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Ausgabe:

1987

Spalte:

146-147

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Bayer, Oswald

Titel/Untertitel:

Zwei Kirchen - eine Moral? 1987

Rezensent:

Kreß, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 2

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Bayer, Oswald, u. a.: Zwei Kirchen-eine Moral? Regensburg: Pustet

daß partnerschaftliches Verhalten vor allem für die Regelung von haben es mit der sozialen Ordnung menschenwürdiger Strukturen zu
Konflikten wichtig ist. Partnerschaftliches Verhalten zeigt sich des- tun. Solidarität und Kollegialität können nicht „Gerechtigkeit"
halb besonders in der Fähigkeit, echte Kompromisse zu finden (S. ersetzen. Fraglich erscheint mir ferner die Vorstellung von einer Part-
l6f). Das Kapitel II „Partnerschaft im Kontext biblischer Aussagen" nerschaft mit der natürlichen Umwelt. Ist Partnerschaft - als
'S. 24ff) greift Elemente partnerschaftlicher Vorstellungen im Alten pcrsonalethischer Begriff - mit der Natur möglich, ohne daß man
Testament (der Bundesgedanke) und im Neuen Testament (der Neue Natur selbst „personalisiert?" Und reicht ein partnerschaftliches
Bund, Nachfolge, Gleichheit von Mann und Frau und Gleichheit in Verhalten aus, um die ökologischen Probleme zu lösen, oder bedarf es
der Gemeinde) auf. Die folgenden drei Kapitel stellen drei Lebens- dazu nicht einer ökologisch verpflichteten Politik (z. B. Encrgie-
"eise vor, in denen sich Partnerschaft zu bewähren hat: Kap. III politik) und eines ökologisch vertretbaren Wirtschaftssystems?
"Partnerschaftlich leben in Ehe und Familie" (S. 34ff), Kap. IV Erstaunlich ist. daß von den Tieren als Partnern gar keine Rede ist.
••Partnerschaftliches Verhalten bei der Arbeit" (S. 79IT) und Kap. V Gerade im Umgang des Menschen mit den Tieren liegen freilich
■ Partnerschaft mit der Natur" (S. 108fT). Das sehr kurze (nur sechs Konflikte heute offen zu Tage, denkt man an eine artgerechte Tier-
Seiten Umläng) Kap. VI ..Schlußbetrachtung: Christliches Ethos im haltung, an den Tierschutz oder gar an das heißumstrittene Problem
Alltag- (S. 121 ff) streift am Randeden politischen Bcreicfi „Sicher- der ethischen Zulässigkeit von Tierversuchen.

heitspartnerschaft" und geht - recht knapp - auf das Thema Partner- Wieberings Analyse des in der theologischen Ethik bislang nicht

schaft in Gemeinde und Kirche ein. Partnerschaft, so Wiebering, ist reflektierten Begriffes „Partnerschaft" ist verdienstvoll und anregend.

n,cht dasselbe wie Liebe (S. 123. vgl. S. 126; S. 8, vgl. S. 64 Liebe ist Die Anfragen und Ergänzungen kommen von der das Thema der

Motiv zur Partnerschaft). Aber partnerschaftliche Regelung von Institutionen bedenkenden Sozialethik her, in der Ehe und Familie

onflikten und dienstlichen Beziehungen ist die Probe für die Glaub- und Arbeit schon immer, die Natur leider keine Beachtung gefunden
wurdigkei

tderGemcinde. Außerdem könnte man unter Partnerschaft haben. Daß Wiebering mit der Aufforderung „partnerschaltlich

Stellungen, wie Konziliarität und ökumenischen Dialog ein- leben" eine wichtige Perspektive aufgezeigt hat, ist unstreitig,
beziehen.

in , Bonn Martin Honecker

1,1 'neologischen Ansatz stimmt der Rez. voll und ganz dem Autor

2u Die phänomenologische Beschreibung von Gegebenheiten und

die Beachtung unterschiedlicher Kontexte und Situationen ist not-

tr|dig. Der Verzicht auf eine normativistischc Anwendung der Bibel ] ggg. 302 S. 8*. Kart. DM 34,80.

im Stil eines engen Biblizismus - und der Verweis auf die biblischen

exte als Teil christlicher Tradition, die freilich kritischer Intcr- Der die Frage „Zwei Kirchen - eine Moral?" diskutierende Band

pretation und Aneignung bedarf (vgl. S. 38 f zur Ehe, S. 55 fu. S. 63 f geht auf eine gemeinsame Tagung der Kath. Akademie Bayern und

Zur Familie und S. 81 f zur Arbeit), ermöglicht einen offenen Dialog der Ev. Akademie Tutzing im April 1985 zurück. Das Tagungsthema

jJW nichtchristlicher Ethik. Richtig ist auch der Hinweis, daß eine „Verbunden im Glauben - getrennt im Handeln?" spielt an auf die

^eschränkung christlicher Ethik auf ein einziges Prinzip, nämlich das 1925 in Stockholm geprägte Formel „Die Lehre trennt, aber der

nnz'P „Liebe" unhaltbar ist. Es erscheint freilich sinnvoll, über Dienst eint" und kehrt sie zugleich in provokativer Weise um: Mit

•Partnerschaft" hinausgehend auch noch von anderen Normen dieser Umkehrung wird darauf abgehoben, daß angesichts drängender

'ebering spricht von „ethischen Richtlinien" oder „ethischen politischer und ethischer Herausforderungen in der Gegenwart -

nterien" z. B. S. 14) zu sprechen, wie Gerechtigkeit, Gleichheit, durch Gentechnologie, Wirtschafts- und Energieprobleme, Friedens-

cnschenwürde oder auch der Anerkennung der Freiheit als einer Sicherung u. a. - eine nach innen und außen wirkungsvolle Einigkeit

Senicinsamen. „kommunikativen" Freiheit. der christlichen Kirchen in ethischen Fragen geboten wäre. Mit

Damit komme ich zu der Anfrage, wie tragfähig der Begriff „Part- O. H. Pesch formuliert: „Verlangt eine .prospektive Ethik' nicht mit

"CTSchafV" tatsächlich in der Sozialethik ist. Folgt man nämlich A. den neuen Fragen auch neue Lösungsansätze, bei denen die Konfes-

lchs Unterscheidung, wonach Individualethik das Verhältnis des sionsverschiedenheiten bedeutungslos werden?" (S. 242) Dem heuti-

enschen zu sich selbst bedenkt. Personalcthik die Beziehungen zu gen Stellenwert der Konfessionsdifferenzen widmen sich die neun
den Mitmenschen thematisiert, und Sozialethik Strukturen und Autoren des Sammelbandes, neben dem Soziologen G. Siefer je vier
nsl|tutionen reflektiert, so gehört Wieberings Buch zur Personal- katholische und evangelische Theologen, aus unterschiedlichen Per-
ethik: Partnerschaft hat es nämlich mit mitmenschlichen Bezügen zu spektiven. Insgesamt vermitteln die neun Aufsätze den Eindruck, daß
tun. Die Berücksichtigung institutioneller Gesichtspunkte ist damit sich konfessionelle Unterschiede in der Gegenwart faktisch verschlei-
J^doch noch nicht erfaßt. Damit sind die Grenzen von Wieberings fen - und zwar auf mehreren Ebenen. Zunächst in soziologischer Hinter
) markiert: Gewiß ist „partnerschaftlich leben" eine Forderung sieht: Z. B. die Kennzeichnung höherer Bildung und stärkerer Berufs-

r die Gestaltung von Beziehungen in Ehe und Familie. Aber Ehe und Aufstiegsorientierung läßt sich nicht mehr einseitig den Prote-

und Familie sind zugleich auch Institutionen, Rechtsgebilde. Dieser stanten zuordnen (G. Siefer S. 19ff, 42). Auch der herkömmliche

'^sPekt bedürfte eigenständiger Überlegungen. Das zeigt sich bei der Gegensatz zwischen einem autonomen Lebensgefühl des Protestanten

nt|k am älteren Schleiermacher (S. 40). an den sehr knappen Aus- und dem Einbezogensein des Katholiken in einen umfassenden Seins-

"nrungen zur Ehescheidung (S. 49 f- wie steht es mit der Beurteilung ordo(H. Döring S. 193 ff) tritt für die christliche Lebensanschauung in

^°n Ehescheidungen bei Pfarrern? zu S. 520- Die Infragestellung von der Gegenwart zurück. Was sodann die Kirchen im Verhältnis zum

ne und Familie in westlichen Gesellschaften gilt eigentlich nicht der Staat anbetrifft (hierzu M.Jacobs S. 169ff), so werden die evange-

artnerschaft, sondern der Institution! Und wie steht es mit der lische und die katholische Kirche gleicherweise zunehmend mit dem

'"stitutionalisierung homosexueller Partnerschaften? Das Thema Phänomen der gesellschaftlichen Minderheitensituation konfrontiert

omophilic ist nicht erwähnt. Die Deutung der Familie als „idealer und müssen sich - traditionellen kirchlichen Staatslehren zum Trotz-

^0*ialisationsraum" (S. 62) ist gewiß richtig: aber auch dieser Schutz- auf eine plurale Gesellschaft einrichten, so daß sich ein neues, ökume-

raurn bedarf der institutionellen Sicherung durch Staat und Gesell- nisch bedingtes christliches Ethos herausbilden könnte, welches Staat

^haft. Noch deutlicher wird die Grenze des Begriffs Partnerschaft in und Gesellschaft positiv zugewendet ist (Jacobs bes. S. 187). Eine Ver-

der Darstellung der Arbeit, wobei partnerschaftliches Verhalten im Schleifung konfessioneller Gegensätze zeigt der Sammclband im übri-

^rbeitskollektiv. zurecht, betont wird (v. a. S. 93 ff). Aber „Arbeit" ist gen auch im Blick auf konkrete kirchliche Stellungnahmen und Denk-

rriehrals Kommunikationschance: Rechte auf Arbeit und Rechte aus Schriften zu ethischen Problemen auf. Weniger überzeugend scheint

Arbeit (Mitbestimmung, gerechte Teilnahme am Arbeitsertrag u. a.) zwar die Deutung, die eine Konvergenz evangelischer und katho-

sowie die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnisse liscjier Kirchcnlchre in der Scxualmoral gegeben sieht (A. Elsässer