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Ausgabe:

1988

Spalte:

273-274

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Rissi, Mathias

Titel/Untertitel:

Die Theologie des Hebräerbriefs 1988

Rezensent:

März, Claus-Peter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 4

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.,a!s Vergleich benutzt" (S. 125), obwohl er das in V. 20-25 auch tun
kann. Daß die himmlische Sophia bei Philo eikon und arche heißt
(All I 43; vgl. Conf 146f: der Logos, der „Mensch nach dem Bild
Gottes", ja „das Bild Gottes" heißt „Anfang und Name Gottes"), läßt
den Hintergrund dei1 parallelen Strophenanfänge in Kol 1,15.18b
erkennen.

Schließlich: Da S. Schwertner uns ein Internationales Abkürzungsverzeichnis
für Theologie und Grenzgebiete verschafft hat, das auch in
TRE abgedruckt ist, könnten wir uns nicht durchweg darauf einigen,
also PG statt MPG und GNT statt NTD Erg. (beides in dem an sich
dankenswerten Abkürzungsverzeichnis S. XII) verwenden? ThWNT
ist dort S. XIII angeführt; doch steht S. 69 Anm. 146 und S. 74
Anm. 176 ThWB und S. 95 Anm. 21 ThWb (Anm. 17 dort richtig).
Aber natürlich sind das alles lächerliche Kleinigkeiten, die nur zeigen,
daß der Rcz. gut und mit Freude und Dankbarkeit diesen hilfreichen
Kommentar gelesen hat.

Zürich Eduard Schweizer

Rissi. Mathias: Die Theologie des Hebräerbriefs. Ihre Verankerung in
der Situation des Verfassers und seiner Leser. Tübingen: Mohr
1987. X, 140 S. gr. 8* = WUNT, 41. Brosch. DM 58,-.

R. möchte eine systematische Darstellung der Theologie des Hebr
vorlegen, die über die thematischen Zusammenhänge hinaus immer
auch den speziellen Anlaß im Blick hat, „der den Verfasser bestimmte
, so und nicht anders mit seinen Lesern zu sprechen"
(Vorwort).

Es liegt ganz in der Linie dieses Programms, daß R. mit einem Blick
auf „die Situation" (S. 3-25) einsetzt und dabei den Verfasser, die
Adressaten und die Intention des Hebr näher zu charakterisieren
sucht. Er vermutet als Adressaten eine aus Palästina stammende
Gruppe von Judenchristen, die zwar zur römischen Gemeinde
gehörte, hier aber schon wegen ihrer Herkunft und ihrer speziellen
religiösen Prägung ein Eigenleben führte. Besondere Geisterfahrungen
auf der einen und vielfache Ablehnung und Bedrängung auf der
anderen Seite hätten zudem bei ihnen zur Versuchung geführt, „die
notvolle Situation zwischen den Zeiten mit dem Bewußtsein zu überspielen
, schon die ganze Herrlichkeit der Verheißung mit dem Hohenpriester
zu besitzen" (S. 24). Die Adressaten seien somit nicht, wie
meist angenommen wird, von akuter Glaubensmüdigkeit bedroht,
sondern wie die Enthusiasten in Korinth durch einen „brennenden
Eifer" verblendet, „der sich ganz an der Gegenwärtigkeit des Heils
erfreut" (S. 15). Bei ihnen finde sich deshalb auch jener geistliche
Hochmut, der sich in Hörunwilligkeit, im überheblichen Fernbleiben
von der Gemeindeversammlung, aber auch im „Zurückweichen" in
die .^eigenen" Räume und einer ausgesprochenen „Leidensscheu"
äußert. Der auetor ad Hcbraeos sehe die Adressaten deshalb trotz
■hrer hohen Christologie vom Abfall bedroht und suche sie durch
seir|e „Mahnrede" von allen Einseitigkeiten weg zur Offenheit eines
neuen Weges zu führen.

Auf dem Hintergrund dieser Vorstellung entfaltet R. die Theologie
des Hebr in sechs großen Themenkomplcxcn: „Das Gottesbild des
Hebräerbriefes" (S. 27-33), „Die himmlische Welt" (S. 34-44), „Die
Christologie" (S. 45-91), „Die Wirkungen des Heils" (S. 93-II 5),
'•Die Kirche" (S. 117-125), „Die Eschatologie" (S. 125-130). Allenthalben
wird dabei deutlich, daß der Autor zwar bei den theologischen
Vorstellungen der Adressaten ansetzt, diese aber entscheidend modifi-
z,ert: christologisch durch die Betonung der Niedrigkeitsaussagen, die
das Werk des Erhöhten ganz an die Erniedrigung und Tod bindet,
theologisch durch die Offenheit des Wirkens Gottes auf Zukunft hin,
^•eriologisch durch die Bindung des Heils an den Tod Christi und
eschatologisch durch die Betonung der Spannung zwischen Gegenwart
und Zukunft. Erwähnt sei auch der Versuch R.s, zu einzelnen
Texten neue Zugänge zu gewinnen: So sieht er etwa in Kap. 8 die
Erhöhungschristologic der Adressaten wiedergegeben, die 9,1-10,18
yom Autor durch die kultische Deutung des Christusgeschehens, die

Tod und Erhöhung verbindet, korrigiert wird; Kap. 7 sei ein Hymnus
aufgenommen, der ganz im Sinne der Leser Christus nur als himmlischen
Priester preist, aber vom Autor in einen größeren Argumentationszusammenhang
eingebunden und v. a. durch 7,25-28 mit dem
Hinweis auf die Hingabe Christi modifiziert werde.

Die Studie besticht durch ihre klare Diktion, ihre durchsichtige
Argumentationsweise und die inhaltliche Geschlossenheit. Sie bietet
eine Fülle wichtiger Beobachtungen zu einzelnen Texten und verdeutlicht
entscheidende thematische Zusammenhänge des Hebr. Problematisch
erscheint allerdings die für die Auslegung leitende Beschreibung
der den Hebr bestimmenden „Situation" durch R„ die u. E.
durch die herangezogenen Texte nicht gedeckt ist. Um einige Beispiele
zu nennen: Nur mit Mühe lassen sich aus 2,3f; 6,4f; 10,32ff
„außergewöhnliche, wunderbare charismatische Erlebnisse" (7) der
Adressaten für die Anfangszeit erheben; Stellen wie 5,11-6,3; 10,25
(im Zusammenhang mit 10,24!) dürften kaum Schwärmerei und geistigen
Hochmut, sondern eben doch Glaubensmüdigkeit im Blick
haben; 2,8b-9 will sicher nicht eine „die Weltwirklichkeit überspielende
Glaubenshaltung" (13) korrigieren, sondern sucht Christen,
die unter der Unanschaulichkeit des Heils leiden, zu ermutigen. Als
problematisch erscheint auch die Bestimmung von Kap. 8, das sich
durch vielfache thematische Bezüge deutlich als Einleitung der kulttheologischen
Deutung des Christusgeschehens in 9,1-10,18 erweist
und in 8,3 durchaus einen Hinweis auf den Opfertod Christi enthält.

Die kritischen Hinweise sollen freilich nicht den oben angezeigten
Wert der Studie verdecken. Sie empfiehlt sich - auch wenn R. wohl
nicht ein neues Verständnis der Situation des Hebr begründen kann -
durchaus als übersichtliche und kenntnisreiche Hilfe für die Auslegung
des Hebräerbriefs.

Erfurt Claus-Peter März

Vouga, Francois: L'Epitre de Saint Jacques. Geneve: Labor et Fides
1984. 150S. gr. 8' =Commentaire du Nouveau Testament,
deuxieme serie, XHIa.

Der Commentaire du Nouveau Testament, Hauptherausgeber
F. Bovon, ist der einzige wissenschaftliche Kommentar aus dem
Bereich des französisch sprechenden Protestantismus, soweit ich
weiß. Der historisch-kritischen Exegese verpflichtet, will er sowohl
originale Auslegung liefern als auch Theologen und Laien weiterbilden
. Die letzten müssen sich anstrengen. DerCNT geht mit seinen
Texten so um wie auf deutsch Meyer oder Herder, nur knapper, und
keineswegs wie das NTD oder die Zürcher Bibelkommcntare. Es sind
noch nicht alle neutestamentlichen Bücher bearbeitet. Für Jakobus
hat F. Vouga, damals Dozent für NT an der Faculte Libre de Theologie
Protestante in Montpellier, jetzt Professor in Bethel, die Lücke
geschlossen, kurz nach den englischen Neuerscheinungen von S. Laws
1980 und P. H. Davids 1982 (ThLZ I 10, 1985,366-368). Beide sind
benutzt.

Die Einleitung S. 15-34 behandelt die üblichen Fragen. Gliederung
, Situation, die verarbeitete judenchristlichc Tradition und die
Christologie sind betont. Textkritik und Wirkungsgeschichte, abgesehen
von der Kanonisierung, werden nicht eigens behandelt. Die
dann folgenden Exegesen bestehen wie anderwärts aus Ubersetzung,
Literatur (über das kurze Verzeichnis S. 7-9 hinaus), Einführung,
Einzelauslegung mit Fußnoten. Knappes Sachregisters. 147 f.

Vougas Grundannahmen sind diese: Der Brief ist keine urchristliche
Schrift, die nächsten Verwandten sind lKlem. Barn, Did und
Herrn. Stil, Argumentationsweise, viele Motive und Stoffe bezeugen
ein Christentum, das den Dialog mit seiner hellenistischen Umwelt
beherrscht. Es ist über die Phase seiner Selbstfindung hinaus; sein
Problem ist, sich in der fortschreitenden Zeit treu zu bleiben. Was das
erschwert, sind Schikanen der Umwelt (keine Verfolgungen), mehr
noch soziale Spannungen in den Gemeinden (mehrheitlich kleine
Leute, obwohl nicht von ganz unten, aber auch ein paar Grundbesitzer
und Unternehmer), vor allem aber theologische, genauer