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Ausgabe:

1988

Spalte:

205-207

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Die Kunst und die Kirchen 1988

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 3

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R. Albrecht und W. Schüßlcr dieses Buch vor: eine zuverlässige Einführung
in die geistige Arbeit Paul Tillichs. Seine Werke werden dargestellt
eingebunden in neun Lebensabschnitte; die „Systematische
Theologie" und die drei Hände „Religiöse Reden" sind zusätzlich
bedacht. Die vier Autoren haben es unternommen. Interessierte mit
dem Werk Tillichs bekannt zu machen, z. T. jedoch ist es eher eine
Einführung in sein Denken für Leser, denen Tillich bereits in irgendeiner
Weise bekannt ist. Gut gelungen ist es, Schwerpunkte des Denkens
auf dem jeweiligen biographischen Hintergrund zu zeigen, wobei
viele Erkenntnisse aus Briefen an oder von Tillich erschlossen wurden
. Damit ist in beachtenswerter Weise vorgelegt, was vor langer Zeit
als Gegenstück zum Band I (Pauck: Das Leben auf dem Hintergrund
des Werkes) geplant war: ein nicht so deklarierter Band II „Das Werk
auf dem Hintergrund des Lebens".

Paul Tillichs Interesse an den Zusammenhängen von Philosophie,
Theologie, Politik und Kultur ist erfaßt und bedacht. Es fällt auf, daß
von den elf Kapiteln neun von katholischen Theologen geschrieben
wurden. Dabei ist der Anteil von E. Rolinck (Die Frankfurter Jahre
[1929-1933]) nicht hinreichend mit den anderen Beiträgen abgestimmt
, so daß es hier zu gelegentlichen Doppeldarstellungen von
Vorgängen oder Gedanken kommt. Die Kapitel von S.-M. Wittschier
(Die Jahre in New York II [1950-1955] und die „Systematische
Theologie") sprengen den Charakter des Buches, denn sie bieten eher
eine Auseinandersetzung zwischen den Vorstellungen des Autors und
Paul Tillich an. Das ist besonders bedauerlich lür die „Systematische
Theologie" und legt dem an einer Übersicht interessierten Lesereine
schwer durchsichtige Lektüre im Sinne eines durchaus diskutablen
Essays für Kenner vor. Sechs Kapitel und damit die Hauptarbeit stammen
von W. Schüßler. Ihm gelingt es überzeugend, die Gedankenarbeit
Paul Tillichs zu erfassen und darzustellen mit Rückbezug auf
die Tillich bekannten philosophischen und theologischen Quellen.
Eine hervorragende und sonst kaum zu findende Darstellung und
Wertung des Predigers Paul Tillich (Der Erste Weltkrieg [1914-1918]
und die „Religiösen Reden") bietet der einzige evangelische Autor
A. Rössler.

Das Buch konzentriert sich auf Schriften und Vorträge Tillichs, die
als Schlüssel seines Denkens angesehen werden können, und vermeidet
so eine Überfülle an Hinweisen. Es kommt dem Buch spürbar
zugute, daß die Herausgabc der Werke Tillichs erfolgt ist. Ganz
nebenbei löst die Zusammenstellung des Gedankengutes mit dem
biographischen Hintergrund die oft gestellte Frage, ob Tillichs Werk
einheitlich zu sehen oder in zwei Perioden aufzuteilen ist, denn bei
aller Gliederung in Lebensabschnitte zeigt sich doch eine Fülle von
Denkbezügen querdurch die verschiedenen Lebensjahrzehnte.

Die letzten Seiten stellen die Hg. und Autoren vor und präsentieren
das Orts-, Personen- und Sachregister.

Greifswald Reinhard Glöckner

Christliche Kunst und Literatur

Beck, Rainer, Volp, Rainer, u. Gisela Schmirber: Die Kunst und die
Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München: Bruckmann
1984. 328 S. m. 63 z. T. färb. Abb. gr. 8' = Pantheon Colleg.

Das Buch ist einem alten und heute wieder aktuellen Thema in
Theologie und Kirche gewidmet. Die Hgg. verstehen es „als Informa-
tions- und Diskussionsbeitrag" und „als Anstoß, das Verhältnis von
Kunst und Kirche neu zu ordnen". In der Kirchengcschichte erweist
sich das Verhältnis der Kirche zur Kunst „als Gradmesser ihres jewei-
'■8en Glaubensverständnisses" (S. 80- 31 Beiträge von evangelischen
und katholischen Theologen, von Kunsthistorikern und Künstlern.
z- T. auszugsweise veröffentlichte Dokumente mitgezählt, werden zu
5 Kapiteln zusammengefaßt. Einige Beiträge wurden 1983 auf dem
'8. Evangelischen Kirchbautag in Nürnberg gehalten. Gerade das

breite Spektrum der Gedanken und Argumente, die um das Thema
„Kunst und Kirche" kreisen, läßt die Bedeutung eines verantwortlichen
Umgangs mit Kunst erkennen. Der begrenzte Umfang der Rezension
gestattet nicht die Nennung und ausreichende Würdigung
aller Beiträge.

Im 1. Kapitel unter der Sammelüberschrift „Herausforderung"
handelt zunächst Eberhard Roters über „Die Bildwelt der Kunst als
Herausforderung der Kirche" (S. 13-24).. Er sieht in der Kunst ein
Symptom christlichen Bewußtseins, wobei die Gegenwartskunst auch
deutlich durch das gebrochene Verhältnis von Kunst und Kirche
gekennzeichnet ist. „Der Kirche sind die Bilderabhanden gekommen,
den Bildern ist die Kirche abhanden gekommen." (S. 18) Ohne weitere
Aspekte zum Problem aufzuzählen, scheint mir das positive Fazit
des Vf. unter der Überschrift „Das Bild als Organ der Gottheit" wichtig
. Er nennt hierfür vier Eigenschaften: Präsenz, Evidenz, Immanenz
und Transzendenz (S. 23f).

Der evangelische Theologe Rainer Volp („Die reformatorischen
Kirchen und das Bild", S. 34-38) tritt, ausgehend von Luther, für
einen verantwortlichen Umgang mit den Bildern ein. „Nicht Vereinnahmung
- Übereinstimmung an der Wurzel wird gesucht." „Bilder
sind Glaubenspotcntiaic"; denn die „bildende" Kunst hilft zu formulieren
, „wie Liebe und Sterben - die großen Themen unseres Glaubens
- authentisch werden" (S. 360- Egon Kapellari („Sprache der
Kunst - Sprache des Glaubens", S. 38-47) geht von der heutigen
Sprachnot dieser beiden Bereiche aus. Er sieht heute insbesondere die
Gefahr der Reduzierung von Kirche auf eine ethisch-politische Lei-
stungsgcsellschaft, „in der auch das Gute ohne innerliche Freude
getan wird" (S. 41).

Das 2. Kapitel befaßt sich unter dem Thema „Geschichtliche Perspektiven
" mit den Veränderungen in der Beziehung zwischen Kirche
und Bild, besonders durch die Reformation und seit der Aufklärung,
und lührt zu der Frage, „welche Bilder Botschaftsträger sind und in die
Kirche aufgenommen werden" (S. 49). Die in sich abgeschlossenen
Beiträge sind zu einem aufschlußreichen Gesamtbild zusammengefügt
, das vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht und die Probleme
jeder Epoche herausarbeitet. Der Rez. beschränkt sich auf zwei Beiträge
zum 19. und 20. Jh. Rainer Volp („Transzendenz als Prüfstein".
S. 93-102) setzt sich kritisch mit den gegensätzlichen Strömungen in
der christlich bzw. religiös geprägten Malerei des 19. Jh. auseinander
(Nazarener zum einen, Friedrich und Runge zum andern) und prüft
ihre Tragfähigkeit. Man wird Volps Ansatzpunkt zustimmen können:
„Es genügt nicht, mit Overbeck nur zu fordern, daß Gott verherrlicht
und der Nächste erbaut werde, sondern zu fragen, wie dies unternommen
wird." (S. 93) Das Neue und Wegweisende einer transzen-
dierenden Kunst „als Merkzeichen eigener Grenzerfahrung" zeige
sich gerade nicht bei den Nazarenern, sondern bei den Einzelgängern
wie Friedrich und Runge.

Ohne Spiritualität näher definieren zu können, sieht Wieland
Schmied („Spiritualität in der Kunst des 20. Jahrhunderts",
S. 112-135) in den verschiedenen zeitgenössischen Kunstrichtungen
ein spirituelles Anliegen wirken.

Das 3. Kapitel ist dem „Streit um die Autonomie der Kunst" gewidmet
. Herbert Schade S.I reflektiert die Beziehungen zwischen „Kirche
und autonomer Kunst" (S. 155-169). Ohne die autonome Entwicklung
der neueren Kunst grundsätzlich abzulehnen, sucht Vf. nach Wegen
für ein positives, partnerschaftliches Verhältnis von Kunst und
Kirche, welches letztlich beiden zugute kommt. Horst Schwebel
(„Autonome Kunst und kirchlicher Auftrag". S. 170-180) vergleicht
die Rede des Papstes vor Künstlern und Publizisten in München 1980
mit einem gleichzeitigen Positionspapier der Deutschen Bischofskonferenz
. Während der Papst der Kunst Autonomie zubilligt, vertreten
die Bischöfe ausdrücklich ihre Heteronomic. sofern sie im Dienst
von Kirche und Verkündigung steht. Schwebel selbst zielt auf eine
weitherzige und weitblickende christliche Verantwortung bei der
Beanspruchung von Kunstwerken für die Kirche (5-Punkte-Pro-
gramm. S. 178-180). Für Rainer Volp (,,Religiöse Erfahrungen in der