Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1988

Spalte:

262-263

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Polk, Timothy

Titel/Untertitel:

The prophetic persona 1988

Rezensent:

Herrmann, Siegfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

261

Theologische Litcraturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 4

262

Gottesbezichung der Frau beim Exodus, am Sinai, im Credo Israels. Quellen sowie eingegrenzte Zeiträume Aufschlüsse über deren fraucn-

wird ebenso festgehalten wie die mütterlichen Metaphern vom Gott feindliche Tendenzen zu ermitteln. Erst mit so einer feministischen

Israels. Die großen Frauen der Frühzeit Israels werden genauso be- Theorie kann z. B. die Frauenfeindlichkeit oder -freundlichkeil eines

handelt wie die Stellung der Frau in den Rechtstexten des Bundes- J-Schöpfungsbcrichtes definitiv erhoben werden,

buehes, des dtn Gesetztes und des Heiligkeitsgesctzes. Nach der Stcl- M.-S. Heisters Buch hätte, vor zwanzig oder zehn Jahren ge-

lung der Frau in Israel fragt die Vfh. differenziert: Welche Position schrieben, Chancen gehabt, ein kleines Standardwerk zu werden,

hatten Frauen in derGroßfaniilie. welche in der Öffentlichkeit? Heute ist die Forschung auf diesem Gebiet so in Bewegung, daß es in

Auch das dritte Kapitel, in dem es um die Frau im sakralen Bereich Einzelfragen jetzt schon überholt ist oder bald überholt sein wird. Auf
geht, verblüfft durch die Originalität der Fragestellungen und die ein Buch über Frauen im AT und in Israel, das zugleich für Theologen
Klarheit der Antworten. Das vierte bis sechste Kapitel behandeln die und Theologinnen wichtig und Für Nicht-Fachleser und Nicht-Fach-
Thematik dann nicht mehr systematisch, sondern nach biblischen leserinnen zu empfehlen ist. das zugleich fundiert und so weit in seiner
Quellen/Verfassern geordnet: Die Frau in der prophetischen Ver- Thematik ist. wird aber wohl doch noch einige Zeit zu warten sein,
kündigung, im Hohenlied und in den Schöpfungstexten von Gen 2-3 Für alle, die in Frauenarbeit/Gemeindearbeit. Religionsunterricht
und (Jen I. und Studium ein gutes Grundlagenbuch brauchen, ein sehr nütz-

Das sechste Kapitel setzt sieh zudem mit den „Umdeutungcn des liches, wenn auch inzwischen ergänzungs- und korrekturbedürftiges

Menschscins als Mann und Frau in der Rezeption von Schöpfungs- Buch!

Fribourg Silvia Schroer

texten ((Jen 1-3)" in frühjüdischen und paulinischen bzw. nach-
Paulinischen Texten der ntl. Briefliteratur auseinander. Damit wird
Zugleich die Überleitung zum letzten Kapitel über „Die Rolle der

Frau in Texten der Evangelien" geschaffen. • _,. . _

rv r> i j- l- j -7 ■• __, Pulk, Timothy: The Prophetic Persona. Jcremiah and the Language

Die Resultate d.eser so verschiedenen Zugange zum Thema lassen of ^ ^ fag^. JSQT ^ |9g4 2Jg § g. = for ^

** nicht auf ein paar handliche Merksätze zurechtschneidern; jedes S(udy of ,hc Q,d Testamcnt, SuppL Scrics, 32 Kart. £ 8 95 LW

Kapitel liefert ganz verschiedenartige Informationen über die Frau in £ |g 50

den biblischen Texten. Das Buch kommt auch Lesern und Leserinnen

ohne viel biblisch-theologisches Vorwissen entgegen durch Ein- Gegenstand der Studie ist die längst bekannte Frage nach der Be-
leitungen zu den einzelnen Kapiteln, in denen über bestimmte all. wertung des ..Ich" in religiösen Texten, einst exemplarisch unter-
Quellen usw. zunächst die nötigen Vorkenntnisse in verständlicher sucht am „Ich" in den Psalmen (Smcnd. 1888: Balla. 1912: Quell,
Weise sehr prägnant zusammengefaßt werden. Zudem hat die Autorin 1926), aber ebenso mit Blick auf das Jeremiabuch. vor Jahrzehnten
auf kompliziertes Fachvokabular und allzu ausführliche Anmerkun- schon behandelt von H. Graf Reventlow. Liturgie und prophetisches
gen verzichtet. Dennoch ist die Auseinandersetzung mit der Fachlite- Ich bei Jeremia. Gütersloh 1963. Neu an der vorliegenden Studie ist
ratur sorgfältig dokumentiert und der Anspruch auf Wissenschaftlich- ihr Anschluß an die strukturalistische Forschungsrichtung. Als bahntet
! so legitim wie der aufgutc Lesbarkeit. brechend für den amerikanischen Raum nennt der Vf. T. R. Henn.

M.-S. Heister hat ihr Thema nicht mit einem feministischen Ansatz The Bible as Literature, New York 1970. für seine eigene Arbeit ein-
oder einer feministisch-kritischen Methode behandelt. Dennoch läßt flußreich wurde L. A. Schökel. The Inspired Word: Scripture in the
Q'e Entschiedenheit ihres Urteils, wo immer sie Einschränkungen des Light of Language and Literature, New York 1965.
Menschscinsder Frau in biblischen Texten feststellt, über ihre Option Polks Buch wendet sich, ähnlich wie einst das von Graf Reventlow .
ln feministisch-religiösen Fragen keinen Zweifel aufkommen. Hier gegen ein biographisch-psychologisches Verständnis des prophe-
schreibt eine Frau, die kein Interesse hat. an der Geschichte des tischen Ich bei Jeremia. Während jedoch Reventlow die Verwendung
Patriarchats, und sei es auch die biblische, etwas zu beschönigen oder des Ich wesentlich auf einem liturgisch-kultischen Hintergrund beur-
zu entschuldigen. Die gewissenhafte Anwendung der historisch- teilte, folgt Polk strukturalistischen und linguistischen Prinzipien,
kritischen Exegese, kombiniert mit kreativen Fragestellungen und indem er auf dem Wege synchroner Betrachtungsweise das prophe-
einer schwungvollen Schreibweise, haben zu einer Darstellung der tische Wort nicht als Reflex bestimmter historischer Umstände verFrauen
in der biblischen Glaubensgcschichtc geführt, die vorwiegend steht, sondern als Ausdruck prophetischer Selbstidcntilikation im
"1 den all. Teilen überzeugend ist und sehr schön dokumentiert, daß Prozeß immer tiefer und umfassender werdender Wahrnehmung gött-
d'e historisch-kritische Exegese als Methode für fraucnspezifische liehen Wortes. "It is Yhwh's self-revelation through his word that
Fragen und Optionen dehnbar ist und sich als Grundinstrumentarium marks Jeremiah's initiation as a prophet" (S. 55). Synchroner Be-
auch in der feministischen Forschung verwenden läßt. trachtungsweise folgend, arbeitet der Vf. aus den Ich-Worten des Jere-

Es ist sicher nicht gerecht, den Wert eines inzwischen vier Jahre miatextes eine Sprachstruktur heraus, die er als spezifische Selbst-
allen Buches an neueren Publikationen zu messen. Sowohl zum zwei- äußerung des Propheten vermittels seiner engen Beziehung zu Gott
len als auch zum fünften und sechsten Kapitel gibt es inzwischen versteht, "the language of the seif, which Jeremiah docs with notable
größere Monographien und Kommentare, die die Ausführungen von skill" (S. 57). "What is significant is that the text seems to intent on
Heister überholen, relativieren oder in den Schatten stellen (U. Win- showinga self-in-progress. though it does not present the progress in a
ter. C. Locher. O. Keel, M. Küchler. E. Schüssler-Fiorenza). Vor systematically chronological way. The text is concerned with rendc-
a'lem der ntl. Teil ist methodisch und in der Themenwahl keineswegs ring a unique identity, indeed a uniquely prophetic identity, and with
mehr repräsentativ oder auf der Höhe der feministischen Forschung. depicting Jeremiah's enaetment ofthis identity by his self-constituting
Davon abgesehen sind bedauerlich: der fehlende Einbezug außcrbibli- language and the exercise of essential human faculties and capacities.
sehen (archäologischen) Materials; die geringe Bezugnahme auf vor- It remains to be seen to what exent this identity and the mode of its
handene feministische Artikel/Arbeiten zum Thema, auf die ganze depietion funetion as an interpretive device for the book as a wholc"
Matriarchats-und Göttinnenfragc und vor allem der Verzicht auf jede (ebd.).

hermeneutische Diskussion. Ist die Qucllenschcidung der historisch- Der Vf. geht mit seiner Anschauung so weit, daß er behauptet, das

britischen Exegese (sowieso zur Zeit in einer argen Krise) relevant für Buch Jeremia sei kraft seiner poetischen und metaphorischen Quali-

Fraucnforschung? Mit welchem frauenfeindlichen Interesse schrieb täten "a work of the imagination" (S. 166). "This is not to say

z- B. ein Dtr? Bedeutet das nicht, daß die all. Quellen wegen andro- that it is fanciful. unreal, on untrue." Wohl aber komme in den Tex-

'entrischcr Abfassung viel ideologickritischer gelesen werden ten eine höhere Wahrheit zum Ausdruck, über die Welt ebenso wie

Bussen? Für eine feministisch-kritische Exegese des Alten Testa- über Gott, die sich einer ihr angemessenen spezifischen Sprache bc-

ments wird es notwendig sein, für ganz bestimmte bibl. Verfasser und dienen müsse, der zugleich die ganze Wahrheit des Lebens Jeremias