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Ausgabe:

1988

Spalte:

455-456

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Origenes, Esortazione al martirio 1988

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 6

456

tion vermisse ich ebenso wie überhaupt die Erwähnung der genuin
baptistischen Sicht. Dagegen wird die „gläubige, vor allem lutherische
, protestantische Theologie" und das imponierende Zeugnis von
Leiturgia V hervorgehoben (129). Zuletzt wird von einer erneuerten
Tauftheologie des Vaticanum secundum und der neuen röm.-kath.
Taufformulare gesprochen.

Im Unterschied, ja m. E. im Gegensatz zu vorher Gesagtem formuliert
dann Vf., daß „bereits die urapostolische Kirche eine zweite
sakramentale Handlung nach dem Taufbad als dessen Ergänzung
kennt" (134). Daß der Traktat „De rebaptismate" Sündenvergebung
und Geistmitteilung der Geisttaufe zuschreibt, erinnert mehr an
K. Barth als an die tauftheologische Tradition. Jahrhundertelang sind
vielmehr Taufe und Firmung eine Gesamthandlung, auch in der
Scholastik wird die Firmung nur kurz erwähnt; sie soll den Heiligen
Geist ad robur mitteilen. Als materia gilt nicht die Handauflegung (sie
wird nicht erwähnt), sondern das Chrisma. Die Reformation habe
nicht den Ritus einer Konfirmation abgelehnt, sondern nur ihren
Charakter als Sakrament. Das Tridentinum habe die Tradition verteidigt
(??), ohne auf das Anliegen der Gegner einzugehen. Das Vaticanum
secundum sieht sie als „Sakrament des reifen und mündigen
Christen" (147), sie vollendet die Taufe - entwertet sie sie aber damit
nicht?

Vf. legt vielfältiges Material vor. Beeindruckend ist, wie schon im
5. Jh. im Grunde die Tauftheologie abgeschlossen ist. Zu fragen bleibt
aber, warum Vf. kaum etwas zum Problem der Kindertaufe sagt,
warum er nicht ausführlicher die Erbsündenproblematik darlegt und
warum er die gegenwärtigen Lehrgespräche unerwähnt läßt. Kritische
Fragen an die römisch-katholische Lehrtradition stellt er nicht.
Uneinsichtig bleibt, wie er im Ablauf seiner Darstellung Ignatius,
Irenäus u. a. einordnet. Bei einer Neuauflage hätte der Text auch
systematisch überarbeitet werden können. Ja, man hätte sich eine
gründlichere und kritischere Neubearbeitung gewünscht.

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Origene: Esortazione al Martirio. Introduzione, traduzione, note di
C. Noce. Rom: Pontificia Universitas Urbaniana 1985. 206 S. 8' =
Studia Urbaniana, 27.

Gegenüber einem spekulativen, der Gnosis und des Piatonismus
verdächtigen Origenes hat die jüngere Forschung immer mehr „den
Mann der Kirche, der leidenschaftlich Christus und seine Kirche
liebt" (S. 7), den Seelsorger und Prediger herausgearbeitet. In besonderer
Weise spiegelt diesen Aspekt die Schrift vom Martyrium, die in
den letzten Jahrzehnten in eine Reihe von Sprachen übersetzt wurde.
Die einzige bisher vorliegende italienische Übersetzung beruhte auf
einem schlechten Text, so daß der italienische Leser die Neuübersetzung
von Noce begrüßen wird, der der Text von Koetschau in den
GCS zugrunde liegt. Der gleichzeitig erschienene Band „Origine,
Esortazione al martirio. Omelie sul Cantico dei Cantici, a cura di
N. Antoniono" kann hier nicht berücksichtigt werden.

In der Einleitung nimmt Noce die Einordnung vor. Die in der Verfolgung
unter Maximinus Thrax wohl 235 entstandene Schrift ist an
Ambrosios, der mit dem Maecen des Origenes identisch sein dürfte,
und einen sonst unbekannten Protektos, Presbyter an der Kirche zu
Kaisareia, gerichtet. Der Titel hat ursprünglich eher „Über das
Martyrium" gelautet, die Schrift gehört einem Genus der „Ermunterung
zum Martyrium" an. Die systematische Aufarbeitung setzt die
einzelnen Aussagen dieser Schrift in den Kontext origenistischer und
damaliger Theologie überhaupt. Wesentliche Komplexe sind das
Martyrium als Antwort des Gläubigen auf die Liebe Gottes und
Christi, das Vorbild Christi, biblische Beispiele, der Abfall als Idolola-
trie. Die Übernahme der kirchlichen Weisung, sich nicht zum Martyrium
zu drängen, kennzeichnet das Schicksal des Mannes, den sein
Leben lang der glühende Wunsch begleitet hat, Märtyrer zu werden,
und dem es nicht vergönnt war, sein Leben als solcher zu beenden.

Darum liegt ihm auch daran zu betonen, daß das blutige Martyrium
nur die Krönung des alltäglichen Martyriums als eines Zeugnisses
unter Leiden ist, wovon das ganze Christenleben bestimmt wird
(Kap. 21). Die Einleitung, aber auch die breite Kommentierung in den
Anmerkungen machen das Büchlein zu einer fundierten „Theologie
des Martyriums".

Greifswald Hans Georg Thiimmel

Müller, Richard A.: Christ and the Decree. Christology and Predesti-
nation in Reformed Theology from Calvin to Perkins. Durham,
NC: The Labyrinth Press 1986. IX, 230 S. gr. 8° = Studies in Histo-
rical Theology, 2. geb. $ 30.-.

Der Vf. setzt sich das Ziel, gegen die Behauptungen von Historikern
wie A. Schweizer, F. C. Baur und H. Heppe zu zeigen, daß trotz einer
Evolution der theologischen Methoden im Laufe des 16. Jh. Calvins
Prädestinationslehre von seinen Nachfolgern wesentlich unverändert
geblieben ist. Die reformierte Theologie wird vom Vf. in drei Epochen
gegliedert: (1) die erste Epoche entspricht den Anfängen der Kodifizierung
, den Systemen von Calvin, Musculus, Bullinger und Vermigli
folgend. (2) In der zweiten Epoche ("the inbetween period") wird die
reformierte Orthodoxie von Theodor Beza, Zacharias Ursinus und
Girolamo Zanchi weitergeführt. (3) Was nun die dritte Epoche betrifft
(für welche die Werke Polanus und Perkins charakteristisch sind),
entspricht sie nach dem Vf. der völlig herausgearbeiteten Orthodoxie
.

Der Vf. behauptet von Anfang an, ohne es jedoch ausführlich zu
beweisen, daß für Calvin die Erlösung durch Christus und die Erwählung
von gleichem Gewicht seien. In ähnlicher Weise solle Bullinger
in der Confessio Helvetica posterior meiden, die Erwählung und die
Prädestination als Baustein seiner Lehre zu setzen, und Musculus
solle seinerseits in seinen Loci communes behaupten, die Erwählung
habe ohne die Erlösung durch Christus keinen Sinn. Auch in den Loci
von Vermigli kann man nach dem Vf. lesen, daß das mediatorische
Werk Christi von dem „Decretum Dei" abhängig sei.

Beza dagegen wäre eine „Übergangsfigur", weil er trotz der
formellen Struktur seiner Tabula praedestinationis und der Confessio
Christianae fidei - die beiden sind von Müller ausführlich analysiert -
und genau so wie Calvin die geschichtliche Auswirkung des „Decretum
Dei" und deshalb auch die enge Beziehung zwischen der Prädestination
und der Erlösung betont. Die Argumentation - behauptet der
Vf. - wird in den Werken von Ursinus und Zanchi mehr und mehr
scholastisch, ohne daß die Prädestination als ein Zentraldogma
betrachtet wird. Die ausdrückliche Verbindung zwischen der Gottheit
selbst und der Erlösungslehre erscheint zum ersten Mal in der Theologie
von Polanus und Perkins. Doch meint der Vf.: "even in those thin-
kers, the doctrine of predestination is hardly a principle from which
the System is deduced. The unity and oneness of purpose in God is
shown in the unity of Christ's work" (S. 170).

Der leitende Grundsatz des Buches, d. h. die enge Verbindung zwischen
der Erlösung und der Prädestination, scheint gar nicht falsch zu
sein, besonders wenn man berücksichtigt, daß die Christologie auch in
den reformierten Glaubensbekenntnissen erheblich ist. Es ist aber
schade, daß die sehr oft von Muller erwähnte Formalisierung der
theologischen Argumentation nicht ausführlich gezeigt und bewiesen
wird. Das Scotistische Element - das bei den meisten reformierten
Theologen eine bestimmte Rolle spielen sollte -, die „analytischempirische
Methode" von Theodor Beza sowie die .„analytische
Methode" von Ursinus und die „synthetische Methode" von Zanchi
werden vom Vf. überhaupt nicht erklärt. Was vielleicht noch größere
Schwierigkeiten für den Leser bedeutet, ist die gewisse Unklarheit in
der Definition der einzelnen Lehren: Es ist z. B. gar nicht hilfreich zu
erfahren, daß für Bullinger "in Christ is found the means by which sal-
vation becomes possible" (S. 42), wenn man eine solche Aussage in
irgendeinem Werk von irgendeinem christlichen Theologen lesen