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Ausgabe:

1988

Spalte:

431-433

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Braun, Roddy

Titel/Untertitel:

1 Chronicles 1988

Rezensent:

Schunck, Klaus-Dietrich

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 6

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Weitere Prophetenerzählungen in den Königs- und Chronik-
Büchern bestärken die Vermutung, daß es ,,im Juda des 7. Jahrhunderts
. . . betont staatskritische Prophetenkreise gegeben" hat, „die aus
Nord und Süd solche Überlieferungen sammelten" (S. 62) zu einem
„Buch der Prophetengeschichten" (S. 53 u. ö.), welches „die Überarbeitung
des dtr Geschichtswerkes durch DtrP und die Neubearbeitung
der israelitisch-jüdischen Geschichte durch Chr" angeregt haben
könnte (S. 70).

(II) Differenzierter stellt sich das Auftreten Samuels in der Geschichte
von Davids Aufstieg dar. In dieser „David-Saul-Geschichte"
„bedient sich der Aufstiegserzähler auch mehrerer Prophetenüberlieferungen
" (S. 153) mit der Quintessenz: „Samuel protegiert zuerst
Saul, wendet sich bald enttäuscht von ihm ab, um dann David zu
protegieren und ihn vor den Nachstellungen Sauls zu schützen"
(S. 154). Wie dabei verschiedene nordisraelitische Einzelüberlieferungen
in Juda „einer Hofgeschichtsschreibung dienstbar gemacht
worden" sind (S. 154), zeigt die Einzelanalyse.

(III) Den Verfasser der „Samuel-Saul-Geschichte" „haben wir . ..
an einem Heiligtum des Nordreichs, vielleicht in Gilgal, nach dem
9. Jahrhundert und vor dem Untergang Nordisraels anzusetzen"
(S. 148). Samuel hat „priesterliche Funktionen" inne, „Gottes Herrschaft
und Königsherrschaft stehen nicht im mindesten in Gegensatz
zueinander" (S. 149).

Eine Tabelle gibt am Schluß einen guten Überblick über die
komplizierten Textzusammenhänge von ISam 1-16 (S. 168).

Die literarkritisch-überlieferungsgeschichtliche Analyse ist Schwerpunkt
der mit Sachkenntnis differenzierenden Untersuchung, so daß
vor allem die Voraussetzungen für die Thematik des Untertitels
erarbeitet werden, die Sacherörterung dahinter zurückbleibt.

Streumen Christoph Schneider

Braun, Roddy L.: 1 Chronicles. Waco, TX: Word Books 1986. XLV,
312 S. gr. 8" = Word Biblical Commentary, 14.

Nach wie vor zeichnet den Word Biblical Commentary eine rasche
Folge im Erscheinen der einzelnen Bände aus. So wurden auch 1986
in der alttestamentlichen Abteilung wieder weitere Teilbände vorgelegt
, neben dem die Auslegung des Buches der Könige abschließenden
Band über 2 Kön auch der hier anzuzeigende Kommentar über 1 Chr.
Wie schon bei der Kommentierung von Sam und Kön ist auch bei Chr
die Auslegung auf zwei Bearbeiter verteilt worden, indem 2Chr von
Raymond B. Dillard bearbeitet wird. Diese Teilung der Auslegungsarbeit
mag im Hinblick auf eine schnellere Bewältigung der Kommentierung
des umfangreichen Chronikbuches vorteilhaft erscheinen; sie
dürfte aber angesichts der in der gegenwärtigen wissenschaftlichen
Diskussion bestehenden unterschiedlichen Auffassungen über Entstehung
und Tendenz von Chr sowie seines Verhältnisses zu Esra/
Neh auch leicht wieder neue Probleme aufwerfen. Wie groß diese sind
und wie weit sie ein einheitliches Verständnis des Chronikbuches
beeinflussen, wird sich freilich erst nach Erscheinen des Bandes über
2Chr beurteilen lassen.

Der Vf. des vorliegenden Bandes ist als Pastor der Lutheran Church
in Arlington, Virginia, tätig. Nach einer Doktor-Dissertation über
"The Significance of I Chronicles 22, 28 and 29 for the Structure and
Theology of the Chronicler" (Concordia Seminary, St. Louis 1971)
weitete er seine Studien auf das gesamte Chronikbuch aus, wovon weitere
kleinere Arbeiten zeugen, und die ihn ebenso wie eine frühere
Professur für semitische Sprachen für eine Kommentierung des IChr
besonders geeignet erscheinen ließen.

Der Kommentar über IChr folgt in seiner Anlage ganz den für die
gesamte Kommentarreihe verbindlichen Grundsätzen. D. h. der in
die beiden Hauptteile IChr 1-9 und IChr 10-29 mit jeweils größeren
Teilabschnitten und kleineren Unterabschnitten gegliederte Text
wird in der Weise behandelt, daß für jeden Unterabschnitt zunächst
eine "Translation" und "Notes" geboten werden, an die sich die in

die Teile "Form/Structure/Setting", "Comment" und "Explana-
tion" unterteilte Auslegung anschließt. Vor den größeren Teilabschnitten
sind dazu jeweils eine spezielle Bibliographie sowie allgemeine
Bemerkungen zum Verständnis des betreffenden Teilabschnitts
angeordnet. Dem eigentlichen Kommentar sind ein Vorwort des Vf.
und ein Vorwort der Hgg. des ganzen Kommentarwerkes, ein ausführliches
Abkürzungsverzeichnis sowie eine in I 1 Teile gegliederte umfangreiche
Einleitung (S. XVII-XLV) vorangestellt. Hier werden u. a.
die grundsätzlichen Fragen nach den Quellen des Chronikbuches, den
literarischen Formen in Chr, dem mit Chr verfolgten Zweck und seinen
theologisch relevanten Themen sowie nach dem Umfang, der Zeit
und den Redaktionen des sog. chronistischen Geschichtswerkes erörtert
. Dazu bietet die Einleitung eine ausführliche Bibliographie, die
sowohl alle wesentlichen Kommentare als auch die zu den einzelnen
Problemkreisen jeweils wichtige Spezialliteratur nennt. Eine an die
Einleitung noch angefügte "Additorial Bibliography" läßt freilich die
Frage aufkommen, ob es so nicht zu einer zu großen Zersplitterung
der Literaturangaben, die der vorliegende Kommentar insgesamt bieten
will, kommt.

Der vorherrschenden Auffassung folgend, nimmt der Vf. an, daß
der größere Teil von IChr und 2Chr das Werk eines Autors sind, den
er „Chronisten" nennt. Größere Ergänzungen und Korrekturen dieses
Werkes meint er in den Genealogien IChr 1-9 und IChr 23-27,
kleinere Zusätze in Verbindung mit der Erweiterung von Listen und
genealogischen Angaben finden zu können. Natürlich ist ihm dabei
auch die neue, erstmals von S. Japhet (VT 18, 1968, 330-371) vertretene
Bestreitung der Zugehörigkeil von Esra/Neh zum Werk des
Chronisten nicht unbekannt, der er sich unter Anführung eigener Begründungen
anschließt. Trotzdem verkennt er andererseits nicht, daß
es einen inneren Zusammenhang zwischen 1/2Chr und Esra/Neh
gibt, "a development which at times extends to the use of a specific
vocabulary and suggests immediate dependance upon the earlier
work" (XXI): der Vf. vermutet deshalb, daß "the conclusion of the
Chronicler's work has been overlaid with one or more layers of later
tradition"(XXI).

In der Frage nach den Quellen für Chr geht der Vf. von der üblichen
Annahme aus, daß Sam und Kön als Hauptquelle gedient haben,
wobei allerdings an eine von dem jetzt im AT überlieferten hebr. Text
etwas abweichende Form dieser Bücher gedacht werden muß. Darüber
hinaus wird mit der Nutzung weiteren Quellenmaterials wie
genealogischer Listen, Zähllistcn und Listen militärischen Charakters
gerechnet, jedoch jeder noch weitergehende Versuch der Hcrausarbei-
tung von Quellen als unrealistisch abgelehnt. Vielmehr habe der
Autor des Chr, mit einer Vielzahl alter Traditionen gut vertraut, sein
Werk mit großem literarischen Geschick auf der Grundlage von
Sam/Kön aufgebaut, deren Darstellung "interpreting, supplemen-
ting, and deleting as he feit compelled by his theological Standards"
(XXIII). Somit hat die große Mehrzahl aller Abweichungen von
Sam/Kön ihren Ursprung beim Chronisten selbst.

Der mit der Abfassung des Chr verfolgte Zweck, der vor allem aus
diesen eigenständig vom Chronisten formulierten Passagen erkennbar
wird, bestand nach Auffassung des Vf. darin, den Jerusalemer Tempel
als den einzig legitimen Tempel Jahwes darzustellen. Damit dürfte
dann auch die Abfassungszeit des Werkes in Zusammenhang zu bringen
sein: obwohl Sicherheit in dieser Frage nicht möglich ist, zieht der
Vf. ein Datum nicht zu lange nach der Wiedererrichtung des Tempels
in Betracht, d. h. um 5 I 5 v. Chr.

Den Kommentarband beschließen mehrere ausführliche Indizes.
Obwohl bei der Fülle der zu 1 /2Chr erschienenen Literatur auch von
einem Kommentar keine Vollständigkeit in den Literaturangaben erwartet
werden kann, vermißt man doch nur ungern einen Hinweis auf
die so hilfreiche Synopse von J. Kegler/M. Augustin, Synopsc zum
Chronistischen Geschichtswerk (BEATAJ I), 1984, oder eine Nennung
und Verarbeitung der weiterführenden Arbeiten von
R. Micheel, Die Seher- und Prophetenüberlieferungen in der Chronik
(BET 18), 1983, und von T.-S. Im, Das Davidbild in den Chronik-