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Ausgabe:

1988

Spalte:

525-526

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schuller, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Frauen in der römischen Geschichte 1988

Rezensent:

Heine, Susanne

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 7

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und Paulus" (Die christliche Freiheit bedeute die Gemeini>?haft unter
den Menschen als einmaligen Persönlichkeiten zwischen Mensch und
Gott).

Der aktuelle Hintergrund von Mussners Beschäftigung mit dem
Judentum ist die innere Auseinandersetzung mit dem furchtbaren Geschehen
des "Holocaust" und seinen indirekten Voraussetzungen im
christlichen Antisemitismus. Thematisch hat sich M. damit in seinem
..Traktat über die Juden" befaßt. Zu diesem Motiv, das im deutschen
Raum besonders begrüßenswert ist, möchte ich nur eine Bemerkung
hinzufügen: Es ist nützlich, die heilsgeschichtliche Rolle des Volkes
Gottes des Alten Bundes angesichts christlicher antisemitischer Vorurteile
hervorzuheben, aber zur Entlarvung der Falschheit des Antisemitismus
und zu seiner Ablehnung genügt doch schon das Evangelium
von derGnade Gottes und das Liebesgebot Jesu. Daß das M. in
seinen Aufsätzen zum Römerbrief mindestens angedeutet hat, erhöht
die Bedeutung des vorliegenden Bandes und verleiht ihm damit eine
über den Bereich der exegetischen Bibelwissenschaft hinausreichendc
Relevanz.

Prag Petr Pokorny

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Schüller, Wolfgang: Frauen in der römischen Geschichte. Konstanz
: Universitätsverlag 1987. 149 S.m. 28 Abb. auf Taf. z.T.
färb. 8° = Konstanzer Bibliothek, 4. Kart. DM 37,80.

Nach seiner Arbeit über Frauen in der griechischen Geschichte,
Konstanzer Bibliothek Band 3, hat der Autor, Althistoriker an der
Universität Konstanz, nun diesen Band über die römischen Frauen
Vorgelegt, die auf den ersten Blick gegenüber den griechischen um'
vieles freier und selbständiger erscheinen. Gleichwohl will vor vorschneller
Euphorie gewarnt sein, „denn daß die Frauen gesellschaftlich
nur den zweiten Rang einnahmen, ist eine Tatsache . . ." (S. 9),
die Überwindung der Zweitrangigkeit der Frauen - „vielleicht ist das
d'e größte Leistung der Moderne" (S. 122).

Schuller übt die wichtigste Tugend des Historikers, nämlich die
Quellen sprechen zu lassen als Voraussetzung jeglicher Beurteilung.
Das Buch ist nüchtern und realistisch, zugleich spannend und zügig zu
lesen. Wer die Dinge selbst überprüfen möchte, findet die Quellen in
ausführlichen Anmerkungen. Dabei geht es dem Autor nicht in erster
Linie um solche Texte, die eine Einschätzung der Frauen bieten, sondern
darum, deren reale Situation zu beschreiben (S. 77). Wie immer
bringen die Quellen mehr Material über Frauen in hohem und höchstem
Stande, dabei am meisten über außerordentliche Frauen im positiven
wie im negativen Sinne (so in den Kapiteln über die Zeit der
hohen Republik, der späten Republik, der Kaiserzeit und der Spätantike
). Die Ausgrabungen in Pompeji, Ostia und Ägypten, denen der
Autor ein eigenes Kapitel widmet, lassen Rückschlüsse auch auf alltagliche
weibliche Lebensverhältnisse zu.

Wenn Schuller von der Zweitrangigkeit der Frauen spricht, dann
bezieht sich dies darauf, daß sie keine politischen Rechte besaßen. Die
wciblichen Tugendideale von damals entsprechen den bis heute sattsam
bekannten: Keuschheit (Ehebruch des Mannes wird zwar nicht
gerühmt, aber auch nicht geahndet, der der Frau jedoch sehr wohl),
Unterordnung unter den Mann, Frömmigkeit, Hausfraulichkeit und
Fruchtbarkeit. Dort, wo Frauen sich die Freiheit nehmen können, von
diesem Tugendkatalog abzuweichen, handelt es sich um Frauen aus
adeligen Kreisen, also um Standes- und nicht geschlechtsspezifische
Freiheiten. Deshalb ist der Autor mit Recht bemüht, Frauengc-
schiehtc nicht von Männergeschichte zu trennen. Treffend zeigt er
auf, daß die Haltung in moralibus in engster Beziehung zur sozialpoli-
t'schen Entwicklung insgesamt steht und beide Geschlechter daran
Anteil haben. Wenn Frauen in der Spätantike bis zur politischen
Macht einer Kaiserin aufsteigen konnten, so ist dies nicht als Emanzi-
Pationsprozeß zu verstehen, sondern hat seinen Grund darin, daß es

an Männern (z. B. in der Erbfolge) fehlte. Ansonsten blieb als Weg zu
politischem Einfluß „eine Ehe ungetrübten gegenseitigen Einverständnisses
" (S. 109).

Ein eigenes Kapitel widme* der Autor den christlichen Frauen, wobei
er sich auch hier, seinem Grundsatz entsprechend und sich auf
seinen historischen Gegenstand beschränkend, eines theologischen
Urteils enthält. So kommt er zu dem Ergebnis, daß die hohe Selbständigkeit
der christlichen Frauen und ihre Beteiligung an der Verbreitung
der christlichen Botschaft „den sozialen Verhältnissen im
Späthellenismus und in der römischen Welt entsprach" (S. 81), eine
Sicht, die christlich-feministische Exegese, die mehr Außerordentliches
dahinter vermutet, kritisch herausfordern sollte. Sind hervorragende
Frauen wie Junia, Phöbe, Prisca, die auch Schuller würdigt,
mehr als Ausnahmeerscheinungen, wie z. B. jene zwei Steuereinnehmerinnen
im römischen Ägypten des l.Jh. (S. 26), denen eine
Phalanx männlicher Steuereinnehmer gegenübersteht? Skepsis ist
auch berechtigt, wenn man bedenkt, und darauf weist Schuller mit
Recht hin, wie schnell in christlichen Kreisen um die Wende vom 1.
zum 2. Jh. sich hinsichtlich der Position von Frauen wieder die „alten
Verhältnisse" einstellten.

Geschichte, menschliches Handeln in Korrelation zu den jeweiligen
Verhältnissen, dies ist der methodische Grundansatz des Buches.
Unberücksichtigt bleibt - absichtlich - eine dritte, gleichwohl
wichtige Ebene, nämlich das, was Menschen jeweils für richtig oder
falsch halten. Solche Ansprüche und Sollensforderungen sind zur
Beurteilung geschichtlicher Lebensverhältnisse auch dann wichtig,
wenn deren Verwirklichung dahinter zurückbleibt, weil sie das
Movens für Zukunft darstellen. Dies gilt im besonderen Maße für die
neutestamentlichen Quellen. Daß der Autor diese Ebene ausklammert,
führt zuweilen zu spekulativen Bemerkungen, wie z. B. wenn es heißt,
die reichen und unerfüllten Frauen hätten durch christliches Märtyrer-
tum Sozialprestige gewinnen wollen (S. 91). Es mag solche Fälle gegeben
haben; aber war das ein grundsätzlich relevantes Motiv?

Dennoch: Die redliche Darlegung des Quellenmaterials zum Ist-
Stand warnt vor Illusionen und bleibt das entscheidende Fundament
für weitere Fragen auf der Ebene der Sollensforderungen. In diesem
Sinne kann niemand an dem Buch vorbeigehen, der sich mit Frauengeschichte
befaßt.

Wien Susanne Heine

Lactance: Institutions Divines. 1. Introduction, Texte critique,
Traduction et Notes par P. Monat. Paris: Cerf 1986. 271 S. 8' =
Sources Chretiennes, 326. ffr 179.-.

Die 7 Bücher Divinae Institutiones des Laktanz werden wohl in
einem längeren Zeitraum erscheinen; sie sollen einzeln herauskommen
, nachdem sie an verschiedene Bearbeiter verteilt worden sind.
Nach Vorlage aller 7 Bücher soll noch ein Band folgen, der über
die Ordnung des Werkes, die Manuskripte sowie die Literatur informiert
. Die jetzt gebotene Einleitung (9-26) soll sich also nur auf das
edierte Buch I beziehen; sie hat aber doch eine gewisse Bedeutung für
das gesamte Werk. Der bekannte Satz des Hieronymus bezieht sich
auf Laktanz überhaupt und nicht nur auf das Buch I: „Utinam tarn
nostra adfirmare potuisset, quam facile aliena destruxit" (Ep. 58,10,
zitiert 9). Es geht um das Problem Polytheismus oder Monotheismus
. Laktanz wollte die Einheit der Gottheit erweisen unter Berufung
auf antike Zeugen. Die „Providentia" ist ein wichtiger Begriff. In der
Wahl seiner Gewährsleute ist Laktanz weitherzig: Antike Philosophen
und Dichter, auch Hermes Trismegistos. Sibyllinische Sprüche
und Orakel können einen Teil der Wahrheit offenbaren (II). Monat
beruft sich mehrfach auf sein 2bändiges Werk «Lactance et la Bible»
(Paris 1982). Unberücksichtigt bleibt die Gießener Dissertation von
Albrecht Bender, die 1983 gedruckt wurde. „Die natürliche Gotteserkenntnis
bei Laktanz und seinen apologetischen Vorgängern" (ThLZ
III, 1986, 612Q. Sicher wird diese Arbeit in dem vorgesehenen Ab-