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Ausgabe:

1987

Spalte:

125-127

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Bekenntnis, Widerstand

Titel/Untertitel:

Martyrium 1987

Rezensent:

Meier, Kurt

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 1 12. Jahrgang 1987 Nr. 2

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1929-1932 ..Krise der Weltfriedensordnung und des demokratischen. gung beträchtlicher Defizite gilt die Bekennende Kirche „als eine
Staates" (391-472). Komplettiert wird das Register durch ein mit bio- gegenüber der nationalsozialistischen Weltanschauung und Kirchengraphischen
Angaben ausgestattetes Verzeichnis der Briefempfän- politik dissidente, nonkonformistischc Bewegung" (50).
*>er- Einen Überblick über ..Kirchenkampf und Widerstand als Thema
Für die gute editorische Leistung gebührt Verlag, Hgg. und dem der Kirchlichen Zeitgeschichte" (75-89) bietet Andreas Lindt (Bern).
Schweizerischen Nationalfond zur Förderung wissenschaftlicher For- während der Drucklegung verstorben. Lindt kennzeichnet die schwei-
schung, der die Publikation erst ermöglichte. Dank und Anerken- zerischc Optik der unmittelbaren Nachkriegsgeschichtc mit Verweis
nung. Es ist sehr zu wünschen, daß dieses theologie- und zeitge- auch auf vansittartistische Akzente b'ei der Beurteilung Deutschlands,
sehichtlich hochinteressante Dokument Mut macht, diese Briefaus- den bald einsetzenden Vertrauenskredit der Kirchen bei den Alliiergabe
um einen dritten und abschließenden Band zu erweitern, der von ten ,,als die einzigen großen Körperschaften, die den Zusammenbruch
der soliden Arbeit, die hier geleistet wurde, nur profitieren kann. überlebt hatten und zugleich für sich in Anspruch nahmen, im Dritten

Leipzig DittmarRostig Reich ihre eigene Identität bewahrt zu haben" (75);.....vor allem

auch die Besatzungsmächtc haben den Kirchen diese Vcrtrauensposi-

n„_. _ , _ tion schnell und gern eingeräumt" (76). Die weitere Entwicklung habe

"esier. Gerhard, u. Gerhard Ringshausen [Hg.]: Bekenntnis, Wider- .. ■ . . A •• , u, , a .-• i. a u

^,..„. , . ,, ., •m^i- r.7- .ka. ,-,„ • die antitota htaristiscnc Aversion ruckblickend verstärkt und verschie-

stand, Martyrium. Von Barmen 1934 bis Plot/cnscc 1944. Gottin- , ,. , ,. , ., .......

gen: Vandcnhoeck & Ruprecht 1986. 428 S. gr. 8 Kart. dentlich trendhaft antikommunistisch aktualisiert (76). Die hilfreiche

DM 48.-. Überschau, deren Nachzeichnung hier entfallen muß, läßt die histo-

riographische Entwicklung mit Bethges Bonhoefferbiographie. dem

Der Band bietet Referate und Unterrichtsplanungen einer Tagung Werk Scholders und der Gesamtdarstellung des Rez. aufgipfcln. Als

des Religionspädagogischen Instituts der Evang.-Luth. Landeskirche Fazit ergibt sich für Lindt die Einsicht in die Unmöglichkeit eines

Hannovers in Loccum April 1984. Gerhard Besier, bekannt durch apolitischen Christentums, das Hohlräume einer totalen Politisierung

Publikationen zur preußischen Kirchenpolitik der Bismarck-Ära und schuf. Politisches Engagement müsse kritisch überprüftesgesellschaft-

zu anderen Themen der neueren Kirchen- und Zeitgeschichte. liches Verantwortungsbewußtsein zur Voraussetzung haben, das klare

Präsentiert zusammen mit Gerhard Ringshausen (Religionspädagoge Stellungnahmen und Abgrenzungen nicht scheue (880- Wilhelm

an der Wissenschaftlichen Hochschule Lüneburg) den Ertrag dieser Hüffmeier verfolgt die ,,Aktualität Barntens" an „Verlauf und Ertrag

Ze'tgeschichtlich-religionspädagogischcn Konferenz, ergänzt durch der Diskussion innerhalb der EKU" (90-109) und findet bei seiner

lne '"'erpretation von Rom 13 und bisher unveröffentlichten zeitge- Analyse den analogichaften Bezug zur Herrschaft Christi im Sinne

"ossischen Texten zur Auslegungsgeschichte von Barmen (v. Soden; Barths (nicht nur in kritischen Postulaten. sondern auch in bereits

■ Gloege). Der Tenor der Beiträge ist bestimmt von Zuordnungs- existenten Sachverhalten) beim EKU-Votum eher im Blick auf die

Problemen von kirchlichem und politischem Widerstand. 50. Jahres- DDR als auf die Bundesrepublik gelungen, wo das Kritische bei der

tag bzw. 40. Jahrestag des Gedenkens an die Barmcr Bekenntnis- Betrachtung vorherrsche (vgl. 103, 105).

Synode bzw. den 20. Juli 1944 waren Anlaß zur Erörterung fach- Einen interessanten Interpretationsansatz liefert Walter Pohl mann
'storischer ur)d fachdidaktischer Aufarbeitungsprobleme dieses im Bück auf Rom 13. Er wendet sich gegen das „schon vor 1934 nach-
agungsbandes. weisbare Argumentationsmuster", als habe sich „die Bekennende
Unter „1. Historische Ordnungsversuche und theologische Refle- Kirche von Rom 13 abgewandt und mit !Petr2, 17 als dem neutesta-
*|onen" versuchen sechs Beiträge das Bezugsfeld von Bekenntnis, mentlichen Lehrtext der 5. These eine bessere Gründlage für ihr Ver-
'«erstand und Martyrium zu umreißen. Teil II („Unterrichtliche hältnis zum Staat gesucht" (112). Demgegenüber wird eine (zwar
'Schließung-) bietet zeitgeschichtliche Themen unter rcligions- nicht ontoiogische, aber auftragsbestimmte) Beziehungsnähe
Pädagogisch-didaktischem Aspekt. Facettenreich entfaltet Peter zwischen Barmen V und Rom 13 konstatiert,
cinbach in seinem grundlegenden Beitrag „Der Widerstand als Wort und Tatzeugnis in der Alten Kirche, Bekenntnisbildung und
°rna der politischen Zeitgeschichte. Ordnungsversuche vergange- Widerstand in der Rcformationsz.eit und christlich geprägter Wider-
ner Wirklichkeit und politischer Reflexionen" (I 1-74) die histori- stand im Dritten Reich werden im Beitrag von G. Besier paradig-
schen und theoretischen Grundlagen und politikwissenschaftlichen matisch vorgestellt („Bekenntnis- Widerstand- Martyrium als histo-
mplikationen der Widerstandsproblematik. In diesem Zusammen- risch-theologische Kategorien"; 126-147). Er verdeutlicht am Bei-
g ist auch hinzuweisen auf den von Jürgen Schmädecke und Peter spiel der Erklärung des Reformierten Moderamens 1982 die Kontro-
e,nbach herausgegebenen Band (Der Widerstand gegen den Natio- verse, ob eine bestimmte politische Option bekcnntnisobligatorisch
^'alismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen sei. haben sich der Lösung von aktuellen Menschheitsproblemen
7™*r- P'Per-Verlag. München 1984. I 185 S.). in dem das Ergebnis (Friedensfrage usw.) doch nicht nur Christen, sondern auch Atheisten
r • Internationalen Konferenz zum 40. Jahrestag des 20. Juli 1944" verschrieben. Der theologische Konsens von Barmen sei möglich
0111 60 Beiträgen festgehalten ist. Steinbach plädiert „für einen sach- gewesen, weil er „unterschiedliche ethische Konsequenzen mit unteren
offenen und breiten Widerstandsbegriff, der vielfältige Wirklich- schiedlichen (kirchen)politischen Einschätzungen der Situation zu-
e'ten erfaßt und sich auf die Geschichte des Dritten Reiches bezieht" ließ. Das ist heute nicht anders." (144)
'■ Er versucht, die sozialhistorisch relevanten Ergebnisse und Den sonst interessanten Ausführungen G. Ringshausens „Glaube,
hoden der Resistenzforschung aufzunehmen, die auch unter all- Handeln - Lernen im Kontext der Kirchengeschichtc. Überlegungen
Bs- und regionalgeschichtlichem Aspekt auf vielschichtige Wider- zu Ansatz und Ziel des Religionsunterrichts über Kirchliche Zeitge-
standigkeit im NS-Totalstaat zielt und Stärkerdas Effektivitätspro- schichte zwischen .Barmen' 1934 und 20. Juli 1944" (169-189),
■ als den Motivations- und Intentionsbereich ins Auge faßt. denen es um „Klärung der kirchengeschichtlichen Kategorien in
doch einer inflatorischen Extension des Widerstandsbegriffs gegen- ihrem Verhältnis zu historisch-politischen Maßstäben" (179) geht,
er abgeneigt, die ohne Berücksichtigung des jeweiligen politischen eignet gelegentlich etwas Änigmatisches. Die von ihm beargwöhnten
0r|textbezugs Protest. Opposition und Demonstration mit Wider- Stufen des Widerstands, die auch Bonhoeffcrs Lebensweg bestimmten.
stand gleichsetzt, versucht Steinbach, die Ergebnisse der klassischen führen keineswegs zu kirchlichem Handeln, das der neuerlichen
Politischen Widerstandstheorie, die den Widerstandsbegriff stärker Neigung entspräche, Theologie in ethische Mobilmachung aufgehen
aufzieloricntierten Systemumsturz konzentriert, mit der differenzier- zu lassen. Periodisierung und Kategorisierung des Widerstandshan-
cn Breite von Widerständigkeitsformcn mit systemsVörendem Cha- delns von Kirchen und Christen im Dritten Reich unter ethischen.
raMcr zu verbinden, wobei Haltungen wie Dissidcnz und Verwcige- sozialen und politischen Kriterien haben durchaus nicht die von ihm
runB als Voraussetzung von Widerstand gelten. Trotz Berücksichti- befürchtete Folge einer Suspendicrung der theologisch notwendigen