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Ausgabe:

1987

Spalte:

121-122

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Sprunger, Keith L.

Titel/Untertitel:

Dutch Puritanism 1987

Rezensent:

Gäbler, Ulrich

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Seite 1

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'21 Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 2 122

Kirchengeschichte: Neuzeit.

meinde. Etwa fünfzig Mitglieder der nonkonformistischen Gruppe

wanderten im Jahre 1620 nach Nordamerika aus. Sie gingen als

c Pilgerväter auf der Mayflower in die Weltgeschichte ein. Calvi-

sprunger. Keith L.: Dutch Puritanism. A History of English and • .. . „ ■ . , ■ . „ ,, . r.

c„„..- « ,, , r. , „, , , , . . „. , , _ nistische Gemeinden von verschiedenem Charakter, deren Ge-

acottish Churches of the Netherlands in the Sixteenth and Seven- ......„ . , n

teenth Centuries. Leiden: Brill 1982. XIII. 485 S. gr. 8" = Studies in schichte hauf,8 durch Z^^len und Parteienwesen gekennze.ch-

the History of Christian Thought, XXXI. Lw. hfl 172.-. net ist' finden s,ch ferner in Rotterdam, Den Haag, Delft, Dordrecht,

Middelburg, Vlissingen, Utrecht »und Arnheim. Eine besondere

Im 16. und 17. Jh. hat es sehr vielfaltige Kontakte zwischen Groß- schottische Gemeinde organisierte sich in Rotterdam. Die britische
Britannien und den Niederlanden gegeben. Sie verliefen allerdings "Merchants Adventurers' Company" besaß ein Monopol für den
nicht immer freundlich und friedlich. Diese Beziehungen bekamen Tuchhandel zwischen England einerseits sowie den Niederlanden und
durch die Auswanderung in beide Richtungen eine besondere Note. Deutschland andererseits. Die um die ausländischen Stapelplätze entNiederländer
wanderten aus wirtschaftlichen oder religiösen Gründen stehenden britischen Gemeinschaften hatten alle durch die Gesell-
aus, bei den Briten in den Niederlanden lassen sich im wesentlichen Schaft finanzierte eigene Kirchen und Pfarrer. Auf diese Weise
v'er Arten von Immigranten feststellen: Händler, Studenten, Solda- entstand die erste organisierte Kirche von Briten in den Niederlanden
ten, Glaubensflüchtlinge. Nahm der Norden radikale Protestanten überhaupt, nämlich die in Antwerpen. Dort wirkte von 1580 bis 1585
auf, so der unter spanischem Einfluß gebliebene Süden verfolgte der berühmte Puritaner Thomas Cartwright. Später gab es solche
Katholiken. Meistens blieb der Aufenthalt der Briten auf dem Konti- Gemeinden in Middelburg, Delft, Rotterdam und Dordrecht. Trotz
nent zeitlich begrenzt. Die Mehrzahl von ihnen kehrte nach einigen des unverwechselbar presbyterianischen Charakters blieben die
Jahren wieder auf die Insel zurück. Anders als in den amerikanischen Beziehungen zur Ortskirche sehr lose. Englische Soldatenkirchen
Kolonien beschränkte sich die Zuwanderung auf den städtischen errichtete man in den beiden wichtigen Garnisonen von Vlissingen
Raum, was übrigens auch auf die Einwanderer aus Deutschland, und Den Briel sowie in Den Haag, Utrecht, Leiden und anderen
Frankreich und Skandinavien zutrifft. Engländer und Schotten fanden Orten. In zusammenfassenden Kapiteln beschreibt der Vf. noch die
Slch in allen größeren Kommunen, namentlich in Amsterdam, zwölfjährige Geschichte des Zusammenschlusses einiger Gemeinden
Rotterdam, Den Haag, Leiden, Utrecht, Middelburg, Vlissingen und in einen Synodalverband (1621-1633), die puritanischen Druckten
Briel. Ihre Gesamtzahl geht in die Zehntausende, unternehmen, die allgemeine theologische und kirchenorganisato-

Uberall errichteten die englischen und schottischen Ankömmlinge rische Entwicklung sowie schließlich die Beziehungen zwischen den

Kirchgemeinden. An manchen Orten formten sich gar mehrere britischen und den niederländischen Kirchen.

Gruppen. In Amsterdam gab es zeitweilig sechs englische Kirchen. Der Vf. bleibt bei seiner sehr konventionellen Darstellungsart -

^ie die Aufenthaltsgründe deutlich machen, hatten die Zuzügler sozialgeschichtliche Erwägungen fehlen fast völlig - eng an die

n'cht bloß einen antianglikanischen, nonkonformistischen Hinter- Quellen gebunden, was natürlich entsprechend dem Überlieferungs-

8rund. Die Pfarrer allerdings waren meistens puritanisch geprägt, stand und den Vorarbeiten gelegentlich zu Unausgewogenheiten

au''g sogar ihres Glaubens wegen aus England vertrieben. Die führt. Generalisierende Aussagen findet man wenig. Ansprechend ist

"tische Immigration erschöpfte sich also keineswegs in der Einwan- die These, daß in den Niederlanden, verglichen mit dem britischen

Gerung von Glaubensflüchtlingen. Sie bildet ein wesentlich breiteres Heimatland, unter dem Einfluß der calvinistischen Umwelt eine radi-

^Pektrum. Einen Aspekt daraus behandelt die vorliegende Abhand- kalere Form von Theologie und Kirchlichkeit gepflegt wurde. Wegen

Ung, in der zum ersten Mal versucht wird, eine Gesamtdarstellung der des regen Austausches mit der Insel hatte das direkte Auswirkungen

e.nglischsprachigen Gemeinden von Presbyterianern, Kongregationa- aufdas Mutterland.

lsten (separatistisch und nicht-separatistisch), Täufern, Quäkern und Mit diesem Buch haben die englischsprachigen Gemeinden in den

Anglikanern zubieten. Niederlanden eine kompendienhafte Gesamtdarstellung gefunden.

Ein paar Hinweise müssen genügen, um einen Eindruck vom Inhalt woran bei den drei anderen Ausländergruppen noch lange nicht

es Buches zu geben. Nur eine kurze Geschichte war in Middelburg in gedacht werden kann. Eine kritische Bemerkung zum Schluß: Von

°-en achtziger Jahren des 16. Jh. einer vor Verfolgung flüchtenden Dutch Puritanism, wie der Titel sagt, kann natürlich keine Rede sein.

^ ruPPe von Separatisten, unter der Leitung ihres Gründers Robert Da ein möglicher niederländischer Puritanismus nirgends thema-

rowne (etwa 1550-1633), beschieden. Nirgendwo gab es ein reiche- tisiert wird und selbst die Bedeutung der englischsprachigen Kirchen

Ausländerleben als in Amsterdam, was sich natürlich auch im für die niederländische Geschichte nur rudimentär zur Sprache

lrchenwesen ausdrückte. Der englischsprachigen Kolonie hat die kommt, hätten Titel und Untertitel deutlicher machen müssen, daß es

0l"schung schon seit langem ihre Aufmerksamkeit zugewandt, über um Gemeinden auf niederländischem Boden oder in den Nieder-

Amstcrdam Ulrich Gabler

jf Verhältnisse bei den zahlenmäßig stärkeren Gruppen von Deut- landen geht
en- Franzosen und Skandinaviern sind wir wesentlich schlechter
Unterrichtet. Auch in Amsterdam tauchte als organisierte Gemeinde

erstrnals eine Gruppe von Separatisten auf. Die bewegte Geschichte

dieser w__ ■ ■• • . u •• i • j«l i. Ragaz, Leonhard:] Leonhard Ragaz in seinen Briefen. 2: 1914-1932.

von e,w t<™ m" Lehrstre,t'Skelten und Abspaltungen dauerte hg vqn ch rggaz m ^ a rjch ßearb vqn q krejs

etwa 1590 bis 1701. E.mge der Separatisten gingen zum Täufer- ejnge| VQn A Rich zürich. Theologischcr Verlag 1982. 493 S.

über und errichteten eigene Gemeinden. Besondere Bedeutung I Porträt gr 8' Lw sfr 85-
Ur England hatte die Separatistengemeinde durch die ihr angehören-

n Buchdrucker, welche den britischen Markt mit verbotener Die intime Vertrautheit der Herausgeber mit dem Lebenswerk von

eratur versorgten. Hielten sich die Separatisten ihrem Kirchen- Leonhard Ragaz kam bereits dem ersten Band seiner Briefe zugute

egnfT entsprechend abseits von den niederländischen protestan- (vgl. Rezension ThLZ 94, 1969,861-865); dieses Urteil trifft uneinge-

nen Kirchen, so wurde die zu Beginn des 17. Jh. entstehende schränkt auch auf den zweiten zu. In ihm spiegeln sich Ragaz' un-

sche calvinistische Gemeinde als vollberechtigtes Glied in die mittelbare Äußerungen und Reflexionen im Zeitraum vom Ausbruch

reformierte Kirche der Niederlande einbezogen. Seit ihren Anfängen des ersten Weltkrieges bis zum Ende der Weimarer Republik wider.

Jahre 1607 bis zum heutigen Tag feiert die Gemeinde ihren Gottes- Neben den „Politiker und Zeithistoriker Ragaz" tritt aber auch der

nst in der Kirche des Beginenhofcs. Namentlich die englisch- „Seelsorger" und „Theologe", „Familienvater" und „Privatmann"

Sprachige Oberschicht der Stadt fand dor.t eine geistliche Heimat. (5). Aufschlußreich sind schließlich auch diejenigen Äußerungen, in

nlich wie in Amsterdam konzentrierte sich auch in Leiden das denen sein eigenes „Ich" Gestalt gewinnt. Erst die Fülle der zeitge-

""chenleben auf eine calvinistische und eine separatistische Ge- schichtlichen Ereignisse aber (Weltkrieg. Versailler Friedensvertrag.