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1988

Kategorie:

Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 4

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Preuß, Horst Dietrich: Einführung in die alttestamentliche Weisheits-
literatur. Stuttgart-Berlin (West)-Köln-Mainz: Kohlhammer 1987.
241 S. 8" = Urban-Taschenbücher, 383. Kart. DM 24,-.

Wer die bisherigen Arbeiten des Neucndcttelsaucr Alttestamentiers
H D. Preuß zur Weisheit Israels kennt, greift mit Interesse nach
seinem neuen Büchlein, mit dem er einen einführenden Gesamtem-
wurf zum Thema vorlegt. Obwohl P. dem Charakter des Buches entsprechend
..manche Fragestellungen nur knapp skizziert" (S. 9), ist es
ihm gelungen, eine Fülle von Problemen, Informationen und Forschungsergebnissen
durchsichtig darzustellen. Dazu trägt bes. der
ausführliche Anmerkungsapparat bei (S. 199-223), der zuverlässig
über wichtige weiterfuhrende Literatur informiert und sich mit dieser
auseinandersetzt.

Das Buch gliedert sich in sieben Paragraphen. Der Vf. geht von
einer instruktiven Übersicht über die Wcisheitsliteratur im Alten Vorderen
Orient aus (§ I). Dem folgen analytische Darstellungen der
biblischen Weisheitsbücher (Proverbien § 2, Ijob § 3, Qohelet § 4).
Darauf wird dem Leser die Welt der frühjüdischen Wcisheitsliteratur
erschlossen (Jesus Sirach, Sapientia Salomonis, Pirqe 'Aböt § 5).
Überlegungen zum weisheitlichen Denken außerhalb der Weisheitsliteratur
des Alten Testaments schließen sich an (§6). Am Ende unternimmt
der Vf. dann den Versuch, in einer zusammenfassenden Wer-
&ng den „theologischen Ort" der Weisheil innerhalb der Theologie
des Alten Testaments und der christlichen Verkündigung zu ermitteln
(§7).

Zunächst werden die „Defizite" alttestamentlicher Weisheit benannt
: Von Israel als Volk, von Exodus, Bund, Tora und Eschatologie
kann in der älteren Weisheit Israels keine Rede sein (S. 360- Erst die
frühjüdische Wcisheitsliteratur (Jesus Sirach, Sapientia Salomonis)
habe durch kräftige „Infusionen" (S. 137.153) versucht, diesem theologischen
Mangel aufzuhelfen und damit die Weisheit zu retten.

Doch so fragt P. weiter: „War die Weisheit so zu retten? Ist sie es
überhaupt?" (S. 151) Liest man das Schlußkapitel, dann wird diese
Präge mit einem immer deutlicheren „Nein" beantwortet. Seiner Exegese
und dem Schriftprinzip Luthers „was Christum treibet" treu
bleibend, wagt er es schließlich, „bestimmten biblischen Texten und
Schriften einen legitimen Ort in christlicher Theologie zu verweigern"
(S. 189.193). Damit setzt P. der Weisheit Israels, wenigstens der
älteren, den Stuhl vor die Tür christlicher Theologie. Ja diese trage
schließlich die Stigmata des „Scheiterns" (S. 99 u. ö.) am eigenen
Leibe. In der optimistischen (S. 173 u. ö.), im Weltordnungsdenken
und im Tat-Folgc-Denken gefangenen vorexilischen Lebensweisheit
'S. IOfT.50fT) sei der „Glaube" zum Dogma erstarrt, ja zur „Ideologie"
verkommen (S. 108.110.185). Diese Krise werde in den Büchern Ijob
u"d Qohefet greifbar (S. 123ff.93ff). So halfen schließlich auch die
'Geologischen „Infusionen" nicht mehr, die Verbindung von Weisheit
11,11 Geschichte. Eschatologie und Tora, mit denen die frühjüdische
Literatur versuchte, den Patienten Weisheit zu retten.

Die hier kurz skizzierte Position von P. beeindruckt in ihrer kritischen
Offenheit. Auch andere Konzeptionen werden von ihm dargestellt
und nach ihrer Stimmigkeit befragt (Zimmerli S. 177ff, Wester-
mann S. 179ff, Schmid S. 183ff, v. Rad S. 1850- Dadurch wird der
Leser zum Weiterfragen ermutigt:

'st das Weltordnungsdenken und der Tun-Ergehen-Zusammcn-
hang als uneingeschränktes Dogma wirklich in der älteren Weisheit
Ol belegen, oder könnte es sich nicht auch um ein Postulat der Exegese
handeln, das an diese herangetragen wird? Selbst wenn das Tat-
Folge-Dcnken in der älteren Weisheit noch nicht durchbrochen
Worden sein sollte (S. 52ff), so ist es doch von J1IWH her einer letzten
Anschlichen Berechenbarkeit entzogen (Prov 10,22; 16.1.9.33 u.ö.)
Und damit begrenzt und nicht uneingeschränkt. Bereitet sich da nicht
''och schon die Sicht Hiobs und Qohclets vor, deren Klage ja nicht
allein der Durchbrechung, sondern der Unverrcchenbarkcil und der
begrenzten Durchschaubarkcit des menschlichen Schicksals galt (Ooh
3j 1:7,230?

Bei Ijob und Qohelet wird nach der Geltung des Tat-Folge-Dcnkens
aus einer zugespitzten existentiellen Betroffenheit heraus gefragt.
Haben sie aber wirklich kompromißlos mit der älteren Weisheit gebrochen
? Wenn etwa Qohelet auf den Kairos allen Tuns hinweist
(3,1-8), will er damit nicht auch Bedingungen des Gelingens aufzeigen
? Und kennt nicht auch er noch weite Felder, auf denen der
Zusammenhang von Tun und Ergehen durchaus funktionieren kann
(4,9-12; 10,8-10.16-18)?

P. weist weiter darauf hin,, daß die Kategorien profan-religiös,
anthropozentrisch-theozentrisch für eine Charakterisierung der Weisheit
ungeeignet seien (S. 35). Solche Alternativen sind eher Kinder der
Moderne als der Weisen Israels. Erliegt der Vf. dann aber nicht selbst
der Versuchung alternativer Denkschemata? Rutscht ihm die Weisheit
letztlich nicht doch in ein von Israel aus der Umwelt übernommenes
„Humanuni" ab. das sich dem speziellen „Divinum"
Israels eben nicht assimilieren ließ (S. I 74)?

Ist es verwunderlich, wenn die zwei Grundarten des JHWH-
Glaubens, „der Gott des geschichtlichen Kommens und Eingreifens
und der der Weltordnung" auch für P. eigentlich unvereinbar sind
(S. 192), daß dann auf dem strahlenden Hintergrund des in der Geschichte
Israels und in der Geschichte Jesu Christi handelnden Gottes
die Weisheit nur noch „manchen nützlichen Rat für den Alltag und
seine Gestaltung" zu geben vermag (S. 198)? Wird sie da nicht doch
wieder in der Schublade „profan", „utilitaristisch" versteckt?

Diese Fragen wollen nicht etwa eine Schwäche des Buches aufspüren
. Vielmehr sind sie angeregt durch die Stärke und Offenheit der
Position, mit denen sich P. dem Gespräch stellt. Er zwingt seine Leser
zum Weiterfragen und Weiterlesen, zur Suche nach den „Perlen und
Edelsteinen" der Wcisheitsliteratur. ..deren Entdeckung auch für
heutige Zeitgenossen mit ihren Lebensfragen und Glaubensnöten
lohnt" (S. 9).

Naumburg (Saale) Rüdiger Lux

Barton, John: Bcgriindungsvcrsuchc der prophetischen l Inheilsankündigung
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Judaica

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B'nai B'rith 1987. XXIX, 468 S. gr. 8". Kart. 16.95: LW 29.50.

Arbeiten jüdischer Gelehrter, vor allem aus den letzten Jahrzehnten
, zu den Fragen des Neuen Testaments sind zahlreich. Durchgängige
Kommentare zu neutestamentlichen Schriften, in denen jüdische
Autoren die urchristlichen Zeugnisse aus ihrer spezifischen Sicht und
auf dem Hintergrund frühjüdischer rabbinischer Quellen interpretieren
, blieben eine Seltenheit. Man muß bis zu C. G. Montefiore, The
Synoptic Gospels (2. Aufl. 1927) zurückgehen, einem Werk, in dem
der britische Rabbinist die liberal-protestantische F.vangclienkritik