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Ausgabe:

1988

Spalte:

30-31

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Zeller, Dieter

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Römer 1988

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 1

3fl

von Joh 11,1-46" vor (S. 12-81). In diesen - ebenso umsichtig wie Lesers-auch verschieden ausfallen, die Entscheidung darüber, ob die-

behutsam vorgenommenen - Ausführungen betont er, daß die Laza- ses Buch sein Ziel erreicht, hängt zuletzt davon ab, ob es Menschen

rusperikope „zu den johanneischen ,Zeichen-Geschichten' (gehört), den Zugang zu dieser Erzählung erschließen und damit eine Hilfe für

die in besonders symbolträchtiger Sprache die Bedeutung von Jesu ihren Glauben geben wird. Daß es geschieht, ist Vf. zu wünschen.

Leipzig Werner Vogler

Wirken und Sterben darlegen und zum Glauben an ihn als Sohn Gottes
hinführen wollen" (S. 50). Dem entspricht, daß die Lazaruserzäh-
'ung „kein Interesse an der Person des Auferweckten und seiner

Geschichte" hat (S. 49). Im Anschluß daran erörtert Vf. „Hypothesen , _ . . ,. ... .

c » . Zeller, Dieter: Der Brief an die Romer, ubers. u. erklart. Regensburg:

^ur Entstehungsgeschichte von Joh 11,1-46" (S. 82-109). Hier tritt- Pustct ,985 300 s g. = Regensburger Neues Testament. Kart,

mehr noch als bisher - die gemäßigt konservative Haltung des Wiener 39.-; Lw. DM 52 -.
Neutestamentiers zutage. Danach wird nicht bestritten, daß dieser

Perikope nur eine dem Evangelisten „vorgegebene schriftliche oder An die Stelle des zuletzt in 2. Aufl. im Jahre 1955 erschienenen
mundliehe Nachricht über eine Totenerweckung" zugrundeliegt, die Kommentars von O.Kuß ist nunmehr im „Regensburger Neuen
er „mit eigenen Worten wiedergegeben hat" (S. 108). Auch wird ein- Testament" die neue Bearbeitung durch D. Zeller getreten, der sich
geräumt, daß über die Totenerwcckung selbst nichts Sicheres gesagt bereits durch eine Reihe von Untersuchungen als Kenner der speziel-
werden kann. Quellenkritische Hypothesen zu diesem Text werden len Probleme des Römerbriefes ausgewiesen hat. Die hier vorliegende
indes ebenso abgewiesen wie die Annahme, daß er eine ausschließlich Auslegung entspricht - wie bereits das Literaturverzeichnis (S. 23-32)
nachösterliche Bildung darstellt. ausweist - voll und ganz dem gegenwärtigen Stand der Forschung,
• m zweiten Teil informiert K. über die Wirkungsgeschichte der wird aber andererseits auch dem Charakter der an einen breiteren
Lazaruserzählung. Hierfür hat er eine (nicht nur auf den deutschen Leserkreis sich wendenden Kommentarreihe gerecht.
Sprachraum begrenzte) imponierende Fülle von Material - auch aus .Bei der Erörterung der Einleitungsfragen (S. 9-22) nimmt die Frage
<fen Bereichen Liturgie, Dichtung und Kunst - gesammelt, das er in nach Anlaß und Zweck des Rom einen verhältnismäßig breiten
drei Abschnitten darbietet: Christliches Altertum (S. 112-165), Mit-' Raum ein (S. 15-18 bzw. S. 11-18: S. 15: „Das Vorhaben in Rom
telalter und Reformationszeit (S. 166-230) sowie Neuzeit und Spanien bildet ohne Zweifel den Anlaß für den Rom. Aber
(S. 231-328). Das Motiv für diese ausführliche Darstellung findet sich warum schickt der Apostel ein so langes, kunstvolles Elaborat mit
ln K s Uberzeugung, daß die Auslegungsgcschichte eines Textes - dem Thema .Evangelium' nach Rom? Das Rätsel des Briefes besteht
mdem sie heute an ihn gestellte Fragen häufig als geschichtlich darin, wie sich der Rahmen zum Korpus und der darin verfolgten
bedingt erkennen läßt - zu einer unmittelbaren Vcrstchenshilfc für Thematik verhält"). Bei der Beantwortung dieser Grundfrage des
den Leser werden kann. So zeigen die Rezeptionen der Lazaruslradi- Rom bezieht der Vf. eine mittlere Position, derzufolge die Thematik
''on im Altertum: Diese wurde nicht nur „als Aussage über eine ver- des Rom sowohl durch die Absicht bedingt ist, die Paulus mit diesem
gangenc Tat Jesu", über die man nicht weiter reflektiert hat, verstan- „Briefessay" (S. 10) im Zusammenhang seiner weiteren Missions-
den, sondern sie wurde - wie von dem Evangelisten selbst - vor allem plane verfolgt, als auch durch die besondere Situation, in der er sich
••ganz im Licht der Gegenwart" betrachtet (S. 164). Das gleiche gilt für selbst zur Zeit der Abfassung des Rom. kurz vor seiner Reise nach
das Mittelalter und die Reformationszeit, auch wenn da „der Faktizi- Jerusalem, befindet. Dabei ist die „Abwehr judaistischer Verdächtigt
und dem Hergang des Erzählten eine größere Aufmerksamkeit ge- gungen in Jerusalem oder gar in Rom . . . sicher eine Vorbedingung
Wutaiet" wurde (S. 230). Anders verhält es sich dagegen in der Neu- für den Vorstoß nach dem Westen" (S. 18; vgl. bereits S. 12f). Gewiß
Zeit. in der die Auferweckung des Lazarus - unter dem Aspekt der sind damit noch keineswegs alle durch die Frage nach dem histo-
Historizität betrachtet - entweder sogar von Christen bezweifelt, ja rischen Ort des Rom aufgeworfenen Fragen beantwortet; wohl aber ist
bestritten, oder als „Tatsachenbericht" verstanden wird. Dem ent- bereits hier die Absicht des Vf. erkennbar, gerade auch den Rom und
spricht, daß d ieser Text seitdem ebenso einseitig symbolisch erklärt seine besondere Thematik - die universale Geltung des Evangeliums -
Wle »als .Tatsache'verteidigt" wird (S. 328). an einer bestimmten Situation in der Missionsgeschichte des Urchri-
Damit ist für Vf. die Ausgangsposition für den drittenTeil seiner Ar- stentums festzumachen und auf diese Weise der Argumentation des
beit - die Botschaft von Joh 11,1-46 - gegeben. In Abweisung der zu- Paulus im Rom das notwendige konkrete Profil zu verleihen. Auch und
letztgenannten Vcrstehensmöglichkeiten äußert ersieh hier als erstes zu gerade der Rom des Paulus ist nicht ein abstrakter dogmatischer Trak-

er ..Glaubwürdigkeit und Wahrheit" der Lazaruserzählung tat, sondern Niederschlag eines Dialogs angesichts bestimmter Frage-
(S. 330-341). Dazu stellt er fest: Dieser Text verkündigt vor allem, „daß Stellungen sowohl des Autors als auch der Adressaten des Rom.
der aus Nazaret stammende Jesus den Anspruch erhebt, Macht über den Solcher Wille zur Konkretion, ja sogar zu einer bestimmten Prag-
Tod zu besitzen und diese Macht" von seiner Auferstehung her „auch matik, ist auch für die Auslegung bestimmend. Dabei geht der Vf. im
ausübt" (S. 336). So wenig diese Macht jedoch auf rationalem Wege Blick auf die einzelnen Texteinheiten jeweils in drei Schritten vor. Ein
"achgewiesen werden kann, so sehr verbürgt Christus selbst die bibli- erster Abschnitt erörtert Fragen der Abgrenzung und Gliederung
»sehe Wahrheit „den vom Glauben in der Kirche getragenen Christen" sowie die literarkritischen, gegebenenfalls auch die formkritischen
(8. 340). Darum bedarf es „der Kraft des Heiligen Geistes, um das Evan- Fragen; daran schließt sich eine knappe und konzentrierte, gleich-
Selium von Joh 11 glaubend annehmen und seine Wahrheit erkennen wohl gut nachvollziehbare Einzelauslegung an, in deren Verlauf
zu können" (S. 341). An zweiter Stelle folgt eine „Theologische Ausle- jeweils auf entsprechende inner- und außerneutestamentliche Quellen
8Ung" der Lazarusperikope (S. 342-371). Unter Aufnahme von bereits sowie Sekundärliteratur verwiesen wird; und schließlich wird dem
ausgesprochencn Gedanken versucht Vf. hier, den Leser - durch eine Charakter der Kommentarreihe dadurch Rechnung getragen, daß am
^1 geistliche Schrifllesung - dazu „anzuregen, die Lazarusgeschichte Ende jeweils in einem dritten Schritt noch einmal die den Textzusam-

eutc als Wort Gottes zu vernehmen" (S. 346). Der Band schließt mit menhang bestimmenden theologischen Themen herausgearbeitet

Clncr „Ansprache bei einem Begräbnis" (S. 373-375). In ihr wird das werden, und zwar in der Ausrichtung auf die Rezeption durch den

*Uvor entwickelte Textverständnis von Joh 11.1-46 in der konkreten heutigen Leser des Rom. So wird die Absicht des Vf. deutlich, mit sei-

S'tuation eines Todesfalles zur Sprache gebracht. ncr Auslegung „eine Anregung zu verantworteter Verkündigung aus

ist es mit seinen Ausführungen gelungen, ein eindrucksvolles dem Rom zu geben" (S. 22). Daß der Versuch eines Brückenschlags

c,spiel dafür zu geben, wie wissenschaftliche Exegese - recht gehand- zur Gegenwart primär auf der Basis des Rom selbst vollzogen wird,

'"der Verkündigung dienen kann. Allerdings wird nicht jeder K.s zeigt sich darin, daß dabei weniger handhabbare Rezepte zur Anwen-

^"egetische Vorentscheidungen teilen. Mag darum das Urteil über dung der theologischen Grundthemen des Rom gegeben, als vielmehr

essen Auslegung der Lazarustradition-je nach dem Standpunkt des weiterführende, den Leser zu eigenem Nachdenken provozierende