Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1988

Spalte:

182

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Écrits intertestamentaires 1988

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

IXI

Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 3

182

nennen, die'durch das Schreiben und den Druck zum Glück nicht verlorengegangen
ist. Man liest wirklich Rede, nicht aber eine Schreibe.
Dann wagt der Prediger „Ich" zu sagen und nimmt die Hörer auch
sonst in seine Gedanken, Anfechtungen, Zweifel, Fragen, in seinen
Begegnungsweg mit dem Text wie in sein eigenes Christenleben mit
hinein. Ferner spürt man den Predigten ab, daß ihnen saubere exegetische
Arbeit vorausgeht, anders gesagt: es wird deutlich, welche Hilfe
zur Predigt gerade Exegese bieten kann. Und wenn der Prediger dann
zuweilen sogar in die Predigten einige „exegetische Randbemerkungen
" einfließen läßt (Erzähler; Situation; Besonderheiten des Textes
u. a. m ). dann wirkt dies helfend und keineswegs fehl am Platz. Und
schließlich wird deutlich, wie hier ein Wissenschaftler eben gerade
nicht Theoretiker bleibt, sondern nach der Relevanz des von ihm
Erarbeiteten wie nach der des christlichen Glaubens überhaupt fragt.
Das ständige und intensive Gespräch mit Fragen der Gegenwart ist
beeindruckend.

Predigten alttestamcntlicher Texte lassen nach der ihnen zugrunde
liegenden hermeneutischen Position oder Sicht des Predigers fragen.
Wie bringt er die Texte dieses doch „vorchristlichen" Buches der
christlichen Gemeinde nahe? Ohne daß der Abstand oder Befremdliches
verschwiegen werden, wird doch implizit wie explizit vorausgesetzt
und davon ausgegangen, daß der heutige Hörer sozusagen auch
schon im Alten Testament mit vorkommt, daß er wie Abraham
staunt, in Gen 3 auch in seinem heutigen Menschsein beschrieben
wird, wie Naeman Gottes heilsames Handeln oft verkennt. „Strukturell
geht es um dieselbe Sache", so heißt es einmal (S. 180), und dies
verweist, ohne daß es ständig thematisiert wird, auf die Strukturanalogie
sowohl zwischen den beiden Testamenten der Bibel sowie
'w ischen den Grundstrukturen glaubender Existenz des einzelnen wie
der Gemeinde im Damals und im Heute, ohne daß vorschnell
harmonisiert wird bzw. Unterschiede überspielt werden. Dafür ist der
Prediger dann eben doch ein zu genauer Exeget, der Bibeltexte nicht
umbiegen oder überfrachten möchte.

Altes Testament wird nun Christen gepredigt, womit - und dies ist
ebenfalls klare Überzeugung des Predigers - das Alte Testament im
Kontext des Neuen zur Sprache kommen muß und damit das, was in
Christus an Weiterfuhrung oder gar Korrektur alttestamentlichen
Zeugnisses mit einzubringen ist. Der Prediger hat dies bei all seinen
Predigten nicht nur bedacht, sondern er sagt es auch deutlich, allerdings
fast nur - und hier wäre meine ein/ige gewichtigere kritische
Anfrage einzubringen - in der Form eines christlichen oder eher
ehristologischen Schlußteils der Predigten. Diese Schlußabschnitte
Wirken zuweilen etwas angehängt. Da sie außerdem öfter geballte
Theologie bieten, stehen sie in merkwürdigem Gegensatz zu den so
lebensnahen Predigten selber. Sicher entsprechen sie voll der Glaubensüberzeugung
des Predigers, auch sind sie nicht „falsch", aber ihr
Anliegen wäre m. E. besser schon mehr in die Predigten eingewoben.
Der christlich-überhöhende oder auch vertiefende Schluß wirkt nicht
selten überraschend.

Diese kritische Frage soll und kann jedoch den insgesamt positiven
und ausnehmend hilfreichen Findruck nicht verwischen, den diese
Predigten hinterlassen. Der Hörer/Leser wird eingeladen und angeleitet
, neue und ähnliche Erfahrungen mit seinem Gott heute zu
wachen, wie sie von den Gestalten und Worten des Alten Testaments
bezeugt sind, um dadurch in der Welt von heute sein Christsein zu
gestalten und immer neu leben.

Herbert Breit hat jeder Predigt einen knappen Kommentar folgen
'assen, der deren Eigenart zu skizzieren versucht, darin aber nicht viel
mehr bietet, als was ein aufmerksamer Leser selbst entdeckt. Aus
Kreits Feder stammt (auf S. 9-41) ferner noch eine Einführung unter
dem Titel „Zur Theorie der Predigt über alttestamentliche Texte".
Predigt als Rede, Text als Schrift, AT im Kanon, Verhältnis der
Testamente u. a. m. werden hier kurz erörtert. Die Predigten von
Siegfried Wagner sind der eindeutig bessere Teil des Bandes, und sie
werden hier nachdrücklich zur Lektüre empfohlen.

Neucndcttelsau Horst Dietrich Prcuß

Judaica

La Bible. Ecrits Intertestamentaires. Edition publiee sous la Direction
d'Andre Dupont-Sommer et Marc Philonenko avec la collabora-
tion de D. A. Bertrand, A. Caquot, J. Hadot, P. Geoltrain,
E.-M. Laperrousaz, V. Nikiprowetzky, B. Philonenko-Sayar,
P. Prigent, J. Riaud, J. M. Rosten'stiehl, F. Schmidt, A. Vaillant.
Paris: Gallimard 1987. CXLIX, 1905 S. 8- = Bibliotheque de la
Pleiade.

r

Um diese Ausgabe ist der frankophone Raum zu beneiden. Der
führende Verlag des geistigen Frankreich hat in seiner Bibliotheque de
la Pleiade, die Spitzenwerken der Weltliteratur vorbehalten ist, nach
einer Übertragung des Alten (1959) und des Neuen Testaments (1971)
nunmehr in vorzüglich ausgestatteter Dünndruckausgabe eine Übersetzung
der interteslamentarischen Schriften vorgelegt.

Das Werk ist die Frucht fast dreißigjähriger Vorarbeit (S. XII nennt
als Beginn des II. 6. 1959). Nach dem Tode des Anregers und ersten
Organisators Andre Dupont-Sommer hat Marc Philonenko mit
einem überkonfessionell zusammengesetzten Mitarbeiterkreis von 12
Fachgelehrten das Unternehmen zum Ziel geführt. Eine Introduction
generale bietet auf 146 Seiten einen historischen Abriß der Zeit von
Alexander bis Barkochba und eine literargeschichtliche Einleitung,
die den in dieser Ausgabe präsentierten Schriftengruppen gilt: der
qumranischen Literatur und den Pseudepigraphen des AT.

Bei den fast durchweg von Dupont-Sommer übersetzten Qumran-
schriften (1-460) fanden nicht nur die großen Stücke (einschließlich
Damaskusschrift und Tempelrolle), sondern auch Fragmente, wie die
Florilegien aus 4Q, der Melchisedekkomplex aus 1 IQ und die sog.
Engelliturgie 4Q Sl, Eingang.

Bei den Pseudepigraphen (461-1824) zeigt sich im Vergleich mit
der dem deutschsprachigen Leser vertrauten Ausgabe von
E. Kautzsch, in welchem Maße die letzten Jahrzehnte zu einer
Neuabgrenzung und Neubewertung in diesem Bereich geführt haben.
Es haben über das dort berücksichtigte Schrifttum hinaus Aufnahme
gefunden: slavHen, (Ps.-Philo) AntBibl, ApocAbr, ApocEl. TestJob,
TestAbr, TestMos, ParJer. JosAs. Auf Arist und 4Makk wurde Verzicht
geleistet (Begründung: S. XIII); die sog. Apokryphen sind bereits
bei der Übersetzung des AT einbezogen worden. Daß dennoch nicht
alles enthalten ist, was man in P. Rießlers viel benutzter Sammlung
antrifft, hängt damit zusammen, daß die Hgg. nicht eine Anthologie
des altjüdischen Schrifttums, sondern eine Präsentation intertesta-
mentarischcr Literatur bieten wollten.

Bester Tradition französischer Exegese entspricht es, wenn der
Übersetzung jeweils ganz knappe Noten beigefügt sind, wie wir sie
etwa von der Bible de Jerusalem kennen. Die dort gespeicherte fachliche
Gelehrsamkeit, die nicht minder in den jeweils den Einzelschriften
vorangestellten Einleitungen und den angefügten Bibliographien
zum Ausdruck kommt, werden das Werk auch .für den
spezieller Interessierten unentbehrlich machen. Der Anspruch der
Hgg.. mit der Gallimard-Bibel eine «Bible de l'humaniste» vorgelegt
zu haben, ist mit diesem dritten Band weit überboten.

Leipzig/Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

La Litterature Intertestamentaire. Colloque de Strasbourg
(17-19 Octobre 1983). Paris: Presses Universitäres de France
1985. 229 S. 8' = Bibliotheque des Centres d'Etudes Superieures
Specialises.

Ein «Colloque de Strasbourg» hatte vom 17. bis 19. Oktober 1983
eine Anzahl von Kennern der alttestamentlichen Pseudepigraphen.
einschlägiger Texte aus den Qumran-Funden und frühjüdischer
Literatur zusammengeführt. Die mit einer Einleitung von Andre
Caquot veröffentlichten Referate dieses Kolloquiums geben einen
guten Einblick in die gegenwärtige Forschungsarbeit im Bereich der
sogenannten .zwischentestamentarischen Literatur'. Sie verdeut-