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Ausgabe:

1987

Spalte:

140-142

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Jones, Hugh O.

Titel/Untertitel:

Die Logik theologischer Perspektiven: eine sprachanalytische Untersuchung 1987

Rezensent:

Dalferth, Ingolf U.

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139

Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 2

140

Iungsschema. Auf der ersten Stufe dominiere die Rezeption externer
Sachverhalte (Autorität, Tradition, Institution). Auf der zweiten Stufe
erfolge ein Übergang zum historisch-kritischen und synthetischphilosophischen
Element von Religion, was erfahrungstheoretisch
den Übergängen zu erweiterten Formen der Wirklichkeitswahrnehmung
entspreche: "history, philosophy and theology now begin to
play an even more important role in our religious lives" (203). Die
dritte und letzte Stufe sei mit der persönlichen religiösen Erfahrung
erreicht (mystische Ebene). Auf der dritten Stufe erfolge eine Trans-
zendierung der externen Faktoren und der Ansprüche intellektueller
Verifikation, ohne diese zu annihilieren. Die Pointe besteht in der per-
sonenhaften Integration und Harmonisation aller Erfahrungselemente
. ,

Kellys Studie kann als engagiertes Plädoyer für eine konstruktive
Aneignung der Religionsphilosophie von Hügels gelesen werden,
zumal der Vf. deren Vermittlung zur kirchlichen Wirklichkeit bereits
in ihr selbst angelegt sieht. "The Church then should be a living unity
and harmonic interaction of the traditional and institutional Clements,
the critical-historical, philosophical and theological elements and the
mystical and operative elements. Only a view of the Church which
recognises the relative, functional autonomy of each and all of these
elements and which rejoices in their creative tension can be vital
enough to allow the füll reality of the Church to emerge anew
appropriate to the conditions and needs of each time and place"
(214).

So interessant von Hügels Religionsphilosophie zweifellos ist: ob
sie, wie der bewundernde Vf. meint, im Rückgang auf die "immediate
experience" einen neuen Grund jenseits von Dogmatismus und
Skeptizismus zu legen vermochte, muß der weiteren Diskussion vorbehalten
bleiben. Jedenfalls schien dem großen Freund Friedrich von
Hügels, Ernst Troeltsch, der Ort des neuzeitlichen Individuums viel
zu ungefestigt, um dessen „unmittelbare Erfahrung" zur Grundlage
eines religionsphilosophischen Entwurfs samt den in ihm gesetzten
Universalisierungsansprüchen machen zu können. Es ist wohl kein
Zufall, daß Troeltsch nicht zu einer religionsphilosophischen Grundlegung
durchstieß, obgleich er sich ernsthaft und lange mit solchen
Plänen trug. Friedrich von Hügel, theologisch ein „Modernist", war
in seinem sonstigen Zuschnitt ein Kind des Viktorianischen Zeitalters
, insofern Repräsentant eines lebensweltlich noch weithin unerschütterten
Bewußtseins. Sollte dies die Voraussetzung für das „Gelingen
" seiner Religionsphilosophie gewesen sein, wie Troeltschs
kulturkritische Sensibilität das Geheimnis seines „Scheiterns" war?

Stil und Gedankenführung der Arbeit sind klar und präzise. Unter
den Technika sind die archivalischen Übersichten zu den Diaries,
sonstigen Manuskripten und Briefen sowie die Bibliographie der
Schriften von Hügels hervorzuheben. Die weiträumige Erschließung
von Hügeliana, die noch ungedruckt in den Archiven von St. Andrews
(Scottish Presbyterian University), Aberdeen, Bath, Birmingham,
Cambridge und weiteren Orten liegen, verdient Anerkennung und
Dank. Da nach plausibler Einsicht des Vf. von Hügels Religionsphilosophie
nicht zureichend auf nur systematischem Wege erfaßt
werden kann, hat er die Erschließung des in diesen Materialien
präsenten Kontexts als unabdingbar angesehen. In der Sekundärbibliographie
fehlt Paul Misner (Hg.): Friedrich von Hügel - Nathan
Söderblom - Friedrich Heiler. Briefwechsel 1909-1931. Paderborn
1981. Das Urteil des Vf. über die religiöse Toleranz von Hügels hätte
in Berücksichtigung der im Briefwechsel mit Söderblom erkennbaren
Reserve, den römischen Katholizismus im Sinne von Söderbloms
Ökumenismus beeinflussen zu lassen, vielleicht eine partielle Einschränkungerfahren
.

Leipzig Kurt Nowak

Oelmüller, Willi [Hg.]: Wahrheitsansprüche der Religionen heute.

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 1986. 366 S. kl. 8°
= Kolloquium Religion und Philosophie, 2. Kart. DM 38,-.

Das Thema des 2. Kolloquiums zu Religion und Philosophie ist
voller Brisanz: Die Fragen nach der Verbindlichkeit einer Wahrheit,
nach dem Verhältnis von Freiheit und Wahrheit, nach der Teilbarkeit
oder Unteilbarkeit der Wahrheit sowie nach der Exklusivität von
Wahrheit, aber auch insbesondere nach der Korrelation von Wahrheit
und Religion werden dabei in großer Breite diskutiert. Es muß also
von der Geschichtlichkeit des Wahrheitsgedankens bzw. -anspruches
ebenso gesprochen werden (L. Oeing-Hanhoff) wie zu präzisieren ist,
was im Sinne der Thematik als .Religion' zu gelten hat (D.
Schellong).

Wie der Hg. in seinem Vorwort hervorhebt, war die Erörterung des
Themas in dreifacher Hinsicht gefordert: Einmal im Abstecken der
„gesellschaftlich-politischen Ebene über Wahrheitsansprüche der
Religionen" (7) (wo mitunter auch sehr undifferenzierte Vorstellungen
zur Sprache kommen), dann im Präzisieren der individual-
existentiellen Bedeutung von Wahrheit sowie im Blick auf die Realität
des Religionspluralismus.

Das Buch ist wie Bd. 1 (s. ThLZ III, 1986, 4660 in zwei Teile
gegliedert: Arbeitspapiere und Diskussionsprotokolle. Die Protokolle
sind dabei besonders interessant.

Die Beiträge im einzelnen: I. Teil: H. M. Baumgartner: Philosophie -
Wissenschaft - Religion. Dimensionen des endlichen Wahrhcitsgeschchcns
(13-25)- N. Bolz: Interlinearversionen dergeolfenbarten Wahrheit (26-42)-
C.-F. Geyer: Überlegungen zum Wahrheitsanspruch der Religion im
Anschluß an die These von der .Hellenisierung des Christentums' (43-61) - F-
Ka mbartel: Bemerkungen zu Verständnis und Wahrheit religiöser Rede und
Praxis (62-64) - H. Lübbe: Historismus oder die Erfahrung der Kontingcnz
religiöser Kultur (65-83) - L. Oeing-Hanhoff: Über den Wahrheitsanspruch
des Christentums und zur Geschichte seiner Auflösung (84-92)-W-
Oelmüller: Wahrheitsansprüche der Religionen - was heißt das unter den
Bedingungen durchgesetzter Modernisierungsprozesse? (93-107) - m
Piepmeier: Wahrheit im Angedenken. Versuch einer Rekonstruktion des
christlichen Wahrheitsanspruchs (108-133) - D. Schellong: Was zählt als
Religion? (134-155) - M. Sommer: Die objektivierende Auffassung der
ursprünglichen Empfindungen. Zum Verhältnis von religiöser Mystik und
philosophischer Aufklärung (156-162) - W. Ch. Zimmerli: .Wahr' und
.richtig'. Zu Differenz und Identität von deskriptiven und normativen Gcllungs-
ansprüchen religiösen Wissens (163-179). 2. Teil: T. Rendtorff: Wahrheit
aus der Perspektive des neuzeitlichen Christentums (181-224) - R-
Spaemann: Religion und .Tatsachenwahrheit' (225-270) - W. Pannenberg
: Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma (271 -310)
- Schlußdiskussion. Kurzbiographien und -bibliographien sowie ein Pcrsonen-
und ein Sachregister komplettieren den Band.

Diese Publikation ist für die theologische und die religions-
philosophischc Perspektive erfreulich anregend, da sie die Problematik
erneut sichtbar macht, die mit der Verheißung gegeben ist: „Und
ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei
machen." (Joh 8,32)

R. M.

Systematische Theologie: Allgemeines

Jones, Hugh O.: Die Logik theologischer Perspektiven. Eine sprachanalytische
Untersuchung. Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht
1985. 246 S. gr. 8° = Forschungen zur systematischen und
ökumenischen Theologie, 48. Kart. DM 50,-.

Die Mainzer Habilitationsschrift des 1985 viel zu früh verstorbenen
neuseeländischen Theologen Hugh Jones befaßt sich mit Versuchen
der analytisch orientierten angelsächsischen Religionsphilosophie,
unter dem Stichwort des Perspektivismus eine nachanalytische natürliche
Theologie zu entwickeln. Wird Rede von Gott als perspektivische
Rede verstanden, dann entfaltet sie eine bestimmte „Korrelation
zwischen dem individuellen Blickpunkt und der Weltwirklichkeit
" (11), die zu einer nicht nur semantischen, sondern pragmatischen
Analyse solcher Rede nötigt. Denn sie läßt sich dann nur in
dem Maße verstehen, als der jeweilige Standpunkt der Sprecher