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Ausgabe:

1988

Spalte:

516-517

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Martin, Raymond A.

Titel/Untertitel:

Syntax criticism of the Synoptic Gospels 1988

Rezensent:

Reiser, Marius

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 7

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rän umgeht. Es ist angesichts des zur Verfügung stehenden Raumes
nicht möglich, hier auch nur die Titel aller 40 Aufsätze wiederzugeben
; nur wenige davon - in naturgemäß subjektiv bedingter Auswahl,
aber unter Bevorzugung der bisher ungedruckten Aufsätze können
im Folgenden kurz charakterisiert werden. Sie sind gegliedert in
„I. Jüdische Geschichte" (15 Titel), „II. Qumran"(4 Titel), „III. Rab-
binica" (5 Titel) und „IV. Christlich-jüdisches Religionsgespräch"
(16 Titel), wobei die letztere Überschrift meist Beiträge zur frühen
jüdischen Polemik gegen Jesus bzw. die Christen meint.

Zu I.: „Die Rechtsstellung des Herodes" (1968; S. 3-9): B. zeigt,
daß Augustus sich die Entscheidung in allen Rechtsfällen, die die
Familienangehörigen des Klientelfürsten selbst betrafen, vorbehielt. -
Für „Die Bruderfolge im Hochpriestertum der herodianisch-
römischen Zeit" (1954; S. 21-27) will B. wahrscheinlich machen, daß
es bei aller Verworrenheit in Fragen der Nachfolge doch ein Prinzip
der Bruderfolge im hohenpriesterlichen Amt zu Jerusalem (analog zu
anderen Kulten) gab. - „Die Schätzung des Archelaos" (1958;
S. 35-38) betrifft nicht den Herodessohn und -na.chfolger, sondern
einen etwa gleichzeitigen kappadozisch-kilikischen König. - „Der
achtundzwanzigste Adar" (1957; S. 42-46) ist nach den Angaben der
„Fastenrolle" ein Feiertag anläßlich der Aufhebung der Behinderungen
der Praktizierung der Tora; dabei denkt B. an das Ende der Verfolgungszeit
in der Periode der Macht Sejans (starker Einfluß auf
Kaiser Tiberius), die mit dem Tode Sejans im Okt. 31 endete; der
28. Adar könnte der Tag des Eintreffens der guten Nachricht von
einer Wendung zugunsten der Juden sein. - "Pilate and Syrian
Coinage" (1951; S. 47-50): Aus dem zeitweiligen Aufhören der -
vorher provokativ antijüdischen - Münzprägung des Pilatus im
1. Halbjahr 32 schließt B. auf eine Machteinbuße des Pilatus nach
dem Tode seines Gönners Sejan (Okt. 31). - „Pilatus' und Kaiphas'
Absetzung" (neu; S. 51-58): Auf die antisamaritanischen Ausschreitungen
des Pilatus (die eventuell gar unter jüdischem Druck geschahen
) reagierte Vitellius mit dessen sofortiger Ablösung und Überstellung
nach Rom im Winter 36/37; Kaiphas' Absetzung nach
18 Jahren der Amtsträgerschaft datiert B. auf Ostern 37. - „Die Blutgerichtsbarkeit
in der römischen Provinz Judäa" (1974; S. 59-72): B.
zeigt die schwierige Qucllenlage und die komplizierte Rechtssituation
auf, die es offenbar nicht erlaubt, ohne weiteres Schlüsse von der Lage
in einer römischen Provinz auf eine andere zu ziehen. Es ist an eine
Entwicklung zu denken, deren Stand in der Zeit Jesu wohl dem in
Joh 18,31 behaupteten entspricht, wonach „den Juden... die...
volle Blutgerichtsbarkeit nicht zukam" (S. 72). Eine Ergänzung bringt
der nächste Beitrag „Zum Kapitalrecht in Kyrene" (1954; S. 73-75).
- "Crucifixion as a Punishment in Palästina" (1970; S. 76-78): Die
Kreuzigungsstrafe erlaubt weniger den Schluß auf die Autorität, die
die Strafe verhängte, als auf das dem Verurteilten zur Last gelegte
Verbrechen der „Räuberei", insbesondere des politischen Banditentums
. - In „Zur Frühgeschichte der Mandäer" (1963; S. 86-92)
schließt B. auf eine Verfolgung der Mandäer im Sassanidenreich um
240, im Zusammenhang mit jüdischen messianischen Erwartungen
.

Von den vier Beiträgen zum Bereich „II. Qumran" sei nur der letzte
genannt: „Sadduzäer und Sadokiden" (1979, S. 117-126). B. sieht in
dem Gruppennamen „Sadduzäer" nicht einen Spottnamen (von
außen her), sondern eine ehrenvolle Selbstbezeichnung. Auch die
Qumranleute verstanden sich als Bene Sadok. B. hält es für möglich,
daß sich einzelne Qumranleute in herodianischer Zeit an den Jerusalemer
Tempel zurückholen ließen.

Aus den fünf Beiträgen zu „III. Rabbinica" nenne ich „Das Wort
vom Apfelbäumchen" (1962; S. 140-147). Das um die Mitte unseres
Jahrhunderts viel zitierte^ fälschlich Luther zugeschriebene Wort wird
mit einer ähnlich lautenden Sentenz Jochanan ben Zakkai's verglichen
: sie stellt eine andere eschatologische Haltung dar, als sie bei
Luther zu erwarten wäre: Wenn der Messias kommt, erübrigen sich
die auf den Fortbestand dieser Welt gerichteten Handlungen (z. B. das
Pflanzen eines Setzlings) keineswegs. - „Jesus und ein anderer" (neu;

S. 157-174) geht aus vom neutestamentlichen Vergleich zwischen
Johannes dem Täufer und Jesus, bespricht dann Vergleiche Jesu mit
Gestalten der griechischen Mythologie und Geschichte und schließlich
den polemischen Vergleich Jesu insbesondere mit Bileam im
rabbinischen Judentum, am ausführlichsten den mit Elischa ben
Abuja, einem vom offiziellen Judentum ausgeschiedenen Häretiker
des 2. Jh., der dann nur noch „ein anderer" benannt wurde; er habe
eine - von B. mit Mk 9,1 ff verglichene - Himmelsreise und Schau des
Metatron erlebt und darüber öffentlich gesprochen.

Unter IV. steht zunächst der bekannte Aufsatz „Zum Testimonium
Flavianum" (1974; S. 177-189), in dem B. versucht, mit möglichst
geringen Emcndationcn den umstrittenen Text (Joscphus, ant. XVIII
63 f) als „die älteste erhaltene literarische Denunziation der Christen"
zu erweisen. Ein ergänzender Kurzbeitrag "A New Variant Form of
the Testimonium Flavianum" (1973/74; S. 190-193) führt die
Änderungen in einer erst 1971 bekanntgemachten arabischen Fassung
auf islamische Zeit und Sicht zurück. - Die übrigen 14 Aufsätze haben
es in der einen oder anderen Weise fast durchweg mit den „Toledoth
Jeschu" zu tun. Hier wäre ganz besonders ein zusammenfassender
Beitrag Bammels erwünscht, der zeigte, wie er den geschichtlichen
Wert dieser Tradition in vielen Rezensionen und - nach B. - vielen
anonymen Benutzungen sieht und in die Geschichte der Auseinandersetzung
der Juden mit Jesus einordnet (vgl. in diesem Sinne schon
J. Maier, Jesus von Nazareth in der talmudischen Überlieferung.
Darmstadt 1978, S. 41 - eine Arbeit, die B. leider nur zweimal kurz
erwähnt, ohne sich aber mit einschlägigen Analysen, etwa zu bSanh
107b oder 43a, auseinanderzusetzen). So zeigt B. in "Excerpts from a
New Gospel?" (1968; S. 239-246), daß die angeblichen Zitate aus
einem judenchristlichen Evangelium, die S. Pines bei dem arabischen
Autor Abd al-Jabbar zu finden meinte, auf jüdische, mit den Toledoth
Jeschu eng verwandte Tradition zurückgehen. - Auch „Die Versuchung
Jesu nach einer jüdischen Quelle" (neu; S. 253-256) geht in
ähnliche Richtung; und in „Der Jude des Cclsus" (neu; S. 265-283;
vgl. schon S. I94f) vertritt B. die These, daß der von Celsus gegen die
Christen ins Feld geführte Jude keine je ad hoc erfundene Figur ist,
sondern eine in sich kohärente, freilich anonym bleibende Person,
deren polemische Aussagen über Jesus bzw. die Christen demnach ein
sehr altes, bis in spätneutestamentliche Zeit zurückreichendes Stadium
jüdischer Christentumskritik widerspiegeln.

Insgesamt setzt B. in vielen seiner Aufsätze die Kenntnis der jeweiligen
Problemlage und der dazu geführten Diskussion weitgehend voraus
und führt nicht in sie ein. Das hat den Vorteil der Kürze der
Beiträge, aber für den NichtSpezialisten (z. B. im römischen Vcrwal-
tungs- und Rechtswesen) macht es die Lektüre beschwerlich. Doch ist
es ein unbestreitbares Verdienst Bammels, daß er die gegenwärtige
Forschung auf entlegene Quellen und weithin vergessene Sekundärliteratur
aufmerksam macht. So gewiß das förderlich sein kann, so
wenig hat der NichtSpezialist genügend sichere Kriterien in der Hand,
um Bammels Thesen immer gerecht würdigen zu können. Insofern
wäre hier das Votum anderer Spezialisten wichtig. Jedenfalls ist aber
dem Autor für seine oftmals unkonventionellen Beiträge zur Forschung
zu danken, die erst in dieser Zusammenstellung ihre volle
Kraft entfalten und stärkere Beachtung erfordern werden.

Es ist zu bedauern, daß B. weder in den neu gesetzten Aufsätzen noch in den
..Nachträgen" (S. 3030 seine Hinweise auf andere, im gleichen Band befindliche
Beiträge adaptiert hat; das nachzuholen ist recht mühsam, zumal B. meist
die Aufsatztitel nicht nennt, sondern nur die ursprünglichen Fundorte angin'
(die aufS. 305-307 genannt werden). Ansonsten ist der Band durch Stellen- und
Autorenregister gut erschlossen.

Jena/Naumburg Nikolaus Walter

Neues Testament

Martin, Raymond A.: Syntax Criticism of the Synoptic Gospels-

Lewiston-Queenston: Edwin Mellen Press 1987. IX, 219 S. gr. 8* =
Studics in the Biblc and Early Christianity, 10. Lw. $ 49.95.