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Ausgabe:

1988

Spalte:

340-341

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Nielsen, Kjeld

Titel/Untertitel:

Incense in Ancient Israel 1988

Rezensent:

Waschke, Ernst-Joachim

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339

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 5

340

Altes Testament

Borati, Pictro, S. J.: Ristabilire la Giustizia. Procedure, vocabolario,
orientamenti. Rom: Biblical Institute Press 1986. 446 S. gr. 8" =
Analecta Biblica, I 10. Lire 45000.

Die von einem Schüler L. Alonso Schökels am Päpstlichen Bibelinstitut
erarbeitete Dissertation stellt eine wichtige Neuerscheinung
auf dem Gebiet der Untersuchung der Rechtspflege im alten Israel dar
und führt an verschiedenen Punkten über die bisher vorliegenden
Darstellungen' hinaus. Unter Verzicht auf eine Untersuchung der
Entwicklung der Rechtspflege (für die der Vf. die Quellen als nicht
ausreichend ansieht. 359; außerdem meint er, daß die Prozeduren
lange Zeit im wesentlichen unverändert geblieben seien, 13) bietet
Bovati einen synchronen (12) Gesamtüberblick über die in alttesta-
mentlicher Zeit üblichen Rechtsverfahren2 und vor allem die für ihre
einzelnen Schritte gebräuchliche Terminologie. Die Arbeit ist in
hohem Maße eine lexikalische Wortfelduntersuchung, wobei nicht
nur die hebräischen Begriffe selbst (mitsamt den häufigen Synonymen
) in ihrer Verwendung, sondern auch ihre, oft unterschiedliche
Funktionen bezeichnende syntaktische Verknüpfung in den Blick
kommt.

Neu ist nach Ansicht des Vf. in der Arbeit vor allem die Unterscheidung
, die er selbst als sein wichtigstes Ergebnis ansieht (360f; vgl.
16): zwischen den beiden voneinander grundsätzlich zu trennenden
Verfahren der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien
(rib) und dem eigentlichen Verfahren vor Gericht (miSpat).
Entsprechend ist die Gesamtgliedcrung: Im ersten Teil (Kap. 1-4,
19-148) wird der Rechtsstreit (ribj besprochen, im zweiten Teil
(Kap. 5-8, 149-357) das offizielle Gerichtsverfahren. Die Unter-
glicderung in Kapitel folgt dem Ablauf der Verfahren und bietet zu
jedem Schritt eine Übersicht der einschlägigen Terminologie.

Kap. 1 (27-50) behandelt den ,,Rechtsstreit im allgemeinen", insbesondere
Substantiv und Verbum rib/ryb . Hier geht es um eine
Auseinandersetzung zwischen zwei Kontrahenten: einem Beschuldiger
und einem Beschuldigten, einen Dialog, der grundsätzlich der
Wiederherstellung einer gestörten Beziehung dienen soll (2lf; vgl.
104IV). Wichtig (und neu) ist die Differenz in der Verwendung von ryb
als Rechtshandeln gegen jemanden Cell'imlbf Tel) und zugunsten
jemandes (ryb /'' und rib + suff.pron). Für beide Verwendungsweisen
werden anschließend unterschiedliche Synonyma aufgewiesen. Die
folgenden Kapitel besprechen die weiteren Schritte des Verfahrens:
Kap. 2 (51-77) die Anklage durch den Beschuldiger wegen eines
Vergehens („misfatto" - eine vom Vf. bewußt gewählte Bezeichnung,
vgl. 51. A. I). Kap. 3 (78-103) die Antwort des Beschuldigten - mit
den beiden Alternativen, daß dieser die Schuld zugibt (dazu gehören
die Gcständnisformcln. die Erklärung, daß der Beschuldiger im Recht
ist, die ..Gerichtsdoxologic") oder sich für unschuldig erklärt (das
kann auch in eine Gegcnanklage umschlagen). Kap. 4 (104-148) stellt
das wünschenswerte Ende eines Rechtsstreits (statt der möglichen
Ausgänge in der Unterwerfung unter einen Gerichtsentscheid, Vgl.
Teil II. oder durch Krieg, vgl. 104-106) unter das Stichwort ..Versöhnung
". Hier werden die Bitte um Vergebung und ihre Gewährung
und der Ausgang in Übereinstimmung, Frieden. Bund angesprochen.

In Teil II geht es in Kap. 5 um die Gerichtsverhandlung vor einem
Tribunal. Zunächst die Begriffe für ..Richter" und die Frage, wer als
Richter amtierte. Gegen Köhler wird die Ansicht vertreten, daß dazu
auch in der Torgerichtsbarkeit nicht jeder freie Bürger, sondern nur
Machtinhaber befugt waren (158. A. 16). Dann die Vokabeln für
..richten", für ..recht" und ..unrecht richten", die Bedeutungen von
miSpat (Prozeßverlähren, subjektives Recht. Urteil. Gesetz) u. a.
Kap. 6 (197-235) bespricht die vor der Verhandlung liegenden
Schritte des Verlährens und die dazugehörigen Begriffe. Kap. 7
(236-316) die eigentliche Verhandlung (Anklage. Verteidigung, das
Schweigen als prozessuales Moment). Kap. 8 (317-357) das Urteil
und seine Vollstreckung.

Wenn auch die meisten der behandelten Vorgänge nicht unbekannt
waren, werden sie, und die dazu gehörige Begrifflichkeit, hier in
bemerkenswerter Vollständigkeit vor Augen geführt. Schon dadurch
kann die Arbeit (besonders wenn sie noch ins Deutsche oder Englische
übersetzt würde) als Handbuch von großem Wert sein. Auch die einschlägige
Sekundärliteratur ist in erstaunlicher Vollständigkeit aufgelistet
, wenn auch selten im einzelnen diskutiert (vgl. I4).J

Über die eigene Position des Vf. wird vor allem dort zu sprechen
sein, wo er neue Gesichtspunkte einbringt. Die Unterscheidung
zwischen „rib im Bereich des außergerichtlichen Konflikts"' und dem
eigentlichen Gerichtsverfahren ist schon alt; neu ist der durch den Vf.
gebrachte Nachweis, daß der BegrifVbzw. das Verbum rib/ryb nur für
den ersten Bereich verwendet werde. Ob aber die beiden Bereiche so
streng getrennt werden können, wie es der Vf. behauptet, ist noch
nicht erwiesen. Die Formulierung von Boccker, wenn er von einer
„vorgerichtlichen" Phase spricht (dagegen Vf., 24), ist insofern doch
nicht ganz abwegig, als der Appell an das ordentliche Gericht als Ausgang
dieser Auseinandersetzung nicht eben selten gewesen sein dürfte.
Unklar ist aber auch, ob das Stadium, in dem ein dritter in den Dialog
zugunsten einer Partei eingreift (s. o.), nicht bereits den Übergang zu
einer forensischen Phase darstellt. Wer ist für eventuelle Sanktionen
bei einem rib zuständig?

Die hier sichtbar werdenden Unklarheiten hängen sicherlich mit
den Lücken unserer Kenntnisse über die institutionellen Voraussetzungen
der Rechtspflege im alten Israel zusammen. Wenn eine
Geschichte dieser Institutionen zu schreiben zu schwierig ist (s. o.)
und auch die Frage nach den für die Rechtspflege Zuständigen nicht so
einfach zu beantworten ist (u. E. wird Köhler zu schnell abgefertigt),
hängt das, was man über den Ablauf der Verlähren erfährt, teilweise
doch noch stark in der Luft.

Andererseits ist der Vf. bescheiden genug, seine Arbeit als einen
Versuch eines Beitrages zur Debatte zu bezeichnen (18). Sie ist ein
wertvoller Beitrag, vor allem wegen der umfassenden semasiolo-
gischen Untersuchungen, die das Wortfeld der juridischen Begriffe in
einer sehr beachtlichen Weise aufgehellt haben. Hier sind noch viele
Beobachtungen (z. B. zum Verständnis der Hiob-Dialoge) verborgen,
die in einer kurzen Rezension nicht im einzelnen erwähnt werden
können.

Bochum Henning Graf Reventlow

1 Vor allem: L. Köhler. Die hebräische Rcchtsgemcinde (1931), in: Der
hebräische Mensch. Tübingen 1953 (Nachdruck Darmttadt 1980).
S. 143-171;

H. J. Boccker. Redeformen des Rcchtslcbcns im Allen Testament. WMANT
14. Neukirchen 1964 (31970);

vgl. auch ders.. Recht und Gesetz im Allen Testament und im Allen Orient.
NStB 10. Neukirchen I976('l984).

1 Abgesehen vom sakralen Recht, das einer späteren Untersuchung vorbehalten
bleibt, vgl. I I.A. 8.

' So die artifizieUc Unterscheidung in der Umschrift.

4 Auflälligcrwcisc werden meist nur die Erstveröffentlichungen genannt, was
die Auswertung ersehwert.

' Cj. Licdke. An. ribstreiten: THAT II (771 -777). 772.

Nielsen. Kjeld: Inccnse in Ancienl Israel. Leiden: Brill 1986. XI.
147 S. m. Abb.. 1 Faltkte gr. 8' = Supplements lo Vctus Testamen-
tum.38. Lw. hll 38.-.

Die vorliegende Arbeit, die sich mit der Bedeutung und der Verwendung
des Weihrauchs im Alten Israel beschäftigt, verfolg) ein
doppeltes Ziel. Zum einen wird der Versuch unternommen, "to iden-
tify some ofthe inccnse substances which are mentioned in the ancient
sources to be dealt with here". und zum anderen hat sich Nielsen die
Aufgabe gestellt, "to analyse the various uses of inccnse. the idcas
which are connected with the odour and smoke in religious as well as
secular lifc". Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Einsicht.