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Ausgabe:

1988

Spalte:

390-391

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Titel/Untertitel:

Tradierungskrise des Glaubens 1988

Rezensent:

Adam, Gottfried

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I

389 Theologische Literaturzeitung 113. lahrgang 1988 Nr. 5

noch vor dem Erscheinen von Martin Heideggers ..Sein und Zeit"
(1927) und ist insofern noch der Position einer Theologie des Wortes
Gottes zuzurechnen. Ähnlich positiv ist die häufigere Bezugnahme
auf Dietrich BonhoefferfS. 49. 51. I 78). Die später von Bultmann entwickelte
Konzeption existentialer Interpretation wird (ohne Bult-
manns Namen zu nennen) als Ausdruck einer ..anthropologischen
Theologie" (S. 63) abgelehnt (J. A. T. Robinson). Abgelehnt wird
allerdings auch eine ..ekklesiale" Auffassung von Predigt und Amt
(H. Asmussen. P. Brunner). ..Barth hat nach beiden Seiten hin gewarnt
: die Predigt darf weder in eine den Auftrag verleugnende religiöse
Rede zurückfallen, noch darf sie sich an die Autorität einer Institution
anlehnen." (S. 25)

Als Theologie des Wortes Gottes hat der Barthsche Ansatz eine
wesentliche Beziehung zur reformatorischen Theologie. Dies thematisiert
der Aufsatz „Die Predigt der Rechtfertigung als occasio dei".
Während eine katholisierende (Rechtfertigung und Heiligung identifizierende
) Rechtfertigungslehre ..auch auf protestantischen Kanzeln
immer wieder Ausdruck findet" (S. 60). geht es Fürst darum, die diakritische
Schärfe der reformatorischen Predigt der Rechtfertigung in
der Gestalt des Wortes vom Kreuz wiederzugewinnen. Eine solche
Predigt ..könnte nicht Rechtfertigung und Heiligung additiv verbinden
und. indem sie sich vom Tagesgeschehen oder vom Kirchenjahr
den casus vorschreiben läßt, kasuistische Einzclanwcisungen geben.
s,att die occasio. die Gottes Wort der Welt entgegenbringt, zu ergreifen
und dem Menschen den Ort zu zeigen, wo er im Glauben, in der
Liebe und in der Hoffnung leben kann." (S. 68)

In Auseinandersetzung mit empirisch orientierten homiletischen
Konzeptionen fragt Fürst in dem Vortrag „Das gute Werk der Predigt
" nach der ..Effektivität" der Predigt. ..Versteht man unter dem
Effekt der Predigt den Glauben, dann ist die Frage nach der Effektivität
falsch gestellt. Denn dieser .Effekt' ist weder machbar noch meßbar
." (S. 78) Ein so verstandener Ruf nach Effektivität treibt die Predigt
in die Gesetzlichkeit. ..Die Predigt soll das Evangelium in seiner
eigenen Logik, soll es als Evangelium deutlich" d. h. verständlich
machen (S. 81, vgl. S. 74.40).

Die beiden letzten Beiträge sind nicht der homiletischen Theorie,
sondern der Predigtpraxis gewidmet. „Wie entsteht eine Predigt?" -
v°r Synodalen hat der Homiletiker Walther Fürst diese Frage beantwortet
, indem er den Weg von der Exegese bis zur Predigt an einem
Beispiel (Mt 8,23-27) verdeutlicht. Während die Notwendigkeit und
Nützlichkeil der Exegese plausibel gemacht wird, reduziert sich die
von Fürst geforderte „llnentbehrlichkcit dogmatischer Besinnung für
die Predigt" (vgl. S. 197) auf eine „theologische Kontrolle" bzw. die
Erwägung von „theologischen Fragen", die dein Prediger „sehr wohl
aus seiner Gemeinde heraus entgegentreten können." (S. 1010 Die
Dogniatik hat in diesem homiletischen Verfahren nur mehr rcgula-
t've. keine konstitutive Bedeutung.

Der letzte Beitrag des Bandes, der schon durch den Druck zu be-
s'nnlichcm Lesen einlädt, ist eine Reihe von Betrachtungen biblischer
Texte zum Gebet. Der „Geist des Gebets" ist nicht die Reflexion
menschlicher Subjektivität, sondern Gottes Werk, das Werk seines
Geistes. „Aber wir werden von Gott so einbezogen und hineingezogen
, daß wir Antwort gebend - im eigentlichen Sinn ,ver-antwortlich'
~ dabei mittun." (S. 125) Beten ist nicht eine Möglichkeit des Men-
Schcn. sondern (An-) Gebot Gottes und darum (lebens)notwcndig.
Hier spricht der Homilet als Prediger eine Sprache, die nicht nur den
^erstand, sondern auch das Herz des Lesers erreicht.

Der von Klaus-Peter Jörns herausgegebene und instruktiv eingeleimte
Band zeigt Größe und Grenze der Wirkung Barthschcr Theologie:
S'e hat ihren Schwerpunkt in der prinzipiellen Homiletik und begründet
einen Predigttyp, der sich als Gegenpol zur religiösen Rede vergeht
. Indem aber die Predigt zum Maß aller Dinge gemacht wird,
kommt es zu einer „homiletischen Gefangenschaft" der Praktischen
Theologie, die sich z. B. in der Abwertung der Liturgie zeigt (vgl.
S- 56,89; I9f, 83, 158). Das ist eine Engführung, die Barth selber-in
'-'herholung seiner eigenen Wirkung- in seinem Grundriß der Prakti-

390

sehen Theologie (ij 72 der KD) und durch sein Verständnis des (iottes-
dienstes als Anrufung Gottes in Predigt und Gebet (K. Harth. Gebete,
München 1963. Vorwort) hinter sich gelassen hat.

Naumburg Hartmui < ienett

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Feifei. Erich, u. Walter Kasper [Hg.]: Tradierungskrise des Glaubens

München: Köscl 1987.222 S. 8". Kart. DM 19.80.

Die zehn Beiträge dieses Bandes entstanden anläßlich eines Kolloquiums
, zu dem die Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen
Bischofskonferenz im Juni 1986 eingeladen hatte. Über 80 Mitglieder
und Berater der katholischen Bischofskonferenz. Wissenschaftler
. Praktiker und Eltern kamen zusammen, um eine gemeinsame
Bestandsaufnahme durchzuführen. Dabei geht es nicht um die
isolierte Betrachtung der religiösen Erziehung von Kindern und
Jugendlichen, sondern um den Gesamtzusammenhang, in dem die
religiöse Vermittlungsproblematik heute zu sehen ist. weil sie in die
allgemeine Tradierungskrise der modernen Gesellschaft eingebettet
ist.

Im Vorwort wird demgemäß darauf aufmerksam gemacht, daß seit
längerem in der Jugendforschung daraufhingewiesen werde, daß der
..Integrationsmechanismus", mit dessen Hilft die junge Generation
traditionellerweise in die Gesellschal) eingeführt werde, unter den
Bedingungen der heutigen Lcbenswelt nicht mehr reibungslos funktioniere
. Es könne nicht überraschen, daß in einer Situation, in der die
Weitergabe von grundlegenden Lcbcnscinslellungen und Werten insgesamt
nur unter Schwierigkeiten und mit Einschränkungen gelinge,
auch die Vermittlung des Glaubens und die Hinführung zu einem
christlichen Leben eine äußerst schwierige Aufgabe geworden sei
(S. 70.

Die Namen der Mitarbeiter bürgen für Qualität. Auf diese Weise ist
ein interessantes Dokument katholischer Religionspädagogik im
Blick auf die Tradicrungsfragen des Glaubens entstanden. J. J. Degenhardt
geht zunächst der Frage der Glaubensvermittlung im gesellschaftlichen
Kontext sowie der Krise der Tradition nach, um von
daher die Krise der Glaubensvermittlung sowie die Aufgaben der
Glaubenserneuerung herauszuarbeiten. - W. Kasper handelt aus der
Sicht des Dogmatikers über „Tradierung und Vermittlung als systematisch
-theologisches Problem". Dabei präzisiert er das Verhältnis
von Tradition und Interpretation sowie von Theologie und Anthropologie
. Als Ziel der Glaubensweitergabe arbeitet er den „persönlich
angeeigneten, persönlich verantworteten und auf die heutige Herausforderung
antworten könnenden Glauben" heraus (S. 50). - E. Feifei
legt mit seinem Beitrag über die „Tradicrung und Vermittlung des
Glaubens als katechetisches Problem" in dichter Form eine rcligions-
pädagogisch-systematische Grundlegung der Glaubcnsvennittlung
vor. Dabei geht es um das Grundmodell der Glaubensweitergabe, den
Zusammenhang von Glaubensgeschichte und Lebensgeschichte, die
Frage der Symbolbildung im Blick auf die religiösen Erziehungsprozesse
und die Anthropogenese. die Rituale und die Sprache in
ihrer Bedeutung für die Glaubensgeschichtc und als Zugang zum
Glauben, die Relevanz der Vorbilder für das Lernen des Christseins
sowie das gemeinsame Glauben und Leben-Lernen zwischen den
Generationen. Die Brennpunkte der gegenwärtigen religionspädagogischen
Diskussion werden hier auf den Begriff gebracht.

D. Mieth legt unter dem Thema „Tradierungsproblcme christlicher
Ethik" eine Motivationsanalyse der Distanz von Glaube und Kirche
vor. indem er nach dem Zusammenhang von Kontinuität und Wandel
fragt und die Tradierungsproblemc in der kirchlichen Moraldoktrin
anhand von Geburtenregelung und Sexualethik verdeutlicht. Er
schlägt statt herkömmlicher Moraldoktrin eine ethische Unterweisung
vor. - N. Mette arbeitet im Blick auf die „Kirchlichen Strukturen