Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1988

Spalte:

214-217

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Jaeschke, Walter

Titel/Untertitel:

Die Vernunft in der Religion 1988

Rezensent:

Moritz, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

213 Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 3 214

Curran, Charles E., and Richard A. McCormick, S. J. [Ed.]: Official
Catholic Social Teaching. New York - Mahwah: Paulist Press 1986.
XI, 459 S. 8" = Readings in Moral Theology, 5

Die Soziallehre der römisch-katholischen Kirche ist im Gespräch.
Mindestens seit dem II. Vatikanischen Konzil und seiner großen
Pastoralkonstitution über „Die Kirche in der Welt von heute" -
„Gaudium et spes" -, mindestens seit den Sozialenzykliken der
letzten Päpste, von „Mater et magistra" und „Pacem in terris"
Johannes' XXIII. bis „Laborem exercens" Johannes Pauls D.,
mindestens seit der breiten Diskussion über die lateinamerikanischen
Theologien der Befreiung, denen gegenüber die offizielle Soziallehre
der Kirche gleichsam als ein Gegengewicht immer wieder eine besondere
Betonung erfährt - seit geraumer Zeit also konzentriert sich das
Interesse vieler Beobachter auf diesen Bereich kirchlicher Lehre und
kirchlichen Lebens. So gesehen ist der vorliegende Sammelband von
ziemlicher Aktualität und kann der Aufmerksamkeit breiter Kreise
sicher sein, zumal es sich um einen Versuch handelt, die ganze Breite
des Bereiches ins Auge zu fassen, und noch dazu aus recht unterschiedlichen
Perspektiven. Dabei geht es nicht darum, gleichsam als
eine Art Lehrbuch diese Lehre materialiter ausführlich zu entfalten,
sondern vielmehr sie in ihrem Geschehen darzustellen mit ihren
Hintergründen, jeweils neu bedingten Schwerpunkten, ihrem Eingebundensein
in die Geschichte der Kirche insgesamt und unlösbar
verknüpft mit den Personen, die sie vortragen.

Der ziemlich starke Band umfaßt 25 Einzelbeiträge recht unterschiedlichen
Umfanges (zwischen 8 und 33 Seiten),, in der Mehrzahl
erst in jüngerer Zeit, zwischen 1980 und 1984 geschrieben (der älteste
stammt aber immerhin schon aus dem Jahre 1932, ein anderer von
1956) und insofern durchaus die aktuelle Situation erhellend, sämtlich
schon einmal abgedruckt, zumeist in Zeitschriften, zuweilen erst
für diese neue Veröffentlichung aus anderen Sprachen (Deutsch!)
übersetzt, keineswegs also allein dem amerikanischen Kontext entnommen
. Schon darin wird das Bestreben deutlich, ein repräsentatives
Bild zu entwerfen, nicht einlinig eine vorgegebene, amtliche
Meinung durchzuziehen, sondern eine Fülle von Standpunkten und
Meinungen zu Worte kommen zu lassen. Überschneidungen in der
Sache scheinen dabei direkt gewollt, weil der verfolgten Absicht sicher
förderlich. Ein zusammenhängendes Ganzes ergibt sich auf diese
Weise zwar erst in sekundärer Hinsicht, dennoch aber kaum
geschmälert und gewiß in solcher Einschränkung angemessener dargestellt
als in einem systematischen Entwurf, der von einem Ganzen
ausgeht, das es in dieser Weise wohl gar nicht gibt.

Die 25 Beiträge sind in drei Hauptteile zusammengefaßt: Der erste
Teil (S. 1-166) behandelt die historische Entwicklung dieser Sozial-'
lehre. Sie setzt ein bei den Hintergründen der Enzyklika „Rerum
novarum" Papst Leos XIII. 1891 und den sich anschließenden Verlautbarungen
(E. Cahill, The Carholic Social Movement. Historical
Aspects, S. 3-31, der Beitrag von 1932) und führt bis zu „Populorum
Progrcssio" Pauls VI. 1967 und zur Bischofssynode 1971 mit ihrem
Dokument „Gerechtigkeit in der Welt". Dabei kommen neben den
großen Sozialenzykliken, die auf diesem inzwischen schon 95jährigen
Wege fast wie Meilensteine wirken (vor allem „Quadragesimo anno"
1931 und „Octogesima adveniens" 1971, dazwischen „Mater et magistra
" 1961, „Pacem in terris" 1963, „Populorum progressio" 1967)
durchaus auch einzelne Sachfragen zu eingehenderer Entfaltung, z. Ö.
die nach den Menschenrechten, die Neuorientierung durch Johannes
XXIII., die Verwirklichung der Gerechtigkeit als ein Konstituti-
vum für die Verkündigung des Evangeliums. Von besonderem Interesse
ist der Bericht des Altmeisters römisch-katholischer Soziallehre
Oswald von Nell-Breuning über seinen persönlichen Anteil an der
Abfassung von „Quadragesimo anno" 1931 (S. 60-68).

Der zweite Teil (S. 167-284) ist überschrieben: Überblicke und
gegenwärtige Diskussionen. Von den hierunter zusammengefaßten
sieben Beiträgen befassen sich vier thematisch mit den Verlautbarungen
des gegenwärtigen Papstes Johannes Pauls II., besonders mit seiner
Enzyklika „Laborem exercens" 1981, die sich - 90 Jahre nach
„Rerum novarum", 50 nach „Quadragesimo anno" und 10 nach „Octogesima
adveniens" - ja ganz bewußt in Zusammenhänge stellt und
somit die Frage nach Kontinuität und Veränderung geradezu selber
stellt. Sie ist denn auch in mehreren Beiträgen der rote Faden bis hin
zur Würdigung des nationalen Hintergrundes Johannes Pauls II.

Der dritte Teil schließlich - „Einschätzungen und Perspektiven"
(S. 285-457) enthält eine Reihe von Kommentaren zur gegenwärtigen
Situation aus verschiedenen Blickwinkeln: Weltrat der Kirchen,
Marxismus (J. Lukäcs - Budapest), Dritte Welt. Feminismus, Befreiungstheologie
u. a. Damit werden jedoch nicht nur verschiedene
Aspekte extra herausgehoben, sondern .direkt Konfliktzonen angesprochen
, in denen sich die Soziallehre der römisch-katholischen
Kirche heute zu bewähren hat. Allerdings fällt es hier nun doch etwas
beeinträchtigend ins Gewicht, daß einige Bezüge (Dritte Welt. Befreiungstheologie
) nicht bis in die unmittelbare Gegenwart ausgezogen
sind, eben durch den Rückgriff auf schon vorliegende Publikationen
(1976 bzw. 1980). Das ist schade. Denn somit bleiben doch eine Reihe
aktueller und ja auch ausgesprochen brisanter Fragestellungen unauf-
genommen.

Alles in allem aber: Eine gute, instruktive Zusammenfassung
gewichtiger Stimmen zu dem Teil des kirchlichen Auftrages, dessen
Ausrichtung gerade heute von entscheidender Bedeutung für das
kirchliche Handeln überhaupt sein dürfte. Daß der Blick über die
Grenzen der eigenen Kirche hinaus wenigstens an einer Stelle einmal
gewagt wird (T. S. Derr, Methodological Differcnccs: The Holy See
and the Wold Council of Churches, S. 287-300), soll doch noch einmal
unterstrichen werden. Es sollten aber nicht nur die Differenzen
zur Kenntnis genommen werden, sondern ebenso und mehr noch die
Herausforderungen, vor denen sich alle Kirchen in gleicher Weise zu
sehen haben, und dann auch die Möglichkeiten, ihnen gemeinsam zu
begegnen im Interesse des gemeinsamen Zeugnisses, an dem gerade
auf diesem Gebiete äußerst viel gelegen ist.

Schöneiche bei Berlin Hubert Kirchner

Philosophie, Religionsphilosophie

Jaeschke, Walter: Die Vernunft in der Religion. Studien zur Grundlegung
der Religionsphilosophie Hegels. Stuttgart: frommann-
holzboog 1986. 478 S. 8'= Spekulation und Erfahrung. Texte und
Untersuchungen zum Deutschen Idealismus. Abt. II: Untersuchungen
, Bd. 4. Lw. DM 110,-.

Der Verdacht, daß die Religion eine „exklusiv, subjektive Lenkung
", d. h. ein nur einer exklusiven Minderheit zugängliches subjektives
Gemächte'sei, läßt auch die Theologie, nicht unbetroffen. Daß
dem aber so sei. dürfte die dominierende wissenschaftliche Auffassung
unserer europäischen Gegenwart sein. Die Konzeption von Religion
als Projektion menschlicher Wünsche, Hoffnungen oder Ängste, sei es
einzelner oder auch in Gruppen zusammengefaßter einzelner, gibt
diese Situation komprimiert wieder. In dieser für Religion und Theologie
schwierigen Situation ist es hilfreich, wenn Vernunft bemüht
wird, dem Anliegen der Religion gerecht zu werden. Lediglich historische
Besinnung könnte diese Hilfe wohl kaum leisten, auch nicht,
wenn hervorragende Autoritäten eingesetzt werden, wohl aber eine
systematisch-sachbezogene Konzeption, die am geeigneten und entsprechenden
historischen Bezugspunkt festgemacht ist. Hegels Philosophie
, insbesondere aber seine Religionsphilosophie, bietet einen
solchen Bezug, der der Gefahr eines nur historistischen Verfahrens -
welches weder philosophisch noch theologisch hilfreich wäre - gut
widerstehen kann. Diesem Grundproblem hat Walter Jaeschke mit
seinem Werk Rechnung getragen.

Es ist ihm, aber auch dem Verlag, sehr zu danken, <jaß sie, gegen den
Strom gängiger Klischees stehend, die „Studien zur Grundlegung der
Religionsphilosophie Hegels" der wissenschaftlichen Öffentlichkeit