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Ausgabe:

1988

Spalte:

193-194

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich 1988

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 3

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etwas einseitig, von der jüdischen ist ohnehin nur der am Dialog interessierte
liberale Teil im Blick.

Der Versuch, durch Rückgang auf den „unchristologischen" Jesus
der Geschichte einen Ausgleich mit dem Judentum anzustreben, erscheint
mir selbst ungeschichtlich. Die Frage ist ja nicht, ob Christo-
logie und Judentum vereinbar sind, sondern ob das Christentum, das
geschichtlich wirksam geworden ist, sich mit theologischem Recht auf
den Jesus der Geschichte zurückbezichen kann. Ein lebendiger Dialog
setzt voraus, daß beide Seiten ihre eigene Geschichte nicht ausblenden
, sondern in das Gesprach einbringen.

Halle (Saale)/Leipzig • Karl-Wilhelm Niebuhr

Kirchengeschichte: Mittelalter

Schneider, Reinhard [Hg.]: Das spätmittclalterliche Königtum im
europäischen Vergleich. Sigmaringen: Thorbecke 1987. 543 S.
gr. 8' = Vorträge und Forschungen, 32. Lw. DM 128,-.

Tagungen des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte
haben sich 1983 und 1984 mit dem Thema Königtum im
späten Mittelalter beschäftigt. Die gehaltenen Vorträge werden hier
geboten (mit einer Ausnahme). Der Hg. R. Schneider, der das Thema
vorgeschlagen hatte, verweist in der Einführung auf die verschiedenen
Probleme und die unterschiedliche Lage in den europäischen
Ländern. Es konnten nicht alle Königreiche erfaßt werden, ein „Auswahlprinzip
" kam zur Anwendung (13).

Teil I beschreibt „Das Königtum in der Krise um die Wende des
14./15. Jahrhunderts" (17-294). In einer Zusammenfassung erinnert
R- Schneider an einen biblischen Tatbestand: Nach dem Bericht des
Cosmas von Prag (t 1125) hat „Libusa, die sagenhafte Richterin des
böhmischen Stammes, in direkter Anknüpfung an I. Samuel 8, vor
einem König gewarnt" (284/285). Eine derartige „Fundamentalkritik
" scheint danach bis zur Zeit der Hussiten unterblieben zu sein.
Wörtlich sagt Schneider: „Die wichtigste Gemeinsamkeit ist im europäischen
Rahmen das Königtum selbst, das als solches sogar unumstritten
gewesen zu sein scheint" (288). Dabei spielt auch die ideelle
Seite eine große Rolle, die Königseinsetzung „mit feierlicher Salbung.
Krönung und Inthronisierung". Die Kontinuität des Königtums wird
noch unterstrichen durch „Totenkult, Grablage und spezifische
Formen der Königsgräber" (292). Doch bezieht sich der Sakralcharakter
„weniger auf die Person als auf die Institution König/
Königtum" (293). Das gilt auch für die „im Spätmittelalter wieder
stärker auflebende Vorstellung vom rex et sacerdos" (293). Das königliche
Selbstverständnis kommt gerade in Feiern, Einzügen und Prozessionen
zum Ausdruck. Bedeutung kommt auch dem Mantel zu,
»der zum Krönungsornat gehört und grundsätzlich von einem
Herrscher auf den anderen tradiert wird" (293). Eine Erinnerung an
den Mantel, der vom Propheten Elia an Elisa überging (2Kön2).
scheint es dabei jedoch nicht gegeben zu haben (?). Für das Thema
••Königtum" ist wichtig die Feststellung, daß selbst ureigene „Bereiche
der königlich-herrschaftlichen Komponente nicht gänzlich
isolien von ständisch-genossenschaftlichen Momenten gesehen und
verstanden werden können" (293).

Teil II ist überschrieben „Königtum und Reformversuche in der
^itte des 15. Jahrhunderts" (295-516). Elmar Wadle bietet eine Zusammenfassung
(499-516). Das Thema König und Kirche ist von Be-
'ang. Eine königliche Herrschaft über die Kirche gab es für das
r°misch-deutsche Königtum. „Sieht man von der wechselvollen Einflußnahme
auf die Konzilien des 15. Jahrhunderts ab, so sind vor
a"ern zwei Instrumente im Blickfeld gewesen . . .: zum einen die Re-
Sälienleihc. zum anderen das Zustimmungsrecht, das Friedrich III. im
Ausgleich mit dem Papst eingeräumt worden ist und sich auf eine
stattliche Zahl von Bistümern erstreckte" (511). Auch in Ungarn hatte
^er König ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Bistümer, das bis

1490 dauerte. Selbst für Polen war festzustellen, „daß Kasimir gegenüber
dem Papsttum eine distanzierende Politik betreibt, auf die Besetzung
der Bischofsstühle Einfluß gewinnt und sogar den Klerus . . .
mit Steuern belegen will" (511). Vollends die Kirche von England
blieb „fest in die Ordnung des Königreiches eingebunden" (511). Für
das deutsche Königtum gab es vielfältige Verbindungslinien zum
Kaisergedanken: „Purpurtradition, die Symbolik der Zahl Acht, die
priesterlichen Gewänder, die Dreikronensymbolik . . . Friedrich III.
läßt sich als Verkörperung eines rcgalc sacerdotium in der Nachfolge
Konstantins und anderer antiker Kaiser, als Erbe Karls d. Gr. ebenso
wie der Staufer und Karls IV. darstellen . . . Jede nur denkbare
Tradition scheint willkommen, um Autorität und Ansehen eines
Herrschers zu begründen, der Reformen ernster betrieben hat, als man
bislang gemeinhin angenommen hat" (516). Umfangreiche Orts-,
Personen- und Sachregister beschließen den Band (517-543).

Nachstehend seien die Beiträge genannt: Frantisck Graus: Das Scheitern
von Königen: Karl VI., Richard II.. Wenzel IV.; Andre Leguai: Fondements
et problemcs du pourvoir royal en France (autour de 1400); John B. G i 11 i ng-
ham: Crisis or Continuity? The Structure of Royal Authority in England
1369-1422; Odilo Engels: Königtum und Stände in Spanien während des
späteren Mittelalters; Reinhard Elze: Könige im spätmittclalterlichen Italien
vom Beginn des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts; Ernst Schubert:
Probleme der Königsherrschau im spätmittelalterlichen Reich. Das Beispiel
Ruprechts von der Pfalz (1400-1410); Peter Moraw: Königliche Herrschaft
und Verwaltung im spätmiltelalterlichcn Reich (ca. 1350-1450); Ivan
Hlavacek: Wenzel IV., sein Hof und seine Königsherrschaft vornehmlich
über Böhmen; Armin Wolf: Prinzipien der Thronfolge in Europa um 1400.
Vergleichende Beobachtungen zur Praxis des dynastischen Herrschaftssystems;
Reinhard Schneider: Königtum in der Krise? - Eine Zusammenfassung;
Kurt-Ulrich Jäschkc: Unfähig zur Reform? Englische Königsherrschaft
um die Mitte des 15. Jahrhunderts; Philippe Contamine: Structures mili-
taires de la France et de l'Angleterre au milicu du XVe siede; Richard
Vaughan: Hue de Lannoy and the question of the Burgundian State; Janos
M. Bäk: Monarchie im Wellental: Materielle Grundlagen des ungarischen
Königtums im fünfzehnten Jahrhundert; Stanislaw Russocki: Zwischen
Monarchie, Oligarchie und Adelsdemokratie: das polnische Königtum im
15. Jahrhundert; Klaus Zernack: Probleme des Königtums in Nordosteuropa
im Zeitalter der Union von Kalmar (1397-1521); Heinrich Koller:
Der Ausbau königlicher Macht im Reich des 15. Jahrhunderts: Karl-Friedrich
Krieger: Rechtliche Grundlagen und Möglichkeiten römisch-deutscher
Königsherrschaft im 15. Jahrhundert; Ivan Hlavacek: Bemerkungen zur
Problematik der Zentralmacht und -Verwaltung und deren Ausübung im
böhmischen Staat der hussitischen Zeit; Elmar Walde: Königtum und Reform
um 1450.-Eine Zusammenfassung.

Rostock Gert Haendler

Schmidt, Margot, und Dieter R. Bauer [Hg.]: „Eine Höhe, über die
nichts geht". Spezielle Glaubenserfahrung in der Frauenmystik?
Stuttgart-Bad Canstatt: frommann-holzboog 1986. VIII, 248 S. m.
1 Abb. gr. 8" = Mystik in Geschichte und Gegenwart. Texte und
Untersuchungen, Abt. I: Christliche Mystik, 4. Lw. DM48,-.

Der vorliegende Band ist hervorragend ausgestattet. Sein Titel ist
Zitat aus dem Fließenden Licht der Gottheit von Mechthild von
Magdeburg. Im September 1984 fand eine Tagung der Akademie der
Diözese Rottenburg-Stuttgart unter dem Titel „Frauenmystik im
Mittelalter: spezifisch weibliche Glaubenserfahrung?" statt. Die damals
gehaltenen Referate mit Quellenauszügen liegen hier gedruckt
vor. Was bei einer Akademie-Tagung ohne weiteres einleuchtet, fällt
bei der Lektüre zunächst doch auf: eine gewisse Zufälligkeit der
Themenzusammenstellung. Vielleicht verführt auch nur die Einordnung
des Bandes in ein Sammelwerk dazu, daß der Leser eine gewisse
Vollständigkeit erwartet und bei der Frage im Untertitel eine
Antwort. Dabei kommt dem Band die Lebendigkeit der Vorträge jener
Tagung zugute; jeder Beitrag ist nicht nur gediegen, führt nicht nur
Quellen vor, sondern liest sich auch gut.

Elisabeth Gössmann (Tokyo) stellt dar, wie Hildegard von Bingen
mit der biblisch überlieferten Nachordnung der Frau umgeht, sie habe