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Ausgabe:

1988

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 5

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Das vorliegende Werk erweist sieh als eminent ökumenisch zunächst
schon dadurch, daß es die zahlreichen Grenzüberschreitungen
deutlich macht, ohne die es überhaupt nicht hätte geschrieben werden
können, und festhält, wieviel Gemeinschaftsarbeit zur Unterstützung
des Autors geleistet wurde. Als Experten, die ihn bei seinem Vorhaben
ermutigt haben, nennt Vf. im Vorwort neben anderen die bekannten
Schweizer katholischen Missiologen Jakob Baumgartner und Johannes
Specker. Andere haben mit ihren speziellen Sprachkenntnissen in
C hinesisch und Koreanisch geholfen. Die Bibliographie weist außer
Werken in diesen beiden Sprachen vor allem amerikanische, aber
auch französische, deutsche und italienische Titel aus.

Vf. gibt über sich selbst an (9). daß er nicht in Korea, sondern in
Kalifornien, und zwar in Los Angeles, als Sohn eines mexikanischen
Zimmermanns geboren sei. Er habe erlebt, was Rassentrennung und
kulturelle Unterdrückung bedeuten. Aus dieser Lebenserfahrung heraus
sei er nicht zu einseitiger Parteinahme veranlaßt worden, sondern
habe sich bemüht, sich das beste von beiden Seiten anzueignen, was
freilich immer begleitet sei von der Furcht, von jeder Seite zurückgewiesen
zu werden. Vf. wurde Mitglied des M. G..d. h. des mexikanischen
Instituto de Santa Maria de Guadalupe para las Misiones
Extrajeras. und nach Korea entsandt. Seine dortige missionarisch-
seelsorgerische Tätigkeit vertiefte seine eigenen Jugenderfahrungen
und half ihm. sich mit den Problemen des koreanischen Volkes und
der koreanischen Kirche zu identifizieren.

Vf. begreift die koreanischen Katholiken - damit beschreibt er zugleich
seine eigene Intention und das. was man geradezu als
Programm der vorliegenden Schrift bezeichnen kann - als Leute, die
in der Begegnung mit dem kulturellen Kontext, in dem ihnen das
Evangelium gebracht wurde, sich vervollkommnen wollten, indem sie
das beste der fremden Kultur wählten, ohne sich der eigenen zu entfremden
.

Vf. geht in den Bahnen des berühmten Jesuitenmissionars Matteo
Ricci, der Ende des 16. und Anfang des 17. Jh. zum Gründer der
modernen katholischen Chinamission wurde. Deshalb überrascht es
nicht, daß Vf. sich dem gründlichen Studium des Koreaners Chöng
Yak-jong Augustine zuwendet, der bereits Ende des 18. Jh. eine
koreanische Theologie geschaffen hat. Augustine betitelt sein Hauptwerk
Chu-Gyo Yo-Ji (Essentials of the Lord's Teaching= ELT), weil
das Christentum für Augustine wesentlich Lehre und Jesus ganz wie
Konfuzius vor allem der große Lehrer ist.

Die Hauptüberschriften des Buches on H. Diaz. in dem er
Augustines Werk würdigt, lauten: Historical Survey of the Inirod uc-
tion of the Catholic Church into Korea. Biographical Sketch of Chöng
Yak-Jong Augustine. Chöng Augustine's Writings, The Central Notion
of "Teaching" in Augustine's Work. The Notion of the First
Principlc. Other Important Key Words. Appreciation of Augustine's
Work, Appendices.

Die in der historischen Einleitung gegebene Skizze von Augustincs
Leben trägt betont hagiographische Züge, trifft aber auch bereits sachlich
belangvolle Feststellungen, z. 1). daß Augustinc die ELT vor
allem für das einfache Volk geschrieben und ihm damit als erster das
Christentum nahegebracht habe (43: the llrst complete work ofadap-
tation). Es ist eine für NichtChristen bestimmte Einführung in den
christlichen Glauben mit entsprechend eingegrenztem Lehrgchalt
und in koreanischer, nicht in der offiziellen chinesischen Sprache
geschrieben, die nur von der herrschenden Klasse gesprochen wurde
(52). Diaz sagt abschließend, daß dieses Buch sehr zur Bildung der
Hauptzüge der koreanischen Kirche beigetragen habe (ebd.).

Augustine arbeitete an einer umfassenden Lehrdarstellung (Complete
Book of the Holy Teaching). die jedoch halbvollendet der staatlichen
Christcnverfolgung ebenso wie alle anderen seiner Schriften
mit Ausnahme der ELT zum Opfer fiel. Diese ELT waren zur Zeit der
Verfolgung schon so oft abgeschrieben und weit verbreitet, daß ihre
Vernichtung nicht möglich war. 1864 wurden sie gedruckt und erlebten
bis 1932 noch vier weitere Aullagen. Auch bis heute hat kein
anderes Buch ihren Platz eingenommen (80).

Im Abschnitt über die Quellen der ELT wird Augustine vor allem
zu Ricci in Verbindung gesetzt, dessen Grundgedanken Vf. präzis darstellt
und zugleich kritisch beleuchtet. Im Gegenüber ZU Ricci werden
Zielsetzung und Lehre der ELT entfaltet. Vf. verdeutlicht die
materielle Abhängigkeit Augustines von Ricci, legt aber zugleich den
speziellen Charakter der ELT dar (108). Was die Jesuiten in ihren
Missionsbemühungen früherer Zeiten so noch nicht erreichten, gelingt
Augustine. nämlich die Koreanisierung des Christentums.

Erst nach dieser gründlichen und in allen ihren Teilen aufschlußreichen
Cirundlegung entfaltet Vf. Augustines Zentralbegriff "Teaching
". Dieser große Abschnitt (1 1311) gedeiht Vf. zu einer vortrefflichen
Abhandlung über die koreanische Religionsgeschichte,
-Philosophie und -Psychologie. Es würde den Rahmen dieser Besprechung
bei weitem sprengen, die "essentials" bzw. Schlüsselwörter
einzeln analysieren oder auch nur aufzählen zu wollen. Augustine
spitzt alles zu auf das christliche ..erste Prinzip", nämlich "the Lord",
der in jeder Beziehung die „Erfüllung" darstellt.

Wo immer Christus als der Vollender des Vorfindlichen verstanden
wird, besteht die Gefahr, daß der biblische Gott nicht als der ..ganz
Andere" erkennbar ist. Dieser Gefahr ist Augustine nicht erlegen.
"Augustine's Lord is quite dill'erent from all Oricntal gods and their
attributes, because He is not a cold First Principlc but isalways nun cd
by His love for man " (246).

Seine sorgfältige Darstellung schließt Vf. mit einer Würdigung des
Werkes Augustincs ab. Hier werden auf 20 Seilen so viele grundlegende
und weiterführende Einsichten zur Frage der außereuropäischen
Indigenisierung. Inkulturation und Kontextualisierung des
Evangeliums formuliert, daß es schwerfällt, einzelnes herauszugreifen
. Wenigstens die Überschriften einiger der Abschnitte und
Unterabschnitte des Kapitels ..Würdigung von Augustines Werk"
seien erwähnt: Die Besonderheiten seiner Lehre (24711), ihre Hauptpunkte
und Charakteristika im Verhältnis zu den östlichen Lehren
und der östlichen Wissenschaft. Technik, Kunst und Religion sowie
zur westlichen Theologie. Hervorzuheben ist ferner die Darstellung
der Kritik der ELT und des koreanischen Katholizismus überhaupt
(26011). Kritik durch den Neokonfuzianismus und andere östliche
Systeme wie auch durch ausländische katholische Priester. In den
Ausführungen über die Universalität von Augustines Theologie
(2651) und ihren Nutzen Für die koreanische Kirche und die ökumenische
Bewegung stellt Vf. mit Recht fest, daß Augustines Theologie
auch den protestantischen Kirchen Hilfe bieten könne (266).

S. 272-435 sind die ELT in der 3. Aullage (1887) abgedruckt,
jeweils der koreanische Text aufder linken,die englische Übersetzung
auf der rechten Seite. Den Hgg. ist dafür zu danken, daß auf diese
Weise ein wirklich wissenschaftlicher Umgang mit den ELT möglich
ist. aber auch sonst verdient der ganze Band in gestalterischer, insbesondere
drucktechnischer Hinsicht mindestens ebenso hohes Lob
wie die früheren Supplementbände der Neuen Zeitschrift Für Missionswissenschaft
.

Man kann nur wünschen, daß dieses Werk eines Autors, von dem
hoffentlich weitere Früchte seiner soliden und fruchtbaren Forschungsarbeit
vorgelegt werden, in der Missionswissenschaft wie der
gesamten Ökumenik jene breite Aufmerksamkeit erlährt. die es in
jeder Beziehung verdient.

Leipzig Siegfried Krügel

Dockhorn. Kurl: Kirche. Religion und Gesellschaft in Nigeria (/IM 13, 1487.
219-2.18).

korman Charles W.. and Charles R. Taher. Recent Studie) in Missiolog)
(RSR 13. 1987.30-36).

Ilorstmann Johannes (Hg ): Die Verschränkung von Innen-. Konfession»-
und Kolonialpoliiik im Deutschen Reich vor 1914. Schwerte: Katholische
Akademie 1987. 130 S. 8 i Akademie-Vorträge. 29. DM 15.-.

Kaiser. Konrad: Bekennen und Bekenntnis heule Am Beispiel junger
Kirchen und angesichts gegenwärtiger Herausforderungen (MdKl 38. 1987.
I In-120).