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Ausgabe:

1988

Spalte:

362-363

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Philippus Cancellarius, Philippi Cancellarii Parisiensis Summa de bono 1988

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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361 Theologische Literatlirzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 5 362

kungen und Register beschließen den Band, der weit über den gebotenen
Text hinaus die verschiedenen Probleme um den Bischof Hilarius
von Poitiers aufgearbeitet hat.

Rostock CJert Huundlcr

Kirchengeschichte: Mittelalter

kästen. Brigitte: Adalhard von Corbie. Die Biographie eines karolin-
gischen Politikers und Klostervorstehers. Düsseldorf: Droste 1986.
227 S. 8" = Studia humaniora. 3. Kart. DM 68.-.

Die Diss. phil. folgt der Vita Adalhardi. die Paschasius Radbcrlus
gleich nach Adalhards Tod 826 verfaßt hat: sie ist eine Leichenklage
und Troslschrifl. zugleich auch „ein verpflichtendes Vermächtnis für
die Klöster Corbie und Corvey und allgemein für die Nachwelt" (II).
Adalhard. ein Vetter Karlsd. Gr., trat vielleicht schon 771 ..als politisch
handelnde Persönlichkeit unter den Großen des Reiches hervor"
(15). Kur/ danach trat er in das Kloster C orbie ein. weil er die Versto-
ßung der Gemahlin Karls und dessen neue Heirat nicht billigte. Er
war ..der einzige Adelige, von dessen Ansicht zu Karls antilangobardi-
Rher Politik man sichere Kenntnis hat. Die Konsequenz seiner Haltung
war ein radikaler Rückzug aus der weltlichen Politik. Die Frage.
°b Adalhard den Schritt ins Kloster freiwillig vollzogen hat oder dorthin
von Karl abgeschoben wurde, mirß ollen bleiben" (35). Paschasius
Padbertus berichtet. Adalhard habe im Kloster Gartenarbeit geleistet,
eine ..niedere, adeligen Mönchen unangemessene Tätigkeil" (38).
Adalhard ging nach Monte Cassino und wurde 774 nach dem An-
»Chluß des Langobardenreiches ..ins Frankenreich zurückgebracht"
,4I>. Lim 780/781 wurde er Abt in Corbie und kehrte in die Politik
zurück. Karl setzte ihn in Italien ein und berief ihn dann an seinen
Hof (4811"). Alkuin fragte 799 bei Adalhard nach: Papst Leo III. war
a's Flüchtling zu Karl gekommen (52). Auf die Sachsenpolitik hatte
A<Jalhard Einfluß (5711"). 809 war er auf der Synode zu Aachen, die die
Formel „lilioque" als Teil des Glaubensbekenntnisses unterstrich
<61f). 810 vertraute Karl ..die Regentschaft über das Langobarden-
reich wiederum Adalhard an" (69). 814 war er beim Papst, wohl um
ihm die Kaiserkrönung Ludwigs in Aachen ohne päpstliche Mit-
w'rkung8l 3 zu erklären (72). Die Schrill „De ordine palatii" dürfte in
Italien entstanden sein, entweder nach 781 beim ersten oder nach 810
"cirn zweiten Italienaufenlhalt (79). Die Schrift ist kein Fürslcnspie-
yel. sie will nur einen jungen Fürsten über bestehende Ordnungen
"formieren.

Der Regierungsantritt Ludwigs d. Fr. 814 brachte für Adalhard die
Verbannung in das Kloster Noirmouticr (85). Es gab Spannungen zu
Benedikt von Aniane. dem von Ludwig bevorzugten Klosterrefornier
'^3ff). Adalhard fand sich jedoch in seinem neuen Kloster rasch zu-
fecht (10611"). Nach Benedikts Tod kehrte er 822 nach Corbie zurück.
Die St atula scu Brcvia Adalhardi sind „eine einzigartige Quelle für die
"Herne Organisation der Wirtschaft eines hochkarolingischen Klo-
sters" (Iis|T). /Um Kloster C orbie gehörten rund 560 Personen,
davon 350 Mönche: es war ein „blühendes Wirtsehaftszcntrum"
'■37). Adalhards „Capitula de admonitionibus in eongregatione"
könnten sein „Beitrag zur benediktinisehen Reformbewegung gewesen
" sein (139). Vermutlich war Adalhard neben Benedikt ein
••Vertreter einer anders gelagerten Strömung innerhalb der viele
Bereiche des kirchlichen Lebens erfassenden Reformbewegung der
ll()ehkarolingischen Zeit" (142). Die Mitteilung der Vita Adalhardi.
•"CSer habe sich in Sachsen unter den kaiserlichen Gütern einen Ort
das neue Kloster Corvey auswählen dürfen, wird genauer rekon-
struiert (14811"). Auch das erste sächsische Frauenkloster steht in Verödung
mit Adalhards Wirken. Adalhard starb 826. schon bald bc-
S;uin seine kultische Verehrung (1681"). Fr war „das einzige Familienmitglied
der Karolinger, der unter der Herrschaft Karlsd. Gr. als
Geistlicher und Politiker eine herausragende Rolle spielte" (I 75). Ein
Exkurs untersucht genealogische Fragen, ohne zu sicheren Ergebnissen
zu führen (176-206). Das Buch hat den Stand der Forschung
gründlich aufgearbeitet und bietet interessante Einblicke in die Kirche
zur Zeit der Karolinger sowie die Lebensweise eines führenden Klosters
jener Zeit.

Rostock Gert Haendler

Philippus [CanceUarius]: Summa de bono. ad fldem codicum primum
edita studio et cura N. Wieki. Pars I et 2. Bern: Francke 1985.
136* S„ 1211 S. gr. 8* = Corpus Philosophorum Mcdii Aevi. Opera
Philosophien Mediae Aetatis Sclecta. II. Lvv. sfr 340.-.

N. Wicki legt - nach Vorarbeiten von H. Meylan - eine Edition der
sog. „Summa de bono" des Philippus CanceUarius (der von Philippus
de Greva. mit dem er seit dem 16. Jh. verwechselt wurde, zu unterscheiden
ist) mit ausführlicher Einleitung vor. Dieser, der Sohn des
Pariser Archidiakonus Philippus, etwa zwischen 1165 und 1185
geboren, begegnet zunächst als Archidiakonus in Noyon (1211). Ein
päpstlicher Dispens von 1217 entlastete ihn von seiner Herkunft, und
noch im gleichen Jahr erhielt er die Stelle des Kanzlers von Notre-
Dame in Paris, mit der die Aufsicht über die Universität verbunden
war, was ihn in die schweren Auseinandersetzungen dieser Jahre verwickelte
. Unter Philipp erhielten die Bettelorden ihre ersten Lehrstühle
. Er selbst war wohl schon bei seiner Erhebung theologischer
Magister, von ihm sind außer der Summe vor allem etwa 400 Predigten
und weitere Predigtmaterialien (Distinctiones super Psalterium)
erhalten. Philipp war auch einer der besten lateinischen und französischen
Dichter des 13. Jh. 1236 ist er gestorben.

Das - wie W. zeigt - um 1225-1228 entstandene, in Quaestiohen
verfaßte Werk stellt eine theologische Summe dar. bei der jedoch der
Begriff des Guten leitendes Prinzip ist (was die moderne Bezeichnung
„Summa de bono" rechtfertigt), was auch das Fehlen einiger klassischer
Loci bedingt (Theologie im engeren Sinne. Christologie. de
saeramentis. de novissimis) und dem Werk eher den Charakter einer
Moraltheologie verleiht. Dem Einsatz mit „ens. bonum. verum con-
vertuntur" folgt eine Schöpfungslehre (de bono naturae: Welt. Engel.
Mensch) und eine Gnadenlehrc (de bono graliae). die in eine umfangreiche
Behandlung der sieben Kardinaltugendcn ausläuft, die etwa die
Hälfte des gesamten Werkes ausmacht. Das Werk schließt mit einer
Betrachtung der sieben Ciaben des Hl. Geistes.

Die Summa ist in 13 Handschriften (und einigen Fragmenten) erhalten
, die noch dem I 3. Jh. angehören. W. hat sie alle in der Ausgabe
berücksichtigt. Durch Alter und Güte ragt der Padovanus. Bibl.
Antoniana 156. um 1235-1245, hervor, der dem Pariser Magister und
Kanoniker Johannes Niger gehörte, der ihn bei seinem Tode (nach
1249) Notre-Dame vermachte. Fr steht dem Archetyp sehr nahe. Ihm
treten Fragmente in Douai. Bibl. munic. 434 I. zurScite.

Unter den reichlich benutzten Quellen der Patristik. der Antike und
der jüngeren Zeit ragen Augustin. Aristoteles, die Glossen und Petrus
Lombardus hervor. Die Abhängigkeit von Augustin weist Philipp,
neben den Zitaten aus den Autoren des 12. Jh.. als in der Tradition
dieses Jh. stehend aus. Philipp gehört aber auch zu den ersten, die in
großem Maße das aristotelische Saehschrifttum herangezogen haben,
vor allem natürlich die Nikomachische Ethik und De anima. Es ist
reizvoll zu sehen, wie augustinische Aussagen mit Hilfe des gesamten
aristotelischen ßegrillsapparates durchdiskutiert werden. Auch auf
die Araber kommt Philipp zurück. In der später gegen die Averroisten
viel verhandelten Frage Utrum mundus aeternus (qu. .3 de bono naturae
in Communi)argumentiert Philipp echt augUStinisch gegen Aristoteles
, mundum esse perpetuum et non aeternum (S. 49),

Philipps Summe ist besonders in der franziskanischen Theologie,
aber auch bei Albertus Magnus und Ulrich von Straßburg wirksam