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1988

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung I 1 3. Jahrgang 1988 Nr. 5

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nicht wirklich beantwortet, ja den Zweifel, ob sie überhaupt beantwortet
werden könne.

K. Surin geht jedoch mit frischem Elan (nicht so sehr an die neuerliche
Beantwortung, sondern) an die zusammenfassende Darstellung
von Antworten, die in der Gegenwart diskutiert werden. Da solche
Antworten traditionell unter dem Titel „Theodizee" laufen, gewinnen
wir in diesem Buch einen Überblick über die Argumente zur
Theodizee.

Der Wert des Buches besteht darin, daß der Autor auch jenen Argumenten
große Aufmerksamkeit und Genauigkeit der Darstellung
schenkt, deren Absicht er unter dem Titel ..Theodizee mit theoretischer
Betonung" letztlich ablehnt. Es handelt sich dabei um die Konzepte
von A. Plantinga (Theodizee zur Verteidigung des freien
Willens). R. Swinburne (Theodizee aus „naturgesetzlicher" Sicht:
d. h. aus der Auffassung, daß das Böse mit der natürlichen Endlichkeit
und Unvollkommenheit des Menschen auftrete). C. Hartshorne (Pro-
zeß-Theodizee: das Böse wird als Scheinproblem entlarvt) und .1. Uick
(„seelenbildende" Theodizee: das Böse habe den Sinn, die Seelen durch
einen Lernprozeß des Leidens zu Gott zu führen). Frühere Versuche zur
Theodizee v on Irenaus. Augustinus u. a. werden erwähnt, nicht jedoch
der v on G. W. Leibniz. Erfinder des Begriffes „Theodizee".

Wofür der Autor eintritt, ist die „Theodizee mit praktischer
Betonung". Unter diesem Titel referiert er einschlägige Gedanken von
D. Solle. .1. Möllmann und P. T. Forsyth, die er deshalb würdigt, weil
sie den Weg der .Aullösung der Theodizee in die Theologia crucis gegangen
sind. Der Autor beschreitet denselben Weg und kommt zur
Ansicht, Theodizee sei überflüssig(S. 142).

Diese Ausführungen entgehen nicht dem Dilemma aller jener, die
die Praxis gegen die Theorie ausspielen. Zugespitzt formuliert: Entweder
die Argumente sind theoretisch (wie bei Argumenten in
Büchern nicht anders möglich), dann ist die Theorie nicht widerlegt:
öderes werden keine Argumente vorgebracht, dann ist nichts widerlegt
und nichts bewiesen. Es muß also eine theoretische Seite im
praxisbezogenen Argumentieren u. U. angenommen werden. So
könnte z. B. eine moderne Theodizee den praktischen Sinn haben,
trotz aller militärischer Bedrohungen und ökologischer Horrorvisionen
ein Geschichtshandeln Gottes zu erkennen oder mindestens
begründet zu postulieren, um wieder fähig zum Glauben und I landein
zu werden. Beschreibungen von Greueltaten und Leiden in Auschwitz
, w ie sie K. Surin mehrfach einfügt, führen als solche zu keinerlei
praktischer Überwindung des Bösen. Die Theologia crucis wiederum
als Konzept (dem sich der Autor mit Aufmerksamkeit zuwendet)
kennt mehr theoretische Argumente als K. Suriii entfaltet, und kann
auch als eine Form von Theodizee gelesen werden. Die einfache
Erzählung vom Hcilshandeln des leidenden Gottes ist zwar wichtig
und notwendig, aber solch narrative Theologie findet bekanntlich
nicht nur gläubige Zustimmung, sondern auch ungläubiges Kopfschütteln
. Angesichts dieses Kopfschütteins braucht sich der Theologe
weder anmaßen, das Problem des Bösen gelöst und den Glauben
unwiderlegbar gemacht zu haben, noch braucht er sich jedoch darauf
zu beschränken. ..Leiden ernst zu nehmen" (so die Überschrift des
vorletzten Kapitels).

Wien MaxJ.Suda

Bayer. Oswald: Unangcpaßte Wissenschati. /um Verhältnis von Glaube und
Wissen (F.K 20. 1987,384-389).

Kbcling Gerhard: Au-dclä de la Reforme'.' A propos de la critique de Luther
ehe/ Karl Harth (RThl'h I 19. |yS7.2XI-.t(ll).

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(irand Rapids, MI: Ferdmans im. V.2I2 S. X . Karl, t 8.10.

Härle. Wilfried: Auseinandersetzung mit dem naturwissenschaftlich-technischen
Forlschritt aus der Sicht der Theologie (NZSTh 29.1987. 195-209).

Iluovinen. Eero: Karl Harth und die MystiMKuD .14. I9XX. 11-21).

Kremer. Jacob: Mythos, Wissenschan und Bibel (St/ 1 12. 19X7. 195-204).

Michel. Karl-Hein/: Geschichte und Wahrheil. Von den Voraussetzungen
der Schriftauslegung (Theologische Beiträge IX. 19X7. I20-IJ2).

Möllmann, Jürgen: f ür eine ökologische Reformation {F K 21. 19XX.
35-38).

Padberg, tut/ von: New Age und Feminismus. Die neue Spiritualität. Aßlar:
Schulte + Cicrlh 1987. 186 S. kl. X = Zeit-Spiegel.

PannenberK. Wolfhart: Rationale Welldcutung genügt nicht. Die Funktion
des Mvlhos und der christliche Glaube (LM 26. 1987. 509-514).

Rendtcirff. Trutz: Die Vernunft der Religion. Pöstmoderne Ansichten über
modernesC'hristenlum(EK 20. 19X7.251-254).

Sülle. Dorolhee: Der Beitrag Paul Tillichs zu einer Theologie der Befreiung
innerhalb der Ersten Welt (J K 4X. 1987.404-414).

\ achstum und Gerechtigkeit (Themenheft: Glau.be und Lernen 2, 1987. Heft
2): Gerechtes Wachstum (G. Sauter) (98-106)- Wachstum und Gerechtigkeit
(H. Ct. Ulrich) (114-125) - Wachstum und Gerechtigkeit im weisheitliehen
Weltordnungsdenken und in den Parabeln Jesu (W. Pöhlmann) (125-135) -
Zur kirchlichen Wertschätzung von Frwerbs-MentaIitiit. Die „Weber-
Troeltsch-Theorie" auf dem Hintergrund eines akzeptierten Kapitalismus im
Spälmiltelalter ((>. Besier) (1.16-146) - Funktionsweisen der Marktwirtschaft -
ein Überblick (.I.Hanns) (147-157) - ..Wirtschalt" im Religionsunterricht
(K. F. Haag)(l5X-l66).

\ eder. 1 lans: I Acgcsc und Dogmalik. Überlegungen zur Bedeutung der Dog-
matik für die Arbeil des Exegelen (ZThK X4. 19X7. 137-161).

Systematische Theologie: Dogmatik

Maas. Frans: God mee-maken in mcnscntaal. Over de draagkracht
van ervaring in geloofen theologic. I u. 2. Tilburg: Tilburg Univcr-
sity Press 1986. XIX. 688 S. gr. 8

Im allgemeinen zielen theologische Bemühungen darauf, die Vergangenheit
in die Gegenwart und die I heorie in die Praxis zu vermitteln
. Es wird jeweils eine Differenz vorausgesetzt, die zu überwinden
ist. um Erfahrung zu ermöglichen.

Die vorliegende Arbeit über „Gott erfahren (mil-machen) in Mcn-
schensprachc" geht aus von der Frage nach der ..Tragkraft von Erfahrung
in (ilaube und Theologic". Damit wird genau umgekehrt die
Frage nach dem Primat der Sache, nach ..Gott und seinem Heil" gestellt
, wo die Gefähr besteht, daß in der rein menschlich bestimmten
Erfährung das „göttliche Gegenüber" ununterscheidbar aufgelöst wird.

Diese Fragestellung hat ihren praktischen Hintergrund in der Pastoralen
Tätigkeit des aus Belgien stammenden Vf. Durch Jahre hindurch
war er im ..religiösen Besinnungswerk" tälig. in dem er vor
allem zwei Arbeitsmethoden entwickelt und angewendet hat. die sog.
„Gebetspraktika" sowie die ..mystische Textlesung". Mit den Gebetspraktika
wurde versucht, die Form der klassischen Retraite mit dem
„Wachstumsgruppcnmodcll" (groei-groep-modcl) zu verbinden und
so aus der eigenen Lebenserfahrung einen Zugang zu Spiritualität und
religiöser Erfahrung zu suchen. Mystische Textlesung schließt sich an
Meister Eckehart an. von dessen Predigten Vf. eine Auswahl mit
Kommentar unter dem Titel ..Von Gott halten wie von niemand"
veröffentlicht hat.

„Offenbarung durch Erfahrung" war das Konzept, bei dem sich
aber nun nicht im Scheitern, sondern im Erfolg die Frage nach der
theologischen Legitimität stellte. Es stellte sich mit großem Nachdruck
die Frage, „ob die eigene Erfahrung als Fund- und Wachstums-
orl der Religiosität der Besonderheit des .göttlichen Gegenüber'
gerecht werden kann". Wenn Erfahrung etwas durch und durch
Menschliches ist. wird dann nicht dadurch der Primat der Sache aufgehoben
und damit die Initiative der göttlichen Wirklichkeit? I s isl
wichtig, diesen Zielpunkt im Blick zu behalten, um sieh nicht in den
weitausgreifenden, umfangreiches Material referierenden Ausführungen
zu verlieren.

Als Dissertation hat die Arbeit - offenbar aber nur in ihrem 3. Teil -
der Katholischen Universität Nijmegen vorgelegen. Promotor war
I dward Schillebecckx O. p.. an den sich Vf. auch in wesentlichen
Punkten anschließt. Neben Meister Eckehart ist auch Thomas von
Atjuin aus der reichen Vielseitigkeit dominikanischer Theologie vertreten
.