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Ausgabe:

1988

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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385 Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 5 386

pnnt erst dort, wo Menschen Kriterien entwickeln wollen, mit denen ins Amt nur als krisenhaft zu erwarten" ist. also Einstcllungs- und

man feststellen kann, wie ernst es einem Menschen mit der Lebens- Verhaltensänderungen gerade in diesem Zeitraum wahrscheinlich

Übergabe ist und wie die Übergabe aussehen muH, damit sie vollwertig sind (5), ist die erste Wiederholungsliefragung in der zweiten Hallte

ist. Das Zungenreden zum Beispiel ist als ein solches Kriterium des Jahres 1977 erfolgt, nachdem die ehemaligen Vikare mindestens

ungeeignet, weil es eine Gabe unter anderen ist. auch im Neuen Testa- ein Jahr Pfarrtätigkeit absolviert hatten.

ment. Dies ist in der im Buche erwähnten DDR-Erklärung des Gna- Przybylski hat diesem empirischen Teil nicht nur einen Zeitdauer
Gemeinschaftswerkes und des Arbeitskreises für geistliche Ge- geschichtlichen Rückblick vorangestellt (95IT), sondern auch zwei
meindeerneuerung von 1981 festgehalten als eine gemeinsame Er- ausführliche Kapitel, in denen es um ..Religion als Ensemble kumula-
kenntnis (10.3). Trotzdem gibt es auch in der DDR immer wieder tiver und nicht-kumulativer Prozeßstrukturen" (I 3IT) sowie um „Re-
Gruppen oder vielmehr von der charismatischen Bewegung erfaßte ligion als Beruf in der spätkapitalistischen Gesellschaft" (5811) geht.
Pfarrer und Mitarbeiter, vor allem Jugendmitarbeiter, die das Zungen- Die erste Überschrift läßt erkennen, daß diese religionstheoretischen
reden zu dem Erweis des Heiligen Geistes machen wollen und so Ge- Überlegungen vor allem von Lefcbvres Theorie der kumulativen und
"leindeglieder zum Zungenreden nötigen. nicht-kumulativen Prozesse bestimmt sind (2811). An diesem Punkt
4, Trotz aller emotionalen Akzente (die sonst vorallcm in derevan- liegt für mich auch das entscheidende, weil durchaus weiterführende
gelischen Kirche viel zu kurz kommen) geht es immer wieder um Verdienst dieser Arbeit, indem sie nämlich die praktische Theologie
inhaltliche Fragen, um das Verständnis des Kreuzes, der Auferste- zur gesellschaftlichen Reflexion des kirchlichen und pastoralen Han-
hung, Jcr Person Jesu überhaupt, um das Verständnis des Heiligen delns herausfordert. Angesichts der wachsenden Ausdehnung kufflU-
Gcistes vor allem. So droht auch die charismatische Bewegung wieder lativer Strukturen wie Technik, Wissen, Verwaltung entsteht ..ein un-
'u einer dogmatischen Kirche zu werden, die sie eigentlich bekämpft. geheurer Erwartungsdruek hinsichtlich der nicht-kumulativen Pro-
ßarniherzigkeit setzt aber Offenheit voraus und die Bereitschaft, ein- zeßstrukturen, welcher notwendig eine Überlastung dieses Bereiches
ander so zu tragen, wie man ist, auch wenn das ein „Kreuz" bedeutet - zur Folge hat" (71); und der Pfarrer gerät in die Gefahr. ..zum großen
und sehr oft besteht das Kreuz eben nicht im Ertragen von Irrlehre, Synthetiker. zum libidinös besetzten 'missing link' aller Zerrissen-
sondern im Ertragen vom Anderssein des anderen. Das ist in der Ge- heit und Widcrsprüchlichkcit" zu werden (51).

schichte der Kirche eine ständige Gefahr aller Erneuerungsbewegun- Eine nahtlose Verknüpfung zwischen dem theoretischen und dem

gen gewesen. Wer sich selber in der Nachfolge Jesu sieht, muß in der empirischen Teil ist der Arbeit nicht gelungen, weil die Münsteraner

Gemeinde Platz haben - wie in der Gemeinde Jesu diejenigen Platz Befragung auf anderen soziologischen Voraussetzungen aufgebaut

Schabt haben, die ihn nicht kannten und ihn doch besucht, gespeist. hat. Dennoch bringt sie auch in empirischer Hinsicht eine Fülle von

Betränkt haben (Mt 25,31 ff). Wie der Sohn Platz, hat, der „nein" sagt aufschlußreichen Einzelergebnisscn, die der Vf. anhand von drei

und dann doch tut. was der Vater sagt (Mt 21,28ff)! Wie zur Familie neuen Einstellungsskalen ermittelt hat: „Kritische Distanz gegenüber

Gottesgehört, wer „Gottes Willen tut" (Mk 3,35)! christlich-dogmatischer Frömmigkeit". „Kritische Distanz zum

Es ist schade, daß der Vf. nicht wenigstens eines der Zentren in der Theologiestudium und zur Theologie", „Kritische Distanz zur Kir-

L>DR beschrieben hat. Er hätte hier negatives und positives Material che und deren Rolle in der Gesellschaft" (1690. Das Fazit lautet:

für sein Thema finden können. Von den erwähnten Zentren ist es dem „Unter den Bedingungen pfarramtliehen Handelns kommt es zu einer

Schniewindhaus bisher geschenkt worden, daß bei einer ganz gepräg- stärkeren Wertschätzung der nicht-kumulativen Programmatik

ten- „Lebensübergabe" der zu diesem Hause gehörenden Schwestern. christlicher Religion und deren institutionellen Formen" (230). wo-

die einen ebenso geprägten Stil ihrer Frömmigkeit, ihrer Lieder, ihrer von vor allem die Einschätzung der Seelsorge profitiert: „Eindeutig in

Gebetssprache, ihrer Rundbriefe mit sich gebracht hat, eine barmher- positiver Richtung entwickelt sich das Verhältnis zum Arbeitsbereich

Z|ge Offenheit alle Arbeit in diesem Hause auszeichnet. Jeder ist will- .Scclsorge'. Diese nicht-kumulative Prozeßstruktur ist unseres Erach-

kommen, jeder darf seine Sprache sprechen, seine Frömmigkeit üben. tens das entscheidende Handlungsfeld, über welches sich für viele in

Der Heilige Geist hat viele Gestalten. Hätte er nur eine, wäre wohl der Praxis die Sozialisation zum Pfarrer vollzieht, da hierdic Möglich-

Kirche eindeutiger, klarer -aber auch ärmer. keiten, Arbeitsqualifikation und Persönlichkeit gleichermaßen um-

„.,.,,, .. fassend zu realisieren, mit am größten sind" (233). Insgesamt läßt sich

'-»tau Dietrich Mendt . " i

auch eine stärkere Affirmation gegenüber christlich-dogmatischer

Frömmigkeit und traditioneller Theologie bei gleichzeitig durchge-

ij haltcner Kirchenkritik konstatieren (180). Im Blick auf den Pfarrer-

r'yoylski. Hartmut: Von der Studentcnbcweeung ins Gemeinde- , ... ., ... ,. ,___ . , .

„r, ' . . . . , , , .. , . ,. _ . bcrul kommt es zu einer allmählichen, aber immer noch gespaltenen

Piarramt. Eine historisch-empirische Langsschnittstudie zur Sozia- .

tu,,- i- u tu i n.Z> r__.<■.,., D Akzeptanz, wozu vor allem der Abbau bestimmter Negativ-Erwar-

"sution evangelischer Theologen im Beruf Frankfurt/M.-Bern- K ^

New York: Lang 1985. XIII, 461 S. 8- = Europäische Hochschul- tunßen durch d,c Erfahrung in der Gemeinde-Praxis beiträgt

Schriften. Reihe XXII: Soziologie, Bd. 100. Kart, sfr 76.-. (205IT).

Auch wenn der Zeitpunkt der Befragungen teilweise schon ein Jährte
Pfarrer und Pfarrerinnen, die ihr Studium in der Zeit und unter zehnt zurückliegt, liefert das Buch von Przybylski einen wichtigen
dem Einfluß der Studentenbewegung in der BRD absolviert haben, Beitrag für das praktisch-theologisch und pastoraltheologische Gebilden
aus mehreren Gründen eine aufschlußreiche Pastorengencra- spräch: als kirchensoziologische Arbeit mit religionssoziologischem
,lon. Sie haben ihre theologische Sozialisation in Jahren eines politi- Horizont, als Studie über den Integrationsprozeß einer kritischen Gesehen
Umbruchs erfahren, sie waren von den Zielen der Kirchenre- neration in die kirchliche Institution, als Aufforderung an Theologie
form bewegt, sie haben die Ansätze von theologischen Konzepten er- und Kirche, ihre Stellung in der Gesellschaft kritisch zu reflektieren.

'ebt. die sich um die gesellschaftliche Reflexion ebenso bemüht haben „.. . .

Wj„,__,. , . , . .... , , , Ciottingcn ManfredJosuttis

™'e um die Integration humanwissenschaftlicher Methoden.

C*ie Arbeit von Przybylski geht der Frage nach, ob und wie sich die

grundlegenden politischen, theologischen und religiösen Einstellungs- Rat/mann. Wolfgang: Vertrauen und Vertrauensbildung. Zum aktuellen

b'öekc dieser Population auf dem Weg ins Pfarramt durchgehalten ^cspriich über Gemeinde und Gemeindeaufbau (Die Christenlehre 40, 1987.

bzw. verändert haben. In ihrem empirischen Teil folgt sie dabei der _ ... . , . , ...

M;-, ., , „,...,, „ ,• • j Schneider. Michael: Das neue Leben. Geistliche Erfahrungen und Wegwci-

^unsteraner Pfarrer-Untersuchung (W. Marhold u. a„ Rel.g.on und sung Frciburg_Basel_w,cn: HmJer ,9g7 279 s 8- Karl DM UJgQ

"ur, 2 Bände. Stuttgart 1977). indem sie zum Te.l deren Befragungs- schßnherr. Albrccht: Die Rcligionskritik Dietrich BonhocfTcrs in ihrer

"Strumente und vor allem die damalige Kontrollgruppe der Vikare Bedeutung für das Christsein in der sozialistischen Gesellschaft der Deutschen

a's Zielgruppe übernommen hat. Weil „der Übergang vom Vikariat Demokratischen Republik (ZdZ 41. 1987,157-165).