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Ausgabe:

1988

Spalte:

293-295

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Bibel und Christologie 1988

Rezensent:

Trilling, Wolfgang

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I

293 Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 4 294

hin interpretiert, und so mit dem transzendentalen Subjektsein des
Menschen versöhnt. Eben darin erweist sich dann auch die Überlegenheit
der christlichen Religion über andere religiöse Bildungen
(Vf. exemplifiziert an Laotsc und Konfuzius).

Im dritten Teil „Gott" werden Trinitätslehre, Christologic und
Eschatologie abgehandelt. Leitender Gedanke ist, daß Gott gedacht
werden muß (er ist dem Geist immanent), aber nicht gedacht werden
kann (denn er ist transzendent). Diese Antinomie (Vf. redet von
„Antinomik") wird vermittelt in dem denkbaren Gott, Jesus Christus,
der eben als Mensch gedacht werden kann, andererseits aber selbst auf
den unbegreifbaren Gott hin transzendiert. Eschaton ist Gott selbst in
seiner Absolutheit, in den hinein sich der Glaube geborgen weiß.

Sicher liegt hier ein aufteilweise fast schon nicht mehr nachvollziehbarem
Rcflexionsniveau durchgeführter Versuch einer Reformu-
lierung dogmatischer Inhalte vor. Doch darf sich ein solcher transzendentaler
Entwurf darauf beschränken, bloß den religiösen Aspekt der
Subjektivität herauszuarbeiten, ohne zugleich die Konstitution der
raumzeitlichen Wirklichkeit durch diese Subjektivität mit zu bedenken
? Das Defizit zeigt sich etwa an widersprüchlichen Wertungen der
Technik; hier wird einerseits die Leistung des menschlichen Intellekts
bewundert, die über die kühnsten Träume hinausgegriffen habe,
andererseits soll die ökologische Krise aus einer Technik ohne Gebet
kommen, ohne die Demut des Glaubens. Da wirkt sich eine Unklarheit
aus, die von Anfang an die Arbeit belastet: daß zwischen empirisch
-individuellem und transzendentalem Subjekt nicht unterschieden
wird. Darum kehren hier auch die typischen Merkmale einer sote-
nologischen Engführung theologischen Denkens wieder: Über der
Frage nach dem Heil wird das Weltverhältnis vergessen, und diese
Welt gerät in ein willkürliches Bewerten hinein. Das gilt trotz der dankenswerten
Versuche, im Zusammenhang der Sünden- und Gesetzeslehre
doch auch zu einer positiven Würdigung menschlicher Kulturleistungen
zu kommen.

Als eine Glaubenslehre mit deutlichen Reminiszenzen an die
christliche Tradition kann die Arbeit Keils gelten. „Grundzüge christlicher
Dogmatik" müßten aber wohl deutlicher erkennbar machen,
daß sie nicht nur individuelle Religiosität artikulieren, sondern einen
möglichen Konsens kirchlichen Lehrens oder Glaubens umschreiben
.

Erlangen Friedrich Mildcnbcrger

Müller, Paul-Gerhard [Bearb.]: Bibel und Christologie. Ein Dokument
der Päpstlichen Bibclkommission in Französisch und Latein.
Mit deutscher Übersetzung und Hinführung von P.-G. Müller,
einem Kommentar von J. A. Fitzmyer und einem Geleitwort von
Kardinal J. Ratzinger. Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1987. 331 S. 8"

Bereits 1983 wurde der Text des Dokumentes über Fragen der
Christologic verabschiedet. Er ist die erste umfangreichere veröffentlichte
Arbeit der Päpstlichen Bibelkommission, der heute ca. 20 Ex-
egeten angehören, seit der wegweisenden Instruktion „Über die histo-
r|sche Wahrheit der Evangelien" (De historica veritate Evangcliorum)
v°m I [, Mai 1964, die auch einige Formulierungen der dogmatischen
Konstitution über die göttliche Offenbarung des 2. Vatikanischen
Konzils mitbestimmt hatte. Das neue Dokument geht auf eine Anfrage
zurück, deren Absender jedoch nicht genannt ist. Es soll einer
verbreiteten Verunsicherung steuern und die Prinzipien einer umfassenden
, alle Aspekte des biblischen Zeugnisses von Jesus Christus
beachtenden Gesamtschau (prineipium totalitatis) zur Geltung bringen
. Es beansprucht nicht, verbindliche Lehraussagen zu machen
loch exegetische Forschungsarbeit zu leisten. Der Text ist äußerst
kompakt, im ersten Teil auch recht abstrakt bis an die Grenze der
^Verständlichkeit, jedoch durchweg mit hohem Niveau verfaßt. Er
kann hier nur im Rahmen der Buchveröffentlichung, die der Direktor
des Kai hol ischen Bibclwerkcs/Stuttgart, Prof. Paul-Gerhard Müller.
veranstaltet hat. vorgestellt, aber nicht im einzelnen diskutiert und
beurteilt werden.

Das Buch enthält die folgenden Beiträge: Ein Geleitwort von
Kardinal Joseph Ratzinger (der als Präfekt der Glaubenskongregation
zugleich Präsident der Bibelkommission ist), ein Vorwort des Hg. und
eines von Prof. Henri Cazcllcs (dem Sekretär der Bibelkommission)
sowie eine Inhaltsangabe. Unter A folgt der Text des Dokumentes in
der (verbindlichen) französischen Fassung mit einer parallel gesetzten
deutschen Übersetzung durch P. G. Müller, schließlich die aus dem
Französischen übersetzte lateinische Fassung des Dokumentes. Teil B
bringt einen Kommentar des amerikanischen Gelehrten Joseph
A. Fitzmyer S. J„ der ebenfalls von P. G. Müller ins Deutsche übersetzt
wurde. In Teil C folgt ein Aufsatz von P.G.Müller „Zur
Aktualität der christologischen Frage". Ein kurzes, aber gut ausgewähltes
Literaturverzeichnis und ein Autorenverzeichnis runden
das Ganze ab.

Das Dokument gliedert sich in zwei Teile. „Der erste gibt den Status
quaestionis zur Forschung, der andere stellt eine Untersuchung über
die biblischen Grundlagen des Glaubens an Jesus Christus dar" (S. 8,
Ratzinger).

Der erste hermeneutische Teil gibt eine Übersicht über elf verschiedene
Zugänge zur christologischen Frage, angefangen von Denkansätzen
, die auf den alten Konzilien basieren (im „klassischen Stil")
bis zu Christologien „von unten" unserer Tage. Katholische, lutherische
und reformierte wie auch jüdische Autoren werden genannt.
Teilhard de Chardin, K. Rahner, H. Küng, J. B. Metz finden ebenso
Erwähnung wie E. Bloch, G. Guitierrez, L. Boff oder K. Barth und
H. U. von Balthasar. Ungenauigkeiten und Verkürzungen, auch Wertungen
finden sich gelegentlich, worauf der Kommentar manchmal
hinweist. Doch ist die Darstellung im ganzen sachlich und unpolemisch
. Die positiven Errungenschaften der Forschungen (z. B. der
historisch-kritischen Methode) oder Zugewinne an hermeneutischem
Problembewußtsein (z. B. der existentialen Interpretation) werden
gewürdigt. Zu fragen bleibt gleichwohl, welcher Theologe sich in den
Kurzfassungen „seiner" Theologie wirklich verstanden und gerecht
wiedergegeben finden mag (vgl* etwa S. 57 zu J. B. Metz in 8 Zeilen
!).

Nach der Darstellung der „Zugänge" folgt ein Abschnitt, in dem
vorsichtig in der Sache und vornehm im Ton auf Risiken, Defizite,
Einseitigkeiten. Gefahren, Grenzen dieser Zugänge aufmerksam
gemacht wird. Manches davon ist in Frageform gekleidet. Gelegentlich
finden sich erstaunliche Urteile z. B. wenn die Sprache der
Konzilien und christologischen Dogmen als „Hilfssprechweisen"
(langages «auxiliaires») die „für den Glauben nicht denselben Wert
wie die eigentliche Referenzsprache (langagc referentiel) der inspirierten
Autoren, nämlich im Neuen Testament, dessen Wurzeln bis ins
Alte Testament reichen", besitzen, bezeichnet wird (S. 67). Oder
wenn „die Vielfalt der Christologien im Neuen Testament" gegenüber
einem „überzogenen Synthesebedürfnis" verteidigt wird. (S. 89)
Mehrfach betont werden die Wurzeln der neutestamentlichen Offenbarung
im Judentum und „das Judesein Jesu", das „Träger seiner
ganzheitlichen Menschlichkeit" sei (S. 93).

Der zweite Teil des Dokumentes enthält eine geraffte biblischtheologische
Zusammenschau. Zunächst wird über „Gottes Heilstaten
und Israels messianische Hoffnungen" (AT), dann über „Die
Erfüllung der Heilsverheißungen in Jesus Christus" - weithin im
traditionellen Stil - gehandelt. Hier soll vor allem die „Ganzheit" des
christologischen Zeugnisses, um die es dem Dokument im wesentlichen
geht, beispielhaft dargestellt werden. Auch da finden sich
„moderne" Akzente, für die ein Beispiel genannt sei: Die Jünger
setzen das „Werk der Befreiung" (Jesu, nach Lk 4,18-21) fort...
„Weit entfernt davon, sie (d. i. die Glieder der Kirche) aus der Welt
herauszunehmen, arbeitet sie (die Kirche) durch sie, um den Geist des
Evangeliums in alle ihre familiären, sozialen und politischen Strukturen
eindringen zu lassen" (S. 141).

Der Kommentar erläutert den Text sachkundig jund im weiteren
Horizont; etliche Passagen werden erst durch ihn voll verständlich.
Fitzmyer hält sich engan den Text selbst, Müller führt umfassender in