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Ausgabe:

1988

Spalte:

305-306

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Baudler, Georg

Titel/Untertitel:

Jesus im Spiegel seiner Gleichnisse 1988

Rezensent:

Johannsen, Friedrich

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Seite 1

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I

305 Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 4 306

theologischer Hinsicht nicht allzuviel austrägt. Auch dies ist ein
For sc h u n gse rgc b n i s.

Würzburg < iottfried Adam

Baudler. Georg: Jesus im Spiegel seiner Gleichnisse. Das erzählerische
Lebenswerk Jesu - ein Zugang /um Glauben. Stuttgart: Calwer
; München: Kösel 1986. 330 S.8". Karl. DM 38.-.

Von religionspädagogischem Interesse geleitet, will Baudler den
..Erzähler Jesus für den heutigen Menschen neu zum Sprechen"
bringen (II) und das erzählerische Lebenswerk Jesu als Zugang zum
Glauben erschließen. Die Gleichnisrede Jesu ist durch die existentielle
Erfahrung der Gottcshcrrschafl als einer geahnten und antizipa-
torisch-sporadisch erfahrenen Größe geweckt und hat eine analoge
Erfahrung zum Ziel. Im Sinne der Korrclationsdidaktik geht es
darum, zwischen der Erfahrungswelt der Schüler und dem überlieferten
Glauben eine kritisch-produktive Wechselbeziehung herzustellen.
Das bedeutet jedoch keineswegs. ..daß dadurch die historische und
soziale Wirkung der Gleichnisse Jesu zu wenig in den Blick käme"
(45).

Im /. Kapitel gelingt es Baudler. formale und methodische Kategorien
aufzuzeigen, die das Verständnis der Gleichnisrede als Veran-
schaulichung einer ..Sache" überwinden. Mit Bezug auf E. Fuchs.
E-Jüngcl, E. Biser. D.O. Via und H. Weder hebt er die Erschlie-
Bungsfunktion der Gleichnisse und ihrer Bestimmung als Metaphern
(Weder) hervor und wendet sich folglich gegen die Unterscheidung
von Saeh- und Bildhälfte (41111. Als poetisch-metaphorische Rede
Wollen die Gleichnisse nichts veranschaulichen (54). keine Behauptungen
aufstellen und auch nicht argumentieren (45), sondern ..Leben
und Welt in einem Lieht aufscheinen lassen, das bestimmte, bisher
vielleicht unbeachtete (auch kleine und unscheinbare) Ereignisse und
Begegnungen im Leben als keimhaftes Anbrechen" der Gottcsherr-
sehaft sichtbar macht und zur Erfahrung bringt (57).

Angeregt durch C. Westermann wird für Baudler neben der
Erschließungsfunktion die Anredefunktion der Gleichnisse wichtig.
'n Abkehr von den nach seiner Ansicht für die religionspädagogischc
Arbeit funktionsloscn Formbestimmungen nach Jülicher schlägt
Baudler vor, im Blick auf die Anrede- und F.rschlicßungsfunktion der
Gleichnisse von ihrer sprachlichen Gestalt und ihrer Wirkungsweise
her zwischen Vorgangs- und ffttndlungsglelchnissen zu unterscheiden
. Die Vorgangsglcichnissc unterscheidet er weiter im Hinblick auf
Vorgänge aus dem Alltagsleben oder aus Natur und Wachstum, die
Handlungsgleichnisse in solche mit positivem oder negativem Hand-
'ungsüberschuß. (Übersicht 6211") Die beiden Grundtypen verfolgen
ln unterschiedlicher Weise das gemeinsame Grundanliegcn aller
Gleichnisse. Jesu Erfahrungen mit der hereinbrechenden Gotteshcrr-
■Chaft mitzuteilen. Daß diese Unterschiede Konsequenzen Für die Art
des (religionspädagogischen) Umgangs mit den Gleichnissen haben.
W|nJ anschaulich anhand des Vorgangsgleichnisscs vom Senfkorn
'Lk 13.18-19) und des Handlungsgleichnisses vom unfairen Knecht
(Mt 18.23-33) vorgeführt. In überzeugender Weise wird dabei in
didaktischen Zusammenhängen der Auslegungsgrundsatz entfaltet,
daß die jesuanischen Gleichnisse ihre spezifische Funktion nur
dadurch gewinnen, ..daß ich sie als dichten (dichterischen) Ausdruck
des ExistcnzgeFühls des Erzählers höre und lese" (68). Erst die An-
hindung an Person und Geschick Jesu vermittelt „die Inspiration, in
der sich sowohl das Gleichnis als auch das Gottesreich erschließt"
K>8). nie didaktischen Bemühungen richten sich bei den Vorgangs-
Mtichnissen auf eine intensive meditative ,,Einfühlung in den
Metaphorischen Vorgang" (115). der in seinem Gcsamtzusam-
"lenhang erläßt und in die eigene Lebens- und Erfahrungswelt überragen
werden muß. damit im eigenen Leben das keimhafte Anbrechen
der Gottesherrschaft entdeckt werden kann. In den Hand-
'»ngsgl eichnissen wird dieses Ziel ..durch den Mit- und Nachvollzug
e|nes dramatischen Handlungsablaufs" erreicht (I 17). Dabei hat das

szenische Spiel eine wichtige Funktion. Baudler ordnet alle 38 neu-
testamentlichen Gleichnisse diesen beiden Gruppen zu, dabei treten
nur bei 3 Gleichnissen einige Probleme auf. die sich im Rahmen der
Einteilungsprinzipien lösen lassen. (Vgl. 60f) Da nach dem Grundansatz
Baudlers ..die existentielle Entstehungssituation" der Gleichnisse
„in der Person und im Geschick Jesu" für ein angemessenes Verständnis
immer mitbedacht und zum Sprechen gebracht werden muß
(127). werden im Blick auf diese zentralen Aufgaben im 2. Kapitel
(129-254) die einzelnen Gleichnisse ihrer vermutlichen „existentiellen
Entstehungssituation im Rahmen des Lebens und Wirkens Jesu
zugeordnet" (127). Dabei werden die Gleichnisse (im Anschluß an
F. Biser u. a.) als sprachliche Kunstgebilde verstanden, in denen Jesus
sich selbst und die eigene Erfahrung des Anbruchs der Gottesherrschaft
erzählt und die demgemäß christologisch auszulegen sind. (Vgl.
135) Als sprachlichen Ausdruck des Wirkens Jesu werden sie auf die
Schwerpunkte des Wirkens Jesu bezogen und in Weckgleichnissc.
Kampfgleichnisse und Passionsgleichnisse eingeteilt und so zum
Spiegel einer inneren Biographie Jesu.

In einem Exkurs zur Frage „Darf man Jesus psychologisicren?"
(244-254). wird der in der historisch-kritischen Auslegungstradition
beheimatete generelle Vorbehalt gegenüber einem psychologischen
Zugang für die an C. G. Jung orientierten Ansätze relativ iert, weil ihr
ein anthropologisches Verständnis zugrunde liegt, das das Geheimnis
des Menschseins wahrt. (252)

Im }. Kapitel wird nun das zuvor strukturierte erzählerische
Gesamtwerk genauer auf seine Gefühls- und Denkstruktur untersucht
. Baudler zeigt auf. daß sich das ganze Werk auf zwei strukturellen
Grundlinien bewegt, die durch die Pole „abba" und „pneuma"
gekennzeichnet sind. Das Sohnpneuma läßt den „abba" linden, und
der „abba" weckt das „pneuma". das zu einer neuen und umfassenden
abba-Geborgen heil (als Erfahrung der anbrechenden Gottesherrschaft
) Führt. (Vgl. 260) Diese Struktur macht es möglich, daß Glcich-
niswerk als ästhetisches Gebilde auf andere Zeiten und Kulturen zu
übertragen (292). Die Dynamik der Erzählbewegung erschließt sich
allerdings nur dem. der immer wieder zu dem Werk und seinen Ein-
zelstücken zurückkehrt und mit ihnen arbeitet. In einer narrativen
Zusammenfassung (296-314) führt Baudler den Ertrag seiner auf
einer psyehologisch-cxistenticllen Fragestellung aufruhenden Interpretation
auf eindrückliche Weise vor. Auch für den. der - wie der
Rez. - den expliziten christologischen Ansatz Baudlers nicht teilen
kann, bietet das in sich überzeugende Werk eine große Fülle von
Anregungen, die über den religionspädagogischen Raum hinaus
Beachtung verdienen.

Hannover Friedrich .lohannsen

Böcker. Werner. Heimbrock. Hans-Günter, U. Engelbert Kerkhoff
[Hg.]: Handbuch Religiöser Lrzichung. I: Leinbedingungen und
Lerndimensionen. 2: Handlungsfelder und Problemfelder. Je VIII,
700 S. Düsseldorf: Schwann 1987. 8' = Sehwann Handbuch.

Religion ist entgegen manchen Prognosen wieder im Gespräch -
vielleicht gar nicht einmal zuerst in der Kirche - und wird damit selbst
zum religiösen Phänomen. Offenbar ist es aber heute gerade deshalb
besonders schwierig. Erziehung und Bildung (auch) als Vermittlung
von Sinn und Wert (K. E. Nipkow) auf dem Hintergrund von Religion
und religiöser Erfahrung in einer modernen Arbeitswclt zu begreifen
und daraus für Grundlegung und Praxis der Erziehung Konsequenzen
zu ziehen.

Erstaunlieh ist nicht, daß beim Umgang mit religionspädagogischen
Sachverhalten im vorliegenden Handbuch ein ganzes Bündel von
religionspsychologischen, soziologischen, pädagogischen und religionsdidaktischen
Möglichkeiten zur Sprache kommt. Erstaunlich ist
vielmehr, wie unsere Religionspädagogik, sei es nun in der kirchlich
verantworteten Evangelischen Unterweisung oder im Religionsunterricht
in der Schule, diese Weite universalen Bildens und Erzichens