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Ausgabe:

1988

Spalte:

221-222

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Gnuse, Robert Karl

Titel/Untertitel:

The authority of the Bible 1988

Rezensent:

Kühne, Hans-Jochen

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Theologische Litcraturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 3

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Zusammenhang zwischen mathematischen Einsichten und experimentellen
Beobachtungen. Im 2. Kapitel (30-58) werden die Anfänge
der neuzeitlichen Philosophie skizziert, wobei H. sowohl auf den
Rationalismus Descartes' als auch auf den englischen Empirismus
(J. Locke. D. Hume) eingeht. Aber - und das ist für einen amerikanischen
Autor nicht selbstverständlich - als erster und bis heute nicht
überschrittener Höhepunkt der neuzeitlichen Philosophie gilt H. das
Denken Kants, das zugleich eine entscheidende Veränderung des
theologischen Offenbarungsverständnisses nach sich ziehe. Im
3. Kapitel (59-96) folgt eine Darstellung der biologischen Evolutionstheorie
von Darwin bis zur Molekularbiologie und der neuen
Physik des 20. Jh., wobei H. sowohl die Relativitätstheorien Einsteins
als auch die Quantentheorie (M. Planck, N. Bohr, W. Heisenberg)
behandelt. Das 4. Kapitel (97-122) beschäftigt sich mit der Tiefenpsychologie
bzw. Psychoanalyse S. Freuds, A. Adlers und
C. G. Jungs. Schließlich geht H. im 5. Kapitel (123-167) der Bedeutung
der historisch-kritischen Forschung für das Verständnis des
Alten (125-128) und Neuen Testaments (128-161) nach, wobei er
sich um eine chronologisch und problemgcschichtlich angelegte
Darstellung bemüht, bei der insbesondere die Einsichten und Werke
deutschsprachiger Exegeten vom 18. Jh. bis zur Gegenwart zur
Sprache kommen.

Überblickt man den Inhalt dieser 5 Kapitel, so ist deutlich, daß H.
vorrangig die Herausforderungen artikuliert, vor denen die Theologie
m der Moderne aufgrund der wissenschaftlich-kulturellen Veränderungen
steht. Diese Herausforderungen faßt er in dem Bewußtsein
zusammen, daß die moderne Theologie durch die Einsicht in die
historische und kulturelle Relativität aller Inhalte bestimmt sei.
Damit zeigt sich noch einmal, daß H. das Bewußtsein der Krise zur
Sprache bringt, von der die Theologie, wie wir seit Schlciermachcr,
Troeltsch. E. Hirsch u. a. wissen, nur um den Preis ihrer Ghettoisie-
rung abstrahieren könnte. Allerdings sollte diese Krise nicht nur
geistes- oder idecngeschichtlich aufgearbeitet werden. Denn zu ihr
gehören auch die industriellen und politischen Revolutionen, die, wie
zumindest E. Troeltsch gesehen hat, das alltägliche Leben und
Bewußtsein im allgemeinen und die christliche Religion und ihre
Theologie im besonderen mindestens so nachhaltig bestimmen wie
die von H. behandelten wissenschaftlich-kulturellen Veränderungen
.

München Falk Wagner

Systematische Theologie: Dogmatik

Gnuse, Robert: The Authority of the Biblc. Theories of Inspiration,
Revelation and the Canon of Scripturc. New York-Mahwah: Paulist
Press 1985. V, 153 S. 8

Gnuse, Alttestamentier an der Loyola-Universität in New Orleans,
flöchte bes. interessierten Bibellcsern und Theologiestudenten die
unterschiedlichen theologischen Zugänge zum Problem der Schrift-
autorität verdeutlichen. Wie so oft bleibt dabei die orthodoxe Tradi-
■00 leider außer Betracht. Die Frage nach der Begründung der
Schriftautorität (the locus of biblical authority) ist ein Kennzeichen
der theologischen Diskussion der letzten zweihundert Jahre, ausgelöst
durch wissenschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen (102).

Entsprechend dem Umfeld des Vf. nimmt in der Darlegung die
'nspirationslehre einen breiten Raum ein (Kap. 3-7). Es werden einzelne
Formen vorgestellt: Strikte und begrenzte Verbalinspiration,
"ichttextuellc Inspiration (Insp. von Ideen bzw. einzelnen Personen),
Inspiration der Gemeinschaft (social inspiration). Am ehesten kann
aufgrund der Textgeschichte einer "social inspiration" (Rahner.
McKenzie u. a.) zustimmen (61 f). Als Begründung der Schriftautorität
wird von ihm jedoch die Inspiration ganz zurückgewiesen.
Authority is the prior categorie. Inspiration is a corollary; it is subor-
dinate . . . Inspiration is a second or'dcr doctrine. Inspiration describes
a quality of the text. büt the coneept of authority seeks to describe why

the Scriptures should bc used" (640- Sein Anliegen ist, "to show that
other v.ays of understanding the Bible's authority have been proposed,
and some of them have distinet advantages over inspiration modeis"
(I). Hierzu gehören der heilsgcschichtliche Ansatz (Kap. 9), das
cxistentialc Verständnis der Schrift (Kap. 10) und das christozen-
trische Modell, wo auch über „Kanon im Kanon" referiert wird
(Kap. 11). Kap. 12 behandelt Konzeptionen, die die Schriftautorität
begrenzen (modcls of limitation). Dazu gehören die Behauptung eines
„offenen Kanons", die gegen reformatorische Betonung des Hl. Geistes
und der Kirche in der kath. Theologie vor dem Vaticanum II
sowie letztlich alle Versuche eines zeitgenössischen Verstehens der
Schrift, deren eigentliche Norm das moderne Denken ist. Die gegenwärtige
kath. Konzeption der Einheit von Schrift, Tradition und
Lehramt bietet Tür G. anscheinend keine Probleme, was ein Zeichen
für vereinfachende Tendenzen in der Darstellung ist (s. u.).

Bei der Beurteilung der einzelnen „Modelle" werden jeweils Stärken
und Schwächen herausgestellt. Durchgängig wird dabei auf die
Gefahr der Subjektivität, d. h. der Verdrängung der Schriftautorität
durch andere normativ wirkende Faktoren hingewiesen (71. 79, 93
u. ö.). Das wirkt nicht nur stereotyp, sondern löst Rückfragen aus.
Glauben ist ein personales Geschehen. Müssen folglich nicht auch
Schriftautorität und Subjektivität positiv aufeinander bezogen sein?
Darüber wäre weiter nachzudenken. Problematisch für eine Theologie
ist letztlich nicht rechte, dialogisch verstandene Subjektivität, sondern
die Verobjektivicrung.

Sein eigenes Verständnis der Schriftautorität entfaltet G. vor allem
in den letzten beiden Kapiteln seiner Übersicht, in denen er die
Kanongeschichte (Historical Emcrgence of the Authoritative Bible)
und die ökumenische Diskussion über Schrift und Tradition (bes.
Faith and Order, Montreal 1963 und Vaticanum II) behandelt. Beides
belegt nach G. die Verflochtenheit der Lehre von der Schrift mit der
Lehre von der Kirche (110). "The authority of the Biblc is a shared
authority, for the paradox of the intertwined Scriptures and the
Community of faith implies that divine presence an binding authority
lies in both. The authority of the Bible and the authority ofthe Church
are one" (112). G. räumt ein, daß das keine endgültige und vollkommene
Erklärung der Schriftautorität ist. Diese gibt es nicht! "As
God is beyond our reach, perhaps a final definition of biblical authority
will remain beyond our reach" (124). Das verweist auf die eigentliche
Autorität: Gott. "The Bible is not an absolute authority; it is
only one of the authorities which God has given to us along with other
institutions in the Church . . . The Bible is not the absolute authority;
only God can be that" (123 f).

G. ist damit vor der ökumenisch und fundamentaltheologisch gleichermaßen
notwendigen genaueren Untersuchung des Verhältnisses
von Schrift und Kirche ausgewichen. Das ist die Schwäche der vorliegenden
Arbeit. Ihre Stärke: Die in der Kürze der Darstellung eindrückliche
(oder auch erdrückende) Vielzahl an theologischen Bestimmungen
der Schriftautorität gemahnt uns daran, nicht in erster
Linie als Kirchen über Theorien zur Autorität der Bibel zu streiten,
sondern willens zu sein, miteinander aus der Botschaft der Bibel zu
leben. Die Frage nach der Autorität der Bibel ist die immer neue Frage
nach ihrer tatsäc hlichen Geltung in der Kirche.

Corr.: Mehrfach haben sich in dem sonst sorgfaltig edierten Werk Druckfehler
bei deutschen Literaturangaben und BegrifTcn eingestellt, was bei einer
Neuauflage korrigiert werden sollte.

Kamenz Hans-Jochen Kühne

Hilberath, Bernd Jochen: Der Personbegriff der Trinitätstheologie in
Rückfrage von Karl Rahner zu Tertullians „Adversus Praxean".

Innsbruck-Wien: Tyrolia 1986. 365 S. 8" = Innsbrucker theologische
Studien, 17. Kart. öS 520.-.

In mehreren Angängen und zusammenfassend in seinem Beitrag
„Der dreifaltige Gott als transzendenter Urgrund der Heilsge-