen
Perspektive zur Politiktranszendenz.

Im Diskurs um Methoden und Ziele der Widerstandsforschung ist
die Stimme Hürtens u nüherhörba rgeworden. Gegen den von ihm betonten
ckklesiologischen Transzcndenzaspekl eine exklusiv politologisch
-soziologische Sicht vontKirche in Anschlag zu bringen, würde
die Komplexität seiner Position als Historiker und Christ nicht zu
Hellen vermögen. Offenbar ist nach der langen Herrschaft einer geistlichen
Sicht des kirchlichen Widerstandes, die dann durch die Herrschaft
politischer Urteile über Kirche und Christen abgelöst wurde,
ein Zurücklenken in die Anliegen ersterer notwendig geworden - bei
insgesamt geschärftem Bewußtsein für den Doppeleharakler von
Kirche.

Leipzig Kurt Nowak

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Christliche Kunst und Literatur

Stein. Heidrun: Die romanischen Wandmalereien in der Klosterkirche
Prüfening. Regensburg: Mittelbayerische Druckerei- u. Verlags
-Gesellschaft 1987. 231 S. m. 55 Abb. z. T. färb. gr. 8" = Studien
und Quellen zur Kunstgeschichte Regensburgs 1. Pp. DM 38,-.

In den letzten Jahren hat sich in der kunstgeschichtlichen mittelalterlichen
Forschung ein methodischer Wandel vollzogen. Man ist
über die reine Stilbeschreibung und -erforschung hinausgegangen und
hat das frömmigkeitsgeschichtliche Umfeld im liturgischen und
mystischen Schrifttum in entscheidendem Maße miteinbezogen. Dadurch
wird es möglich, den ikonologischen Sinn und die Funktions-
beziehungen (den sogenannten Sitz im Leben) der bildlichen und monumentalen
Quellen zu erfassen. Diese jetzt viel breitere Basis der
kunstgeschichtlichen Forschung läßt zugleich bessere und exaktere
Kenntnisse nicht nur von den künstlerischen Objekten, sondern auch
von der mittelalterlichen Geschichte und Kirchcngeschichte gewinnen
. Im MA artikulierten sich die geistigen Prozesse überwiegend
in der Liturgie und im Bildlichen. Zweifellos wäre es wünschenswert,
wenn darüber endlich ein Dialog zwischen Kirchen- und Kunstgeschichte
zustande käme.

Diese Gedanken kamen der Rez. bei der Lektüre von Heidrun