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Ausgabe:

1988

Spalte:

225-226

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bohren, Rudolf

Titel/Untertitel:

Lebensstil 1988

Rezensent:

Wolff, Gottfried

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Seite 1

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Theologische Litcraturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 3

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Gleichwohl muß nachdrücklich die Intention des Vf. unterstützt
werden, an dem Personbegriff' für die Trinitätslehre unbedingt festzuhalten
, auch wenn dies nicht auf einen „kommunikativen Person-
begriff" beschränkt zu werden braucht. Denn die innertrinitarische
Distinktion und Gemeinschaft der drei göttlichen Personen hat ihre
Bedeutung auch für die ökonomische Begegnung und Gemeinschaft
mit Gott in Jesus Christus durch den Heiligen Geist. Wort Gottes in
der Anrede an den Menschen und Gebet in der Anrede Gottes durch
den Menschen machen den Vollzug dieser personalen Relation aus.

Ich vermute. Rahner hat bei der Formulierung seines Problems
einiges davon gesehen, auch wenn er diesen Zusammenhang in seinen
Erwägungen zur Trinitätstheologie nicht verfolgt hat. Nicht so sicher
ist mir jedoch, ob Vf. diese Grundlagen und Zusammenhänge bewußtgeworden
sind. Dehn in einem abschließenden „Ausblick" (3280 gibt
er Hinweise auf umfassende Aufgaben zu einerweiteren Ausarbeitung
eines kommunikativen PersonbegrilTs, für die nicht nur zu einer
begrüßenswerten Kommunikation zwischen den theologischen Disziplinen
, sondern auch zwischen „Theologie, Philosophie und anthropologischer
Forschung" aufgerufen wird, ja sogar zu einer „ökumenischen
Kommunikation" „zwischen den monotheistischen Religionen
, zwischen westlichem und östlichem, asiatischem Denken".
(329)

Die Frage, ob man durch Begriffe tun kann, was durch das Wort des
Herrn zu geschehen hat, führt zurück zu dem Grundproblem, ob
durch Begriffe erschlossen wird, was der Herr als Person ist, oder ob
sich durch den Sohn Gottes und in der Kraft des Heiligen Geistes
erschließt, wer der Vater ist. Gelegentlich muß man wohl Autoren auf
das festlegen, was sie selbst vor Augen haben.

Erlangen Reinharfl Slenczka

Praktische Theologie: Allgemeines

Bohren, Rudolf: Lebensstil. Fasten und Feiern. Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag 1986. I76S.8". Kart. DM 34,-.

Hoffentlich führt der Titel nicht dazu, das Buch zu übersehen oder
als minder wichtig zu übergehen. Es geht dem Vf. nicht um Stilfragen.
Der Titel läßt nicht vermuten, wie sehr den Vf. die Frage umtreibt:
Steckt in der angepaßten Christenheit noch die Kraft, Lebensstil zu
Prägen und nicht nur zu übernehmen, den gesellschaftlichen Wandel
zu überholen und nicht nur hinter ihm herzulaufen. Als Leser sind
Laien gedacht, allerdings auch Theologen, insofern sie in der Frage
der Zukunftsprognosen auch Laien sind. Existentiell wird immer
wieder deutlich, wie frühere Gedanken eingeholt sind von eigenem
Erleben, wie eigene Geschichte aufgearbeitet wurde, auch in der Konfrontation
mit der dritten Welt in Indien und dem Schatz der Weisheit
der Wüstenvätcram Anfang der Kirchengeschichte. Seine persönliche
Betroffenheit spricht aus Formulierungen, deren Schärfe ihrer Deutlichkeit
nicht nachstehen: Die Solidität der Schweizer Pfarrhäuser, die
Segen die Wiederkunft Christi gebaut zu sein scheinen; das Erschrck-
ken darüber, wie sehr der Kunstsinn vielcrChristen dem Adolf Hitlers
gleicht; die Befürchtung, daß die. die eigentlich die Stillsten sein sollten
, die Bischöfe, mit ihrem pausenlosen Reden der Kirche vielleicht
mehr schaden als alles, was Augstein heißt, sind nur einige Beispiele.
Sein Buch kreist immer wieder um die Frage, ob die Christen vom
Evangelium her eine Antwort linden können auf die Herausforderung
durch die Stillosigkeit und die Stilbrüche dieser Zeit. Kann die Christenheit
eine Art Gcgenkultur entwickeln, die die Sehnsüchte unserer
Zeit aufnimmt und dem Menschen dient? Konservatismus ist für ihn
grundsätzlicher Verlust von Hoffnung. Elemente der Wiedergeburt
müssen vielmehr auf Neues verweisen, wenn auch alle christliche
Existenz fragmentarisch bleibt.

Der Vf. sieht dafür Möglichkeiten in fünf Bereichen: Lebensstil.
Lektüre, Fasten, Kunst und Askese. Sicher sind diese Gebiete subjektiv
ausgewählt, sicher wird nicht jeder allen Thesen zustimmen, etwa

der kritischen Wertung der Kindertaufe, oder alle Gedanken nach-
vollziehcn mögen, etwa bei der Magie des Kleides. Doch dies macht
nichts aus gegenüber der kritischen und doch positiven Aktualität,
gegenüber der Grundüberzeugung des Vf., daß die Christenheit die
Vorhut der neuen Erde sein sollte.

Einzelne Anmerkungen, zunächst zum Lebensstil: Die Kritik am
verbürgerlichten Christentum trifft, die Zitate über negative Pfarr-
hauserfahrungen malen vielleicht zu düster. Seine Begeisterung über
die Begegnung mit der Literatur cjer frühen Mönche nimmt man ihm
ab. Es sind wirklich neue Wertmaßstäbe zu gewinnen. Die Kritik am
mönchischen Lebensstil wäre eigentlich entbehrlich, in dieser Kürze
auch nicht richtig.

Zur Lektüre: Die vielseitigen Aspekte des Vf. sind in der Kirche des
Wortes durchaus nicht Allgemeingut, sondern bereichernde Vielfalt.
Das „Lesen als königlicher Akt", als gemeinschaftsstiftende Kraft,
schließlich der Begriff der „Bibliotherapie" zeigen, daß das Kapitel
durchaus Bezug zum Buchtitel hat und für die Rückgewinnung eines
christlichen Lebensstils unentbehrlich zu sein scheint.

Beim „Fasten und Feiern", heute besonders aus dem Gleichgewicht
geraten, bringt der Vf. viel Biographisches mit ein, durchaus nicht
nostalgisch, sondern als Erfahrung von Gesetz und Evangelium in der
eigenen Biographie, die auch dann nachempfunden werden kann,
wenn man Schweizer Verhältnisse nur aus der Literatur kennt.

Das Kapitel über die Kunst führt den Gedankengang weiter. Weil
Kunst der Heiligung zugeordnet wird, kann die für einen christlichen
Lebensstil wichtige Frage, ob es gelingt, den Sonntag wiederzugewinnen
, unter dieser Überschrift ausführlich unter Einschluß der eschato-
logischen Dimension abgehandelt werden. In der Verbindung von
Kunst und Geistesgegenwart läßt ihn sein großes Verständnis für
moderne Kunst hoffen, daß das imperiale Kunstbanauscntum der
Jahrhundertwende in der Kirche der Vergangenheit angehört.

Das Schlußkapitcl über die Askese ist zu kurz, um für manche Leser
Mißdeutungen auszuschließen. Askese ist für Vf. gründsätzlich positiv
, als Übung, Training zu sehen, vom Evangelium her zu sehen und
auf es hin zu üben. Die Beispiele aus dem Mönchtum hindern nicht
seinen evangelischen Charakter. Auch wenn man nicht für den
„ebenso nützlichen wie verheerenden Ameisenfleiß der Deutschen"
Luther verantwortlich machen sollte, ist der Kirche heute aufgegeben,
Wege zu zeigen, die Überfülle der heutigen Möglichkeiten so einzuschränken
, daß das Leben möglich bleibt. Ohne Formen der Askese
wird es unmöglich sein. Dabei ist die theologische Reflexion der
Askese besser gelungen als die Bemühung um die kritische Theorie,
deren größerer Umfang immer noch nicht ausreicht, um genügend zu
begründen.

Mit am wertvollsten sind die Schlußgedanken, die aus der Fülle der
Möglichkeiten zwei für jede Erneuerung unverzichtbare Themen herausgreifen
: Die Rückgewinnung der Stille und des Sonntags. Ohne
den Mut zur Stille wird ein Christcnmcnsch seine Freiheit nicht finden
, und Erneuerung der Christenheit wird es nur geben, wenn das
Volk Gottessich wieder aufmacht, ein Fest in der Wüste zu feiern.

So ist Bohrens Buch mit seinen Mahnungen hilfreich; es kann
ermutigen und vorwärtsführen. Daß vieles, durch den Buchumfang
bedingt, sehr kurz ausfallt, wird durch das persönliche Sicheinbringen
des Vf. aufgewogen. Durch seine Aufrichtigkeit nimmt man ihm auch
radikale Urteile ab, weil sie einen selbst betroffen machen können.

Moser bei Burg Gottfried Wolff

Drewermann, Eugen: Dein Name ist wie der Geschmack des Lebens.

Tiefenpsychologische Deutung der Kindheitsgeschichtc nach dem
Lukasevarjgelium. Frciburg-Basel-Wicn: Herder 1986. 167 S. m.
8 Farbtaf. gr. 8 geb. DM 29,80.

Der Band ist sehr geschmackvoll ausgestaltet und mit vielen, teilweise
auch farbigen Bildern versehen. Nach „einstimmenden" Überlegungen
zur Wirklichkeit des Mythischen werden vor allem die Ver-