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Ausgabe:

1988

Spalte:

24-25

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Martín, José P.

Titel/Untertitel:

Filón de Alexandría y la génesis de la cultura occidental 1988

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Litcraturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. I

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brauch). Erscheinungen wie die 'Aplru, das „Reich" des Lab'ayu
um Sichern, die Jakob-Gruppe ebendort2, Jiftach, David und der Ara-
mäer Resin als Apiru-'Meader" zeichnet A. in sein Bild der ruhelosen
SpBr und frühen Eisenzeit ein. Die unsicheren Verhältnisse tragen
wesentlich zur verstärkten, sich über mehrere Jhh. erstreckenden
Besiedlung des vorher wenig erschlossenen palästinischen Berglandcs
von den Urbanen Küsten- und Ebenen-Gebieten herbei. Dieser Rückzug
bestimmter Bevölkerungsteile Kanaans ins Bergland vor Kriegen,
Steuerlasten, Verarmung etc. beweist aber keine Bauernrevolte'!
Unter den Neusiedlern gab es aber eindeutig solche, die landwirtschaftliche
Erfahrungen und Techniken mitbrachten. Mit wachsender
Bevölkerung in den vielen neuen Dörfern auf unbesiedeltem Berglandboden
entstanden auch dort neue Konflikte, die eine höher organisierte
Gesellschaft erforderten, wie auch wachsende soziale Differenzierung
zur Zentralisation von Macht tendierte. Die Entstehung
eines Territorialstaates mit entsprechendem administrativen Apparat
seit Saul war schließlich die Folge.

Kap. 3 bietet "Some Evidence from Archaeology". Energisch
widerspricht A. der verbreiteten These einer Veränderung der materiellen
Kultur in Verbindung mit dem Einströmen neuer nomadischer
Bevölkerungsgruppen nach (Mittel-)Palästina ab 1200 v.Chr. Vielmehr
weist A. mit Recht auf verschiedene Zeichen einer materiellkulturellen
Kontinuität zwischen SpBr und Eisenzeit. Die neuen
Berglandbauern stehen in der Kontinuität kanaanäischer Kultur4! Zusätzlich
rechnet A. mit einigen edomitischen, aramäischen und
hethitischen Zuwanderern im palästinischen Bergland und dessen
Rändern. Insgesamt charakterisiert A. die neuen Siedler als „Pioniere
".

Kap. 4 ("The Territory of Israel") mag als Kernstück des Buches
gelten. Bei der Analyse des Schlußteils der Merenptah-Stele meint A.
eine. „Ringstruktur" der vom Pharao erwähnten „befriedeten" Gebiete
und Orte zu erkennen und findet "formal strueture pairs", unter
denen „Kanaan" und „Israel" "complementary subdivisions" von
Gesamtpalästina seien: Kanaan nämlich "the cultural and urban
areas of the country", Israel "logically refers to the remainingsparsely
populated hill country" Mittelpalästinas (39f)5-

Gegen das Verständnis von Israel als Territorialbezeichnung in Z. 27 der
Merenptah-Stele spricht m. E. allerdings das Israel folgende Deutezeichen für
„Menschengruppe, Volk", während die anderen Gebiete das Deutezeichen
„Fremdland, Bergland" bei sich haben. Rez. sind nicht die zwingende Notwendigkeit
, die durchschlagenden Argumente erkennbar geworden, die A. dazu
führten, das durch das Deutezeichen eigentlich klare Verständnis Israels als
einer-wen auch immer umfassenden - Menschengruppe durch das dem Deutezeichen
widersprechende Verständnis als Territorium zu ersetzen. Leider nennt
A. auch nicht die "egyptologists", die zu dieser Stelle (oder allgemein) bewiesen
hätten, daß "determinatives were generally used rather loosely by scribes" (40).
daß also das Determinativ nicht meint, was es sagt. Auf jeden Fall hat A. aber
wohl recht, daß das Israel der Merenptah-Stele auf dem mittelpalästinischen
Gebirge zu suchen ist6. Aber auch dann, wenn es beim bisherigen Konsens
bleibt (Merenptah's Israel = eine Menschengruppe), behält A.s Beschreibung
der neuen Bergland- (und Negevrand-)Bewohner mit ihrer vorrangigen Verwurzelung
in der Kultur Kanaans ihre Gültigkeit. Die Frage nach der frühesten
Bedeutung und Verwurzelung des Namens Israel bleibt freilich bestehen. Einen
Namen bekommt ein Territorium von (einer) Mcnschen(gruppe). Nach den
Namengebern wird weiter gefragt werden. Die z. B. von E. Otto, H.-J. Zobel
(ThWAT III, 763.999-1 003) und A. selbst erwogenen Jakob-Leute bleiben dafür
Kandidaten. Ob sie an eine Geschichte des Namens Israel in Mittelpalästina
anknüpfen konnten, oder ob sie selbst der Faktor waren, an den Merenptah anknüpfte
, bleibt offen. Hier beginnt Spekulation.

Nach dem 5. Kap. ("The Role of the Sea: Mythological Historio-
graphy"), das die fortlaufende Argumentation eher mittelbar berührt,
beschreibt Kap. 6 "The Peoples ofthe territory Israel". Für die interessanten
Einzelheiten dieses material- und gedankenreichen Kapitels
muß auf das Buch selbst verwiesen werden.

A. entfaltet ein buntes, differenziertes Bild der zahlreichen alten und hinzukommenden
Ethnicn, Gruppen und Grüppchen kanaanäischer Kulturprägung
und ihrer sozialen Organisation im palästinischen Gebirge und dessen Randzonen
im 13./12.Jb. v.Chr. Von "concerled military conquesl" kann keine

Rede sein. A. geht der Frage nach, ob eine der Gruppen JHWH mit ins Bergland
Israel, dessen Hauptgott El war, gebracht habe. Unterden "peoples of C'anaan"
scheint Rez. die Danitensippe in Bedeutung und Größe ein wenig überschätzt,
der mit den Daniten zusammenstoßende Micha (Ri 17f), residierend in Ophra
(!) als "prince or petty ruler" eines "small kingdom" (!), etwas überdimensioniert
gesehen; die Verbindung der Daniten mit den Secvölker-Danuna ist sogar
höchst zweifelhaft7. Eine zentrale Rolle spielen wiederum das Sichemgebiet mit
seinen Bewohnern, daneben die Gibeoniter. Überlegungen zu den „Richtern"
und „Rettern" und ihren „Bezirken" rühren zu Saul und der Mpnarchie im
nächsten Kapitel hinüber.

Das 7. Kap. ("Israel: A National Name") verfolgt zunächst das Zusammenwachsen
der von Saul beherrschten Gebiete zum Territorialstaat
Israel; "Yahweh became the main god of this new kingdom"
(92). "With David's kingdom all ofthe inhabitants ofCanaan (except
the Philistines) became nominal Israelites" (96)! Für die in dieser Zeit
gellende Bedeutung des Namens Israel wie für ihre im 8. Kap.
("Israel: An Ideological Term")dargestellten Veränderungen nach dem
Zerfall des Davidreiches und der Auflösung der Personalunion zwischen
Juda und Israel über den Untergang beider Reiche bis zu Esra sei auf das
Buch selbst und die eingangs skizzierten Ergebnisse verwiesen.

Wer einen weitgespannten Entwurf so konzis, temperamentvoll
und mit pointierten Formulierungen vorträgt, wird neben Zustimmung
auch Kritik ernten. Das ist normal und notwendig, damit die
Forschung weiterkommt. A.s Buch ist, ungeachtet notwendiger Detailkritik
, in allen Teilen anregend, ideenreich, hypothesenfreundlich
sowie gut lesbar und erfreulicherweise für weite Kreise verständlich
geschrieben. Angelsächsisch ausgedrückt: A fresh approach!

Rostock Hermann Michael Niemann

' Im Zusammenhang mit der Herausarbeitung dieser Leitfragen bietet A.
eine beachtenswerte Kritik der bekannten Thesen G. E. Mendenhalls und
N.K. Gottwalds.

2 Es fällt hier und anderswo auf, daß der sonst in der Literatur sehr gut bewanderte
Vf. keine der einschlägigen Arbeiten von Eckart Otto herangezogen hat.
' Dies vor allem gegen N. K. Gottwald.

4 Als Beispiele dienen A. u. a. die archäologischen Ergebnisse von Ai, Raddana
, Giloh, Teil Gedur, Teil Marjamme, Izbct Sartah, Teil et-Tuyur, Teil
es-Scba', Teil el-Msas und Arad.

5 Für Einzelheiten und eine Karte vgl. S. 37. 40f.

* Vgl. dazu auch E.Otto: Jakob in Sichern (BWANT 110; Stuttgart etc.
1979), 199ff u. passim, sowie - instruktiv und ausgewogen - H.-J. Zobel, Art.
jisra el,ThWAT 111,986-1012,bes. 988-1 003.

7 Vgl. Rez , Die Daniten (FRLANT 135; Göttingen 1985).

Judaica

Martin, Jose Pablo: Filön de Alejandria y la Genesis de la Cultura
occidental. Buenos Aires: Dcpalma 1986. XI, 168 S. 8* = Oriente -
Occidente, 4.

Von der Philo-Rezeption des spanischsprachigen Raums ist selbst
unter spezieller Interessierten bei uns so gut wie nichts bekannt, vielleicht
auch deshalb, weil bislang der wesentlichste Anteil auf Lateinamerika
entfällt. Dort, in Buenos Aires, kam 1975/76 die fünfbändige
spanische Übersetzung der Werke Philos (auf der Basis der Colson-
schen Ausgabe in der Loeb Library) von J. M. Trivino heraus. Am
gleichen Ort erscheint ein Jahrzehnt später, verfaßt von dem Jesuiten
J. P. Martin, der an der argentinischen Universidad del Salvador und
am Forschungsinstitut Decidente-Oriente tätig ist, die erste Philomo-
nographie in spanischer Sprache. Der Autor, der mit Veröffentlichungen
zu Philo und dem Toraauslcger Aristobul bereits hervorgetreten
ist, legt eine systematische Darstellung der Gedankenwelt des Alexandriners
vor, die in ihrer Dichte den Charakter eines Kompendiums
hat. Mit souveräner Kenntnis des Gesamtwerks ausgerüstet, die es dem
Vf. erlaubt, alle Philoschriften auszuwerten, wird der Versuch unternommen
, den Kosmos der philonischen Philosophie und Theologie
von einer Fragestellung herzu erschließen: von der Anthropologie.