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Ausgabe:

1988

Spalte:

437-438

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Neugebauer, Fritz

Titel/Untertitel:

Jesu Versuchung 1988

Rezensent:

Vogler, Werner

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 6

438

gesagt - „Apokalyptik" und „Weisheit" sich gattungsmäßig nicht
ausschließen.

Erst nach solcher Würdigung und Verarbeitung des Buches von K.
stellt sich darüber hinaus die historische Frage nach den „Trägerkreisen
" von Q. K. bezieht die Logienquelle wie die Q-Forschung der
redaktionsgeschichtlichen Phase durchweg auf eine bestimmte „Gemeinde
". Nun hatte bereits P. Hoffmann4 in seiner Analyse der Aussendungsrede
in Q diese als Instruktion für Wandermissionare bestimmt
und G. Theißen etwa gleichzeitig seine These vom „Wanderradikalismus
" im wesentlichen auf Q-Texte gestützt5; W. H. Kelber
schließlich hat an der Gegenüberstellung von Q und Mk die Differenz
von „mündlich" und „schriftlich" entwickelt.

K. läßt „Wandercharismatikertum" (z. B. 318) als Überlieferungsträger
nur gelten für die Vorgeschichte der „Weisheitsreden". Angesichts
des von ihm herangezogenen Materials aus griechischen philosophischen
Traditionen wäre das aber auch unter der historischen
Fragestellung zu bedenken, zumal das Auftreten der kynischen Philosophen
ja immer schon zum Vergleich mit den synoptischen Aussendungsreden
herangezogen worden ist. Zu fragen wäre aber auch
nach dem Sachgehalt des Auftretens und der Verkündigung der in der
Aussendungsrede Ausgesandten, der nicht in „Weisheitsrede" aufgeht
, sondern gerade den Gerichtsgedanken einschließt.

Solche Überlegungen resultieren nicht aus Fragezeichen am Rande
des gelesenen - vom Verlag übrigens buchtechnisch sehr schön genachten
- Buches, sondern aus der Aufnahme der von K. vorgelegten
Bestimmung der Gattung von Q in seiner Endgestalt als in die Tradi-
llon antiker Chricn-Sammlungen gehörig. Die Rezension kann dabei
nicht deutlich machen, wieviel an Gewinn K.s Buch auch im Detail
bringt.

Marburg (Lahn) Dieter Lührmann

H. Köster, J. M. Robinson, Entwicklungslinicn durch die Welt des frühen
Christentums, 1971,67-106.

J M. E. Boring, Sayings ofthe Risen Jesus, SNTSMS 46,1982; W. H. Kelber,
Tt,e Oral and the Written Gospel, Philadelphia 1983.

Im Zusammenhang des erwähnten SBL-Scminars ist diese Art der Stcllen-
angabe entwickelt worden (Q plus Lk-Ziticrung. ohne daß damit der Lk-Text als
ursprünglich angesehen ist), die das übliche Verfahren der Doppelangabe
Wesentlich verkürzt.

4 Studien zur Theologie der Logienquelle, NTA NF 8,1972,235-331.

' Wandcrradikalismus.ZThK 70,1973,245-271.

Neugebauer. Fritz: Jesu Versuchung. Wegentscheidung am Anfang.
Tübingen: Mohr 1986. VI, 120 S. 8 Pp. DM 38,-.

Diese M. Hengel gewidmete Studie zeichnet sich dadurch aus, daß
'hr Autor die Auffassung vertritt: Die Versuchung Jesu durch den
Satan hat wirklich stattgefunden; und zwar so, wie Matthäus sie
berichtet. Denn Jesus selbst hat seinen Jüngern „die Erfahrung seiner
Versuchung am Anfang erzählt" (15), und von ihnen ist sie (über Q) zu
Matthäus gelangt. Bei all dem gilt: „Vermutlich können wir bereits im
Munde Jesu eine Selbstmitteilung der Versuchung in der dritten Per-
nicht ausschließen" (18).

Nach dieser in Abschn. I getroffenen Feststellung sind neun (der 13
Weiteren) Abschnitte dieser Arbeit der Erklärung von Mt 4,1-11
gewidmet. Sie ist - entsprechend der zuvor dargelegten Prämisse -
davon geleitet, dem Leser klarzumachen, „daß unsere Texte einer
Rückfrage nach dem, was damals geschah, nicht entgegenstehen" (35).
"as geschieht mit Umsicht und zum Teil in kritischer Auseinandersetzung
mit der (in BET 9 erschienenen) Monographie von
FI- Mahnke über die Versuchungsgeschichte. Dabei sind nach N. zwei
Fragen nicht beantwortbar: Hat Jesus den Satan gesehen? Oder war er
nur „Einflüsterung und Stimme"? (109) Und: „Wie ist der Ortswechsel
von Versuchung zu Versuchung zu denken?" (110)

Aus N.s Verständnis der Versuchung Jesu als eines tatsächlich sich
Zugetragenen Ereignisses folgt sodann, daß dieses vornehmlich Bedeutung
für Jesus selbst hat. Danach stellt dieses Widerfahrnis für Jesus
eine „außerordentliche Erfahrung" des Bösen (Abschn. XIII) und als
solche eine „Entscheidung am Anfang" seines Weges (Abschn. XIV)
dar. Sie war „eine elementare Bedrohung seines Weges, der ernsthafte
und aufwendige Versuch der Störung und Zerstörung seiner Gottesbindung
und seines Gehorsams, und dies im Horizont endzeitlicher
Entscheidung" (17). Doch Jesus, „der den Reichtum an Vollmacht
verbindet mit durchdringender Einsicht, hellsichtiger Klarheit und
kraftvoller Disziplin in der Konsequenz des Wortes Gottes" (42), ist
der alles menschliche Vermögen übersteigenden „messiapischen Versuchung
" durch „messianische Entscheidung" (51) entgegengetreten.
Diese aber ist die „Entscheidung für einen Weg, der ganz Gott und
deshalb ganz denen gehören wird, zu denen er gesandt ist" (118).

Bleibt die Frage nach dem Verhältnis der matthäischen Fassung der
Versuchungsperikope zu denen der Seitenreferenten. Da N. es irti
Blick auf Mk 1,12f für „so gut wie unlösbar" hält, „das Verhältnis der
beiden Wiedergaben von Jesu Versuchung zu klären oder eine Überlieferungsfolge
zu erschließen", teilt er die allgemeine Überzeugung,
daß „das, was Markus schrieb und beschreiben wollte, in seinem
Wortlaut und Sinn zu erfassen" ist (19). Kommen auf Grund dessen
(in Abschn. II) einige redaktionskritische Aspekte zur Sprache, so
schließen diese jedoch nicht aus, daß auch „die in Mk 1,13 wiedergegebene
Versuchung Jesu auch in sich selbst auf die Versuchung des
messianischen Gottessohnes" verweist (25). Das gleiche gilt für die
Lukasfassung (Abschn. XII). Auch sie ist „im Kern ein Text der Geschichte
Jesu, und die übergreifenden Bezüge sind die Ausstrahlungen
eben dieser Geschichte" (97). Zu diesen „Ausstrahlungen" gehört die

- gegenüber Matthäus - andere Abfolge der zweiten und dritten Versuchung
. Entgegen der verbreiteten Annahme, daß die lukanische
Reihenfolge der Versuchungen Jesu im Interesse des dritten Evangelisten
an der Tempelstadt begründet sei, erklärt N. sie von Lk 10,18
her. Danach endeten die Versuchungen Jesu am Jerusalemer Heiligtum
, weil für Lukas - wie vor ihm schon für den „Traditionskomplex
Q-Lukassondergut" - der Kontrast entscheidend war: „Das, was der
Satan nicht zu sehen bekam, den Sturz Jesu, darf Jesus schauen: den
Fall des Satans" (90).

Diese Beobachtung ist zweifellos bedenkenswert. Leider vermag sie

- wie manch andere treffliche Aussage - nicht darüber hinwegzutäuschen
, daß das von N. insgesamt dargelegte Verständnis von „Jesu
Versuchung" den der historisch-kritischen Forschung Verpflichteten
ratlosmacht.

Leipzig Werner Vogler

Allison, DaleC: The End ofthe Ages Has Come. An Early Interpretation
of the Passion and Resurrection of Jesus. Edinburgh:
T.&T. Clark 1987. XIII, 194 S. gr. 8" = Studies of the New Testamentand
its World. Lw. £ 13.95.

Nachdem C. H. Dodd's bekannte These von der "realized eschato-
logy" als Charakteristikum der urchristlichen Verkündigung (1936)
lange Zeit kaum mehr Beachtung fand, setzt die Arbeit von Allison erneut
bei ihr ein, um sie dann freilich in doppelter Weise zu modifizieren
. Aus der "realized eschatology" wird am Ende (150)-ohne Zweifel
zu Recht - die "inaugurated eschatology". Und diese erhält - das
ist das Hauptanliegen des Buches - eine von Dodd abweichende neue
Begründung. Während Dodd die nachösterliche "realized eschatology
" unmittelbar aus Jesu vorösterlicher Predigt vom Gekommensein
des Reiches Gqttes herauswachsen sah, sieht A. den Hintergrund
in Jesu eschatologischer Erwartung der endzeitlichen Trübsal und der
auf sie folgenden kollektiven Totenauferstehung, deren zumindest
teilweise Erfüllung im Geschick Jesu die nachösterliche Gemeinde
proklamiert.

A. eröffnet seine Untersuchung damit, daß er das Motiv der "great
tribulation" in der jüdischen Literatur verfolgt (5-25). Das Motiv ist
nicht überall präsent, auch nicht in einheitlicher Interpretation, so