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Ausgabe:

1988

Spalte:

275-277

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Roloff, Jürgen

Titel/Untertitel:

Die Offenbarung des Johannes 1988

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 4

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praktisch-theologische Differenzen, die sich wahrscheinlich mit
sozialen überlappen. „Jakobus macht einejudenchristliche Tradition,
die theologisch und literarisch Matthäus nahesteht (oder, im Judentum
, den Testamenten der Zwölf Patriarchen und Philo), geltend
gegen eine hellenisierende Frömmigkeit, die das paulinische Erbe
benutzt, um ihren religiösen Opportunismus zu bemänteln, der sich
vor den Risiken des Gehorsams (2,14-26) schützen will. In dieser
Hinsicht trifft sich der Autor mit dem Apostel in dessen Auseinandersetzungen
mit Korinth oder mit der matthäischen Schule in ihrer
Polemik gegen die Antinomisten" (S. 17f). Jakobus ist also nicht
Jakobus, sondern ein Judenchrist, der in der jüdischen Welt so zu
Hause ist wie in der zeitgenössischen griechischen Bildung und den
man sich am ehesten am Ende des 1. oder am Anfang des 2. Jh. n. Chr.
in einer großen Stadt wie Alexandria oder Antiochia denkt (S. 18).

Vouga setzt also Dibelius' Linie fort, mit historischen und traditionsgeschichtlichen
Verfeinerungen, ähnlich wie W. Schräge (1973,
3. Aufl. 1986) und Laws, anders als F. Mußner (4. Aufl. 1981, benutzt
3. Aufl. 1975) und Davids (wie Vouga sich die frühchristliche
Ökumene genauer denkt, zeigt A Taube du christianisme, Aubonne
1986). Dafür bemüht er sich mit ihnen, m. E. zu Recht, um den
Gedankengang des Briefes (ob 3,13 nicht doch besser der Anfang von
3,13-18 als das Ende von 3,1-13 ist?) und um seine Christologie (in
1,1 faßt Vouga als einziger der Neueren „Gottes" als Christusprädikat
, aber geht das mit 2,19 zusammen?). Die Exegesen sind
gediegen und reichlich mit Vergleichsmaterial dokumentiert, mit
Fachliteratur nur knapp, aber kompetent. An notorisch strittigen
Stellen wie 1,18; 2,1.18; 3,18; 4,5; 5,6 oder 5,1 1 bekommt man die
Verstehensmöglichkeiten übersichtlich vorgestellt.

Schade, daß hierzulande nicht mehr Leute Französisch können.
Heidelberg Christoph Burchard

Roloff, Jürgen: Die Offenbarung des Johannes. Zürich: Theologischer
Verlag 1984. 218 S. gr. 8' = Zürcher Bibelkommentare NT, 18.
Kart, sfr 30.-.

In der Reihe der für einen breiteren Leserkreis bestimmten
„Zürcher Bibelkommentare" hat Jürgen Roloff nunmehr eine Auslegung
der „Offenbarung des Johannes" (Apk) vorgelegt, die durch die
Ausgewogenheit des Urteils hinsichtlich der Grund- und Einleitungsfragen
wie auch durch die Auslegung im einzelnen überzeugt und
somit über den ursprünglich angesprochenen Leserkreis hinaus auch
des besonderen Interesses des Fachtheologen gewiß sein kann. Dies
gilt bereits im Blick auf die grundsätzlichen hermeneutischen Überlegungen
, die der Vf. seinem Kommentar im Voi*wort vorangestellt
hat: „Jede Auslegung eines biblischen Textes ist ein dialogischer
Prozeß. Der Text kommt nur dann zum Sprechen, wenn der Ausleger
Fragen an ihn stellt. Dabei kommt es zunächst darauf an, daß diese
Fragen nicht am Text vorbeigehen, sondern der Sache, die er zu sagen
hat, gemäß sind. Zugleich aber werden die Fragen des Auslegers unweigerlich
auch durch dessen Situation und geschichtlichen Standort
bedingt sein . . ,"(S. 7).

Solcher Standortbestimmung des Auslegers korrespondiert im
Blick auf die Apk die Erkenntnis, „daß die Offenbarung kein
abstrakter Monolog ist, sondern das Ergebnis einer lebendigen Kommunikation
ihres Verfassers mit konkreten Gemeinden" (S. 7). Konkret
bedeutet dies, daß in der vorliegenden Auslegung - wobei sich der
Vf. auf die Ergebnisse der Dissertation seines Schülers M. Karrer, Die
Johannesoffenbarung als Brief, bezieht (inzwischen im Druck erschienen
: FRLANT 140, Göttingen 1986)-vom brieflichen Charakter der
Apk ausgegangen wird. Gerade als ein „prophetisches Schreiben" ist
sie „vorwiegend durch den Zweck brieflicher Kommunikation geprägt
" (S. 150 und wendet sie sich „in einer ganz konkreten zeitgeschichtlichen
Situation an bedrängte Christen, um diese im Lichte
des Glaubens an die Herrschaft des erhöhten Christus über die
Geschichte zu deuten und so die Angeredeten dessen gewiß zu
machen, was für sie an der Zeit ist" (S. 23). Mit dieser Bestimmung der

Absicht der Apk sind bereits bestimmte Sachakzente gesetzt, die in
der Einzelauslegung durchgehend die entsprechende Beachtung finden
. Das ist zum einen der Aspekt der Ekklesiologie und - im unmittelbaren
Zusammenhang damit - zum anderen der Aspekt der
Christologie. Konkret: Was in der Apk zum Tragen kommt, ist - wie
bereits in Apk l,5f deutlich wird - eine von der Christologie (und
Soteriologie) her entworfene Ekklesiologie, die die Gemeinde - als
„Heilsgemeinde" - auf ihren (durch die Taufe gewirkten) Hcilsstand
hin anspricht und sie von daher mit einem bestimmten „Rigorismus"
(S. 133.150.193) zur Bewahrung und Bewährung dieses Standes in den
Bedrängnissen der Endzeit aufruft: „Weil die Glaubenden uneingeschränkt
auf der Seite Christi stehen und in seinen Sieg hineingenommen
sind, können sie nicht anders, als diesem Sieg in ihrem
Zeugnis Raum zu geben. Weil sie aber andererseits noch auf der Erde
leben, die gegenwärtig Kampffeld des Satans ist, hat solches Zeugnis
notwendig die Gestalt des leidenden ,Überwindens'" (S. 131; vgl. entsprechend
S. 91 f. 125.183ff). So gesehen ist die Apk keineswegs ein
Randphänomen oder gar ein Fremdkörper innerhalb des Neuen
Testaments, sondern - zugegebenermaßen „bei aller Fremdartigkeit
und Eigenart", wie sie der Apk eigen ist - „eine legitime Ausprägung
des Evangeliums, die in der Reihe der großen apostolischen und nachapostolischen
Zeugnisse des Neuen Testaments mit hineingehört"
(S. lOf).

Keineswegs gegen diese These, sondern grundlegend für sie spricht
auch das Phänomen der Traditionsgebundenheit der Apk, und zwar
sowohl im Blick auf den die theologische Konzeption der Apk bestimmenden
christologischen Ansatz als auch im Blick auf die spätestens
vom 4. Kapitel an ins Zentrum der Argumentation tretenden apokalyptischen
Motive und Vorstellungen. In seiner Auslegung macht
der Vf. durchweg deutlich, in welchem Maße der Autor der Apk mit
ihnen im breiten Strom biblisch-frühjüdischer und urchristlicher
Apokalyptik steht; ebenso deutlich wird aber auch herausgestellt, in
welchem Sinne der Prozeß von Tradition und Interpretation in der
Apk bestimmte christologisch-soteriologische Grundeinsichten vor-
aussctzt»mit denen der Autor der Apk seinerseits in der Kontinuität
der entsprechenden Grunderkenntnisse der urchristlichen (und speziell
der von Paulus herkommenden) Theologiegeschichte steht
(s. dazu das Stichwortverzeichnis, S. 217 f, s.v. „Christologie" und
„Paulus"). Paradigmatisch dafür ist bereits der Kommentar zu
Apk 1,5f: „Als Ausgangspunkt für alles Folgende wird hier. . . das in
den Blick genommen, was durch Christus bereits geschehen ist und
sich jetzt schon im Leben der Gemeinden verändernd auswirkt"
(S. 33); und dementsprechend das Urteil: „Johannes vertritt nicht einseitig
eine futurisch-apokalyptische Eschatologie unter Ausklammerung
präsentischer Eschatologie. Zwar bringt er die futurische Eschatologie
nachdrücklich zur Geltung, aber er tut dies .. . auf der Grundlage
der Erfahrung des bereits im Christusgeschchcn gegenwärtig
verwirklichten Heils" (S. 34). Maßstab (ür die Rezeption und Aktualisierung
der apokalyptischen Tradition ist somit eindeutig die Christologie
, und dieser Sachverhalt bereits sichert der Apk ihre Sonderstellung
in der Geschichte der frühjüdischen Apokalyptik. Denn - so
der Vf. zu Apk 5,1-14 - während die Apokalyptik „sonst allgemein
die Schau von Zukünftig-Verborgenem zum Thema hat, steht hier im
Mittelpunkt die Schau jenes Ereignisses, womit bereits in der Vergangenheit
die Zukunft begonnen hat. Es wird sichtbar gemacht, daß
sich in ihm die Wende der Weltgeschichte vollzogen hat" (S. 73; vgl.
auch S. 28). Auch im übrigen betont der Vf. stark die Sonderstellung
der Apk „im Rahmen der gesamten apokalyptischen Literatur des
Judentums und des frühen Christentums", wie sie bereits aus
bestimmten formal-stilistischen Merkmalen ablesbar ist, vor allem
aber daraus, daß die Apk „die einzige uns bekannte apokalyptische
Schrift (ist), die auf Pseudonymität verzichtet. Nicht die fiktive, weil
geborgte Autorität eines großen Gottesmannes der Vergangenheit gibt
ihrer Botschaft Gewicht, sondern die reale Autorität des erhöhten
Jesus Christus, der durch das prophetische Zeugnis des Johannes zu
seiner Kirche spricht" (S. 13-15, Zitat S. 15; vgl. auch S. 27f.213).