Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1988

Spalte:

228-229

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Schermann, Josef

Titel/Untertitel:

Die Sprache im Gottesdienst 1988

Rezensent:

Josuttis, Manfred

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

227

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 3

228

kündigungsszene und die Szene der Hl. Nacht tiefenpsychologisch
und religionsgeschichtlich ausgelegt. Das Grundanliegen Drewermanns
ist dabei, den symbolischen Gehalt der Szenen für den heutigen
Menschen unmittelbar zum Sprechen zu bringen. Methodisch
verfolgt er dieses Anliegen, indem er die christlichen Texte in den
Kontext antiker Mythen und Symbole stellt und den gemeinsamen
tiefenpsychologischen Gehalt aufzeigt. So wird in der Interpretation
der Verkündigungsszene der Mythos von der Zeugung des Pharao
durch den Windgott Amun aus der Königin lahme gleichsam als
Interpretationsfigur vor die Verkündigungsszene gestellt, um dadurch
die biblische Aussage von der Gottessohnschaft Christi in ihrer
anthropologisch-symbolischen Bedeutung unmittelbar - in einer fast
lyrischen Sprache - zum Sprechen zu bringen: „Kinder des Lichts
und des Windes sind wir, frei geborene, geistdurchwehte und bewußtseinserleuchtete
Wesen ohne Grenzen, nahe dem unsichtbaren Geheimnis
des Himmels, das Sublimste an ,Stoff", das auf Erden erscheinen
konnte." (52) Ahnlich stellt Drewermann die Symbolik der
Hl. Nacht neben den Mythos von der Geburt des Heilgottes Askle-
pios: auch dieser ein Gottessohn, Kind des Lichtgottes Apollo, auch
er auf der Wanderschaft geboren, von Hirten gefunden, die Szene
erleuchtet von göttlichem Lichtschein und erfüllt von der Himmelsstimme
, welche die rettende Bedeutung des göttlichen Kindes offenbart
. Wieder liegt der Sinn der Symbolik bei Asklepios wie bei Jesus
nach Drewermann darin, Würde und Wesen des Menschen aufzuzeigen
, hier seinen Übergangscharakter von der Dunkelheit zum
Licht, der Erde zum Himmel:ist nicht beides der Mensch: Ein im
Dunklen gefangener Stier, ein Kind der Zeugungskraft der Sonne und
der träumenden Schönheit des Mondes, dumpf in seiner irdischen
Knechtschaft und doch imstande, sich über alle Schranken hinweg-
zuschwingen in den Äther der Freiheit, in den Himmel des Lichts"
(97, Hervorhebung von Drewermann).

Die Zitate können die Sprache Drewermanns deutlich machen, die,
selbst zumeist sich in Symbolen und Bildern bewegend, wesentlich
dazu beiträgt, das erklärte Ziel des Buches zu erreichen: nämlich die
alten Symbole in neuem Glanz unmittelbar zum Sprechen zu bringen.
Es ist Drewermanns großes Verdienst, von der Systematischen Theologie
her, im Aufzeigen der inneren Eigenart religiös-theologischer
Gehalte, auf diese Notwendigkeit einer symbolsprachlichen Interpretation
christlicher Überlieferungsgehalte aufmerksam gemacht zu
haben. Von der Religionspädagogik und Pastoral wird diese schon seit
längerer Zeit unter praktischem Aspekt gefordert: Denn sie ist Voraussetzung
für eine dialogische gegenseitige Verflechtung und Erhellung
(Korrelation) von religiösem Überlieferungsgut einerseits und
gegenwärtigem Leben und Erleben andererseits. Drewermanns Buch
realisiert (vom Methodischen her) diese Möglichkeit auf eindrucksvolle
Weise.

Kritisch bleibt anzumerken, daß sich dürch dieses wie durch die
anderen Bücher Drewermanns jene Unentschiedenheit hinsichtlich
des Ursprungs und des Wesens der archetypischen Bilder hindurchzieht
, die sich schon beim Begründer der Archetypenlehre,
CG. Jung, findet (vgl. z. B. Ges. Werke, Bd. 9/1, 13-51, bes. 34f):
Einmal bilden diese „Urbilder der Seele" „Strukturdominanten der
Psyche", die nach Art eines „Instinkts" religiöse Projektionen hervorbringen
, dann wiederum „paßt das Wort .Projektion' eigentlich
schlecht", weil die Urbilder durch „Introjektion" einer ganzheitlich
wahrgenommenen Wirklichkeit erst in der Psyche entstehen. Ähnlich
sind bei Drewermann die mythischen Bilder einmal unveränderlich
„vorgegebene (archetypische) Szenen und Themengruppen", wie in
Buntglasfenstern zusammengestellt, wo nur der verschiedene Lichteinfall
die Bilder je nach der Tageszeit verschieden erscheinen und
verschieden ans Licht treten läßt (26f, Hervorhebung von Drewermann
). Die Bilder sind also in allen Religionen letztlich die gleichen,
und nur ihre jeweilige „Beleuchtung" ist verschieden (31). In anderen
Aussagen seines Buches dagegen „stellen die Mythen einen Versuch
dar, die hintergründige, den Sinnen verborgene Wirklichkeit der sinnlich
erfahrbaren Welt symbolisch zur Sprache zu bringen" (25),, sie

haben es „nicht zu tun mit ,Tatsachen', sondern mit der Bedeutung
von Tatsachen (ebd.), die sie im Symbol sichtbar machen. Diese Tatsachen
könnten dann je verschieden gedeutet werden, so daß die religiöse
Symbolik in den verschiedenen Religionen, durchaus verschieden
sein und - auch bei äußerlich ähnlichen Bildern - einen je verschiedenen
Ausdrucksgehalt gewinnen kann.

Nur diese letztgenannte Auffassung gibt dem Religiösen eine eigenständige
Wirklichkeit, während die erstgenannte Auffassung letztlich
nicht über die Feuerbachsche These von der Religion als einer Projektion
hinauskommt und alle Religionen unter sich gleich-gültig macht.
Dabei hilft es auch nicht weiter, zu sagen, „Gott" habe „die ewigen
Sinnbilder in die Seele des Menschen gelegt" (140). „Gott" erscheint
in dieser Aussage seltsam unsymbolisch in einer theologischen Sachsprache
, fast wie ein „deus ex machina", der aber nicht weiterhilft;
denn auch wenn Göll die Figuren der Glasfenster gemalt hat, bleiben
die Inhalte der Religionen unter sich gleich: nicht er wird ja - je
verschieden - von den Religionen wahrgenommen, sondern nur das,
was er- für alle gleich - gemalt hat.

Beide Auffassungen wirken in Drewermanns Buch. So wird durchaus
herausgestellt, daß die ägyptische Symbolik der göttlichen Geburt
exklusiv auf die „Korporativperson" des Pharao beschränkt ist, so
daß nur einer frei und alle anderen Menschen Sklaven sind (62), während
im Christentum die Gottessohnschaft jedem, auch dem „ärmsten
Sklaven Roms" (66) zugesagt wird. Dabei ist aber doch nur der
Geltungsbereich der Symbolik dort und hier verschieden, nicht aber
ihr innerer Ausdrucksgehalt: Daß die Gottessohnschaft einmal von
einem empirisch faßbaren amtierenden Gottkönig und einmal von
einem Gekreuzigten ausgesagt wird (auch wenn dieser als todesjenseitig
lebendig und zu Gott erhöht geglaubt und ganzheitlich erfahren
wird), unterscheidet die Symbolik in ihrem innersten Kern; dies
kommt kaum zum Tragen (z. B. müßten von daher die Unterschiede
der beiden „Verkündigungsszenen" genauer herausgearbeitet werden
). Ähnliches gilt auch für den Vergleich der Hl. Nacht mit der
Geburt des Asklepios. Dennoch ist es ein Erlebnis, angeleitet von Drewermanns
Buch die Symbolik der lukanischen Kindheitsgeschichte
„nach- und mitzuträumen" (91).

Aachen Georg Baudlcr

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Schermaus, Josef: Die Sprache im Gottesdienst. Innsbruck-Wien:
Tyrolia 1987. 211 S. 8' = Innsbrucker theologische Studien, 18.
Kart. DM 42,-.

Diese Innsbrucker Dissertation will „nach sprach- und Jiturgie-
wissenschaftlichen Gesichtspunkten die Sprache in der typischen und
signifikanten Situation Gottesdienst... beschreiben" (10). Gegenstand
ist das revidierte römische Meß-Formular, was natürlich nicht
ausschließt, daß die Ergebnisse auch auf andere christliche und außerchristliche
Kultformcn übertragbar sind. Am Schluß liefert der Vf.
eine schematische Wiedergabe der sprachlichen Elemente von Wort-
(Laudes und Vesper, 171 IT) und Mahlfeier (178ff).

Die beiden ersten Kapitel des Buches haben einleitenden Charakter
. Der Vf. informiert zunächst über grundlegende Entwicklungen im
Bereich von Linguistik und Sprachphilosophie f 13IT), wobei er sich
vor allem auf die Zusammenfassungen von G. Heibig, L U. Dalfcrth
und O. Muck stützt. Im zweiten Teil interpretiert er die liturgische
Feier als einen Kommunikations- bzw. Zeichenprozeß, wobei die folgenden
Komponenten ausführlich berücksichtigt werden: die Träger
(56ff), der Inhalt (63ff), der Festcharakter (69ff), die Zeichen (76ff).
Als grundlegende Gestaltungskriterien werden herausgearbeitet: Verständlichkeit
und Lebendigkeit (95ff), Gemeindebczogenheit und
Ordnung (98ff), Wahrheit und Authentizität (103ff), Wiederholbarkeit
und Spontaneität (106ff), Symbolcharakter und Transparenz
(llOff). i | , .