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1988

Kategorie:

Neues Testament

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Neuerscheinungen

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357 Theologische Litcraturzcitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 5 358

zeichen menschlicher Gehässigkeit wurde, als die Kirche des Hoch-
mittelalters die Juden zwang, als angebliche Brudermörder C hristi
einen absondernden Judenfleck an der Kleidung zu tragen, wird
gezeigt, daß Hitler den gelben Judenstern nicht erfunden, sondern faktisch
von der Kirche als Plagiat übernommen habe (S. 64).

In der griechischen Übersetzung vom ungerechten Haushaltcr
(Lk 16.1-9) lobt Jesus den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt
hatte (V. 8), also den Betrüger und Urkundcnfälschcr zu Lasten
seines Herrn. Nach Lapide ergibt sich aber bei der Rückübersetzung
ins Hebräische des 1. Jh. ein gegenteiliger Sinn, weil das betr. Verb
nicht nur segnen und loben, sondern auch verfluchen und absagen,
sowie das Adjektiv nicht nur klug und verständig, sondern auch listig
und hinterlistig bedeuten könne, so daß der zitierte V. 8 seinem
eigentlichen Sinn nach zu übersetzen sei: Und der Herr verdammte
den betrügerischen Verwalter, weil er hinterlistig gehandelt habe. - Im
Gleichnis vom guten und bösen Knecht (Mt 24.51) werde der Herr
den Knecht nicht entzweihauen und ihm seinen Anteil bei den
Heuchlern geben, sondern: Er wird beschließen (zweite Bedeutung des
hebräischen Wortes Gasar), ihm seinen Anteil bei den Heuchlern zu
geben. - Nach Lapide fand die Salbung in Bethanien nicht im Hause
Simons, des Aussätzigen, statt (bei Markus und Matthäus), sondern
IIB Hause Simons, des Esseners (Vcrschreibung im Hebräischen aus
ha-Zanua zu ha-Zarua).

An vielen Beispielen weist er nach, wie in den neutestamentlichen
Evangelien entgegen der historischen Wahrheit eine systematische
Entpolitisicrung Jesu und seiner Anhänger erfolgt, besonders in der
Passionsgcschichtc (z. B. Barabbas und die beiden Mitgekreuzigten
Jesu nicht kriminelle Verbrecher, sondern politische Aufrührer gegen
die römische Fremdherrschaft, also verleumdete Märtyrer).

E^war das Anliegen des Vf.. mit allen Mitteln der Sprachkunde, der
historischen Akribie und der Bibclwissenschaften hinter den griechi-
KSnen Evangelientexl vorzudringen, um dem ältesten Bericht der Erst-
Jüngcr Jesu möglichst nahezukommen. Er macht sich keine Illusion
dergestalt, daß es noch möglich sein könnte. Jesus aus den Geröllhalden
dessen herauszubaggern, was über ihn gesprochen und geschrieben
wurde und ihn aus dem Schwemmsand der erbaulichen
Sprache der Nachgeborenen herauszuziehen. Er wolle lediglich den
Dienst einer beginnenden Schultabräumung spätgriechischer Überkrustung
leisten, um ein Stück des Weges zurück zum Nazarencr freizulegen
(S. 133). Er beabsichtige auch nicht, die an ChristusGlaubcn-
den zu verunsichern, sondern ihnen Hilfe /u bieten zur Rückkehr zu
dem Glauben, wie ihn Jesus gepredigt habe.

Für den christlichen Fachtheologen sind die Erkenntnisse des Vf.
zwar kaum neu. und manche Einzelthese wird auch Widerspruch auslösen
, aber ein Laienchrist wird bei der Lektüre vieles neu sehen und
erkennen lernen. Es bleibt aber folgendes Problem für den Rez.: Das
Ernstnehmen des Jude-Seins Jesu gehört zwar zu den Grundcrforder-
nissen eines jüdisch-christlichen Dialogs, kann dies aber wirklich
auch zu einer konstitutiven Komponente der C'hristologic werden.
wic es der Vf. fordert, ohne daß dadurch christliche Identität überhaupt
preisgegeben wird? Unlösbarer Bestandteil christlicher Identität
sind nicht nur Gestalt und Lehre Jesu, sondern auch die Reflexionen
über deren Bedeutsamkeit sowohl in den Evangelien als auch in
den Briefen des Paulus. Kann es für C hristen eine Jesuologie ohne
V hristologic (S. 144) überhaupt geben? Wie sehr dem Vf. aber Paulus
insgesamt quer liegt, zeigt er nicht nur bei seiner berechtigten Kritik
an der Zilicrwcisc des Paulus von altteslamcntlichcn Stellen (S. 1070-
sondern auch daran, daß er über ihn unter Berufung auf einen katholischen
Ncuteslamcntlcr nur abschließend zu sagen weiß: Ein heutiger
Exeget wäre wissenschaftlich und kirchlich erledigt, wenn er so wie
Paulus mit dem Alten Testament umzugehen wage. Die jeweilige
Frontstellung und Beweisabsicht in den paulinischen Briefen bei der
Benutzung alttestamentlicher Stellen kann aber nicht außer Betracht
bleiben.

Merlin Joachim Rohdc

White. John L.: Light from Ancient Letters. Philadelphia. PA:
Fortress Press 1986. XVill. 238 S. m. I 1 Abb. u. 3 Ktn gr. 8' =
Foundationsand Faccts: New Testament.

Dieser Band stellt übersichtlich Vergleichsmaterial zu neutestamentlichen
Texten (nicht nur Briefen!) aus der Welt der ägyptischen
nichtliterarischen Papyri der Zeit vom 3. vorchristl. bis zum 3. nach-
christl. Jh. zusammen. Die Einleitung (S. 3-20) macht mit den Prinzipien
der Auswahl bekannt, der Eigenart der edierten Dokumente
sowie den geographischen und politischen Gegebenheiten im Umkreis
ihrer Entstehung: schließlich werden unmittelbare Bezüge zum
Neuen Testament angedeutet.

Der Hauptteil (S. 23-186) bringt I 17 ausgewählte Briefe (die z. T.
weitere enthalten: unter Nr. I 16 ist POxy 1115 das [offenbar biblisch
beeinflußte] Formular eines Trostbriefes Proklos. De forma epist. 21
beigefügt, eine Übernahme von Deißmann, LvO). Sie sind instruktiv
eingeleitet und werden dann zeilengerecht im griechischen Wortlaut
geboten, dem eine englische Übersetzung und Anmerkungen zum
gricch. Text und seinem Verständnis beigegeben sind. Die Stücke sind
im wesentlichen chronologisch geordnet, öfters freilich sind mehrere
sachlich zusammengehörige auch zusammenhängend dargeboten
(vgl. Nr. 86-88 zu den Unruhen um die Juden in Alexandrien). Der
Hg. hat sich bemüht. Briefe der verschiedensten Art zusammenzustellen
. Tatsächlich entsteht ein lebendiges Bild des behandelten Bereichs
, trotz aller starken Begrenzung.

Ein längerer Anhang (Part II. S. 189-220) behandelt die Probleme
der antiken Epistolographie einschließlich der Fragen um Material.
Beförderung usw. Die Beispiele für das Formular der Briefe sowie die
charakteristischen Briefwendungen sind vornehmlich, aber nicht ausschließlich
den abgedruckten Texten entnommen. Hinsichtlich des
Neuen Testaments bleibt der Eindruck, daß die Briefe dort im wesentlichen
noch einmal einen ganz anderen Charakter haben.

Der erfreuliche Band endet mit einer Bibliographie und ausführlichen
Registern, ihm eingefügt sind eine Reihe instruktiver Abbildungen
(leider ist PMich I 29 [= Brief 20] aufS. I verkehrt herum wiedergegeben
).

T. H.

Burger. Rykle: NA* und die nculcstamcntlichc Textkritik (ThR 52. 1987.
1-58).

C'ullmann. Oscar: Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung der Toten?
Antwort des Neuen Testaments. Uhers. von F. Christ. Vom Autor durehges.
Neuausgabe. Stuttgart: Quell Verlag 1986. 72 S. 8 Kart. DM 9.80.

Haackcr. Klaus: Verwendung und Vermeidung des ApostclhegrilTs im luka-
nisehen WerkfNT 30.1988.9-38).

Hays. Riehard H.: Christolog and Llhics in Galatians: The Law of Christ
(CBQ 49. 1987.268-290).

Heister. Maria-Sybilla: Maria aus Nazarcth. Güttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1987. I 13 S. m. 5 Farbtaf. 8 Karl. DM 22.80.

Jens. Waller: Das A und das O. Die Offenbarung des Johannes. Stuttgart:
Radius-Verlag 1987.93 S. 8" = Radius Bücher. Pb. DM 12.-.

Kemper. Fried mar: Zur literarischen Gestalt des Johannesevangeliums
(ThZ 43.1987.247-264).

Knoch, Olto: I. und 2. Thcssaloniehcrbrief. Stuttgart: Katholisches Bibcl-
werk 1987. 91 S. 8" = Stuttgarter Kleiner Kommentar. Neues Testament.
12. Kart. DM 13.80.

Merk. Otto: Paulus-Forschung 1936-1985 (ThR 53. 1988. 1-81).

Mullat. Donatien: Zukunft und Gegenwart Die Apokalypse heute gelesen.
Aus dem Franz. übers, von C. Scharfenberg«!. Leipzig: St. Benno 19X6. 208 S.
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Müller. Paul-Gerhard: Wie sieh der Kanon des Neuen Testaments herausbildete
(BiKi 42. 1987. 152-157).

l'okorny. Petr: Kiistus a Dejiny. Praha: Kaiich 1987. 143 S. 8 = Studia ei
Text US. 8. Kart. KCS 24.-.

Sehnelle. Udo: Paulus und Johannes(EvTh 47. 1987.212-2:8).

Stegemann. Ekkehard W.: Aspekte neuerer Jesusforsehung (1 vErz 39. 1987.
10-27).