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Ausgabe:

1988

Spalte:

449-451

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Wolkinger, Alois

Titel/Untertitel:

Moraltheologie und Josephinische Aufklärung 1988

Rezensent:

Barton, Peter F.

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 6

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Die wirtschaftlichen Folgen für Frankreich insgesamt waren be- Rautenstrauchs in Schwierigkeiten geraten, der Lehrstuhl für Moralgrenzt
. Innerhalb der reformierten Gesellschaft gab es jedoch erheb- theologic war aus Hörermangel förmlich ..eingegangen". Da sich im
liehe Veränderungen: „Nur noch wenig Adel, keine (icrichtsberufe Januar 1776 die Hörerzahl etwas vermehrt hatte, konnte Luby seine
mehr, einige wenige Notare, wenig freie Berufe. Die (schon vor 1685) Lehrtätigkeit aufnehmen. In Graz entwickelte sich Luby zu einem
aufgerichteten Hindernisse haben den Hugenotten nur Handel, Hand- Exponent katholischer Aufklärung mit deutlicher Abkehr vom Moli-
werk und Landwirtschaft ermöglicht. Im 18. Jh. ist der französische nismus wie von der Scholastik. Zudem hatte man im Bereiche der
Protestantismus zu 80% auf dem Lande zu finden." (52) Der katholischen Aufklärung Österreichs den Vorsprung des protestan-
Zusammenhang mit dem Erbe Calvins lockerte sich, Einflüsse vom tischen Deutschland schmerzlich empfunden und wollte diesen durch
Methodismus her wurden stärker. Man nahm Partei für die Anlange Überwindung des Barockkatholizismus einholen, wenn nicht über-
der Revolution 1789, man setzte sich später für die Republik ein. flügcln (63). Für Luby wurde die zumal durch Christian Wolff
uenhard urteilt positiv: „Es hat sich seit 1685 herausgestellt, daß der propagierte mathematische Methode wichtig. Rückgriffe auf ein neu
evangelische Glaube weiterleben kann auch ohne temples und ohne interpretiertes Naturrecht sollten die Kasuistik weitgehend ausschal-
Pfarrer, genährt allein durch das Wort Gottes" (35). Ähnlich klingen ten. Daß Luby die objektiven Naturgesetze noch weit stärker betonte
die abschließenden Sätze: Das Jahr 1685 war „die eigentliche als sein Lehrer Martini, macht Wolkinger (293ff) sehr klar. Gerade in
Geburtsstunde des französischen Protestantismus . . ." (55). Die Vor- der Bußfrage - einem wichtigen Kriterium des Tiefgangs janseni-
gange sind zu würdigen „als Kampf des Gewissens, das sich in seiner stischcr Anliegen - zeigte Luby eine keineswegs radikal-jansenistische
Beziehung zu Gott von keiner irdischen Gewalt binden läßt" (55). Die Haltung und wich etwa diametral von Opstraets Positionen ab(476ff).
Arbeit nennt neue Literatur und bringt instruktive Bilder sowie Lubys „Theologie moralis in systema redueta". die im Mittelpunkt
beachtliches Zahlenmaterial. der Untersuchungen Wolkingers steht, erschien in drei Bänden in
Rostock OertHaendler Graz 1781-1784. Bis 1799 erschienen drei weitere Auflagen. Der

Status Lubys hatte inzwischen andere Konturen angenommen. 1782
hatte ein Hofdekret die Universität Graz in den Rang eines Lyzeums

^olkinger, Alois: Moralthcologie und josephinische Aufklärung. herabgesluft. Luby wurde als Moral-und Pastoraltheologe nach I m/

Anton Luby (1749-1802) und sein Verhältnis zum Naturrecht, zur versetzt. Ob er hier auch Vorlesungen abgehalten hat. scheint Wolkin-

mathcmatischen Methode und zum ethischen Rigorismus (Janse- gcf unk,ar und eher f ,ich> dcnn djc Linzer Theo|ogische Lehr.

nismus). Graz: dbv-Vcrlag lür die Technische Universität Graz . ., .... .-,„, r ... . .. .... .,

lus; iv c o. r>- j i r- .. • anstalt wurde im Marz 1783 aulgelost, da die Horerzahl extrem

■2»o3. LX. 626 S. 8 = Dissertationen der Karl-Franzens-Universitat ... , , ,. _ . ,

Graz niedrig war. Wahrend dieses Zeitraumes bemuhte sich Luby last verzweifelt
um freiwerdendc Pfarrstellen - und im Ringen um Pfarr-

Die 1977 approbierte katholisch-theologische Grazer Dissertation, stellen in Grazer Vorstädten und Vororten kam es zu einem reichlich

'* sich auch als Beitrag zum 400jährigen Jubiläum der Karl- unerfreulichen Intrigenspiel. Lubys Versuche, als Pfarrer Fuß zu

f"ran/ens-Universität Graz versteht (II), ist einem Manne gewidmet. fassen, schlugen zunächst fehl. Immerhin hatte er - nicht zuletzt dank

dessen Name vielen Experten auch der katholischen Aufklärung und einflußreicher Gönner - Erfolg. Unter dem 30. 10. 1783 wurde ihm

des Josephinismus fremd sein dürfte, wie denn auch nur über einen die (ehemalige) Minoritenplärrkirche in der Grazer Murvorstadt zu-

Moraltheol ogen der josephinischen Ära (Lauber) eine Dissertation - gewiesen. Seit Jänner 1784 amtierte er als Pfarrer in Graz-Mariahilf.

über die meisten nicht einmal ein Aufsatz vorliegt. Sic transit gloria Er erlebte die Strukturveränderung in dieser einst hochangesehenen

niundi! Es ist ein großes Verdienst des Bruck-Schülers Wolkinger, den barockkatholischen Wallfahrtskirche als Betroffener, offensichtlich

fär die geistige Entwicklung der josephinischen Zeit keineswegs ohne große Erbitterung, aber wohl auch nur mit gedämpfter Bcgeiste-

a'ypischen Anton Luby der fast völligen Vergessenheit entrissen zu rung. Alles sollte der Kontrolle dienen und auch - selbst der Inhalt der

baben. Predigten - kontrolliert werden können. Ein besonderes Ruhmesblatt

Biographie wie CEuvre erweisen Anton Luby als Grenzgänger. Als des - nicht zu Unrecht umstrittenen - ..Josephinismus" bildet der

Sohn eines Schloßverwalters 1749 in Lichtenwald, einem Markt in Ausbau karitativer Arbeit. Sicher dürfte sich „das Zusammenleben

der Untersteiermark (heute Ostslovenien) - das kirchlich dem Erz- mit den Minoritenpatres" „aus verständlichen Gründen nicht über

diakonat Landstraß in Unterkrain und mit diesem dem Erzbistum das Nötigste hinaus erstreckt haben", auch wenn nur eine einzige

Görz unterstand - geboren, wurde (der auch von seinen Zeitgenossen Beschwerde Lubys vorliegt (34). Er widmete sich verstärkt der Jugcnd-

■"elativ wenig beachtete, 523ff) Anton Georg Luby (eigentlich Lubi) erzichung, konnte bereits 1784 das Grazer Kreisamt um Beschallung

' ^°4 (iymnasiast im untersteirischen Marburg, erfuhr an Schule wie von hundert Katechismen für arme Kinder und Lehrbuben ersuchen.

Universität primär eine Ausbildung durch Angehörige der Societas Auch nach dem Josephinischen Jahrzehnt erfreute er sich in der

Jesu (von der ersieh später vehement abgrenzen sollte). 1768 nahm er josephinischen Beamtenschaft größeren Ansehens: 1791 wurde et

das Studium der Rechte in Wien auf: Zeitlebens war er stolz darauf, wegen seines Einsatzes für die Versorgung von Findelkindern vom

Schüler des bekannten Naturrcchtlcrs Martini gewesen zu sein. 1769 Gubernium (weder mit Kreisamt noch mit Landesregierung exakt zu

wechselte er als Theologiestudent nach Graz über: Hier gab es für übersetzen) belobt. Seit 1800 kränkelte Luby: Im 53. Lebensjahr ver-

wenig begabte Theologen (die sog. „theologia morales") einen zwei- starb er 1802 an den Nachwirkungen eines Schlaganfalles. Sein Tod

Jährigen - stark kasuistisch ausgerichteten - Kurs, der sie zu Seel- wurde von den Minoriten verwendet, um den Einfluß des Weltklerus

s°i"gern ausbilden sollte. Für begabte Theologiestudenten - und zu in ihrer Kirche zu brechen. Lubys Kurat, der Minoritenguardian Paul

diesen „theologi speculativi" zählte auch Luby - gab es eine vier- Jandl, erreichte es prompt, daß - nach Lubys Zwischenspiel - wieder

Jährige Ausbildung, die im Geiste des Molinismus erfolgte. 1771 der Minoritenorden das Pfarrecht ausüben konnte,

schloß Luby sein Studium als Magister der Philosophie. 1772 als Dr. Im Bereiche der katholischen Aufklärung kann Luby eher als eine

tneol. ab, entschied sich aber dann für das Weltpriestertum. 1772 er- Figurdes Ausgleichs und der Vermittlung gewertet werden. Die prote-

hielt er als Protege des aufgeklärten Karl Herberstein in Görz die stantische Wertung (Horn) war im frühen 19. Jh. daher eher negativ.

Priesterweihe. Ob bei seinem Weggang aus Görz Differenzen mit Ihr erschien Luby - trotz seiner Reduktion kasuistischen Denkens-

Herlx-rstein eine Rolle spielten, ist nach Wolkingers Untersuchungen immer noch zu kasuistisch. (539IT) „Am nachhaltigsten dürfte sich

sehr fraglich. I 774 erhielt er die Dogmatik-Profcssur in Laibach mit wohl die gleichfalls falsche Berichterstattung durch Wurzbach"

dem relativ ansehnlichen .lahresgehalt von 500 fl„ wurde aber schon (Anm. des Rez. - ein ebenso überholtes wie unentbehrliches viel-

'^5 als Professor für Moralthcologie nach Graz versetzt. Die Theo- bändiges Nachschlagewerk über den österreichischen Gesamtstaat

'°gische Fakultät zu Graz war nicht nur durch eine gravierende Lehr- einschließlich des historischen Ungarn) „ausgewirkt haben, obwohl

P'anumstcllung nach den für die Gesamtmonarchie gültigen Plänen gerade sie die relativ ausführlichste Nachricht darstellte" (539). Luby