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1987

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 2

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sich in den Jahren 1978/79 diesem Fragenkreis besonders zugewendet
. Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen 7 Referate bilden den
Grundbestand des vorliegenden Bandes (Schnabel, Lang, Zeeden,
Pörnbacher, Tarot, Valentin). Hinzugefügt wurden 2 Referate, die
1976 beim 2. Wolfenbütteler Barockkongreß gehalten wurden (Zele-
witz, van Oorschot). Die übrigen 5 Beiträge wurden speziell für den
anzuzeigenden Bd. geschrieben. Dieser gliedert sich wie folgt:

Sektion 1: Der Standpunkt des Historikers. Helga Schnabel: Die Bedeutung
literarischer Quellen für das Forschungsfeld der Konfessionsbildung (3-11);
Peter Thaddäus Lang: Die Ausformung der Konfessionen im 16. und 17. Jahrhundert
: Gesichtspunkte und Forschungsmöglichkeiten (13-19); Emst Walter
Zeeden: Literarische und .unliterarische' Texte als Quellen zurGeschichte der
Konfessionsbildung und der Gegenreformation (21-49); Jean Queniart: Le
representations de Dieu dans les cantigues des XVIIeme et Willeme siecles.
(51-67). - Sektion II: Katholische Literatur im Rahmen des Territorialstaates.
Hans Pörnbacher: Eigenheiten der katholischen Barockliteratur, dargestellt am
Beispiel Bayerns (71-92). - Sektion III: Erbauungsliteratur und geistliches
Schrifttum. Rolf Tarot: Formen erbaulicher Literatur bei Grimmelshausen
(95-121); Guillaume van Gemen: Übersetzung und Kompilation im Dienste
der katholischen Reformbewegung. Zum Literaturprogramm des Aegidius
Albertinus, 1560-1620 (123-142). - Sektion IV: Latein oder/und Deutsch.
Sprachliche Aspekte der katholischen Literatur des süddeutschen Raums.
Dieter Breuer: Besonderheiten der Zweisprachigkeit im katholischen Oberdeutschland
während des 17. Jahrhunderts (145-163). - Sektion V: Literarische
bzw. paraliterarische Medien der Gegenreformation. Fidel Rädle: Das
Jesuitentheater in der Pflicht der Gegenreformation (167-199); Klaus Zelewik:
Propaganda Fides Benedictina, Salzburger Ordenstheater im Hochbarock
(201-215); Theo van Oorschot S. J.: Die Kölner Katechismusspiele. Eine literarische
Sonderform aus der Zeit der Gegenreformation (217-243); Jean-Marie
Valentin: Les Jeux de la Fete-Dieu jesuites an XVIeme siecles. Le Dialogus
inter vere Catholicum et Dubitantium (1572). Edition et commentaire
(245-270); Elida Maria Szarota: Boleslaus der Kühne und der Hl. Stanislaus
von Krakau auf den Bühnen des 17. Jahrhunderts (271-298); Franz M. Eybl:
Predigt - Sammlung - Liter'aturprogramm. Zu Florentius Schillings Predigtsammlung
Amaraducis. 1658 (299-346).

Den stärksten Eindruck hinterlassen die literarhistorischen Beiträge
des Bd.s, da sie sich begrenzten Gebieten zuwenden und durchweg
von Spezialkennern geschrieben sind. Pörnbacher stellt vor allem die
Klöster als kulturelle Mittelpunkte (76: „kleine Gelehrten- und
Dichterrepubliken") der bayrischen Kernlande der Gegenreformationszeit
heraus. Die Wesensmerkmale der dort gepflegten Literatur
sind ihr geistlicher Charakter und ihre Volkstümlichkeit (91: „Schrift-
baierisch"), verbunden mit einem „unverkennbar konservative(n)
Zug" (91). In dem souveränen Überblick bleibt leider kein Raum für
eine kritische sozialgeschichtliche Fragestellung (vgl. 89). Gleichfalls
auf Bayern bezieht sich die Untersuchung Breuers, der vor allem die
gängige Auffassung entkräftet, im Gegensatz zur protestantischen sei
die katholische Erbauungsliteratur der Gegenreformation vor allem
„volkstümlich, unmittelbar, unbekümmert" (146). Die Quellenlage
verweist vielmehr „auf ein eigenständiges zweisprachig-gelehrtes literarisches
Leben im katholischen Oberdeutschland" (163). Einen
erheblichen Teil des vorliegenden Bd.s nehmen die Untersuchungen
zum Ordenstheater, vor allem zum Jesuitendrama ein. Rädle, der sich
mit einer Arbeit über diesen Gegenstand habilitiert hat, stellt materialreich
die missionarische Absicht der Jesuitenstücke dar. Bei der
Verwendung der „Chroniken der einzelnen Kollegien ... als sehr
erhellende Kommentare zu den Theateraktivitäten" (183) bleibt in
der Schilderung des Erfolgs die notwendige Quellenkritik wohl doch
hier und da zu sehr außer acht (z. B. 184, 187, 1970- Schlichtere literarische
Ansprüche stellten die Katechismusspiele, mit denen das
Unterrichtsjahr des Jesuitengymnasiums abgeschlossen wurde. Van
Oorschot veröffentlicht Textproben aus einer Kölner Handschrift und
arbeitet ihre Doppelabsicht, Kampf gegen die Reformation und
katholischer Wiederaufbau, heraus. Ebenfalls Textveröffentlichung
aus der handschriftlichen Überlieferung und Erläuterung bietet der
Hg. des Bd.s, von dem bereits 1978 ein umfangreiches handbuchartiges
Werk über das Jesuitendrama erschien. Seiner Edition eines
Fronleichnamdialoges zwischen Catholicus (119 Verse) und Dubitan-

tius (30 Verse) legt er die Dillinger Handschrift zugrunde (266-270),
notiert aber auch die Varianten der Münchener Fassung (270). Merkwürdigerweise
fehlt jeder Hinweis auf das Verhältnis zu dem umfangreichen
lateinischen Dialog des Roermonder Bischofs Wilhelm
Lindanus „Dubitantius", der von 1563 an dreimal erschien und ins
Holländische sowie ins Deutsche übersetzt wurde. Lindanus war
übrigens 1554-1557 Professor in Dillingen. Wesentlich zurückhaltender
als die Jesuiten brachten die Salzburger Benediktiner ihre
missionarischen Absichten in ihre Dramen ein. Das ist, worauf Zele-
witz aufmerksam macht, wohl nicht nur auf die irenischere Einstellung
des Ordens zurückzuführen, sondern auch auf die andersgeartete
politische Situation. Sowohl ein Jesuiten- als auch ein
Benediktinerstück neben zwei Dramen ohne Ordensbindung (Johannes
Joncre und Nicolaus Vernulaeus) über die Ermordung des
Krakauer Bischofs Stanislaus (etwa 1030-1079) durch König
Boleslaus II. dem Kühnen stellt Szarota zusammen mit einem Referat
über die historiographische Forschungslage vor. Der Niederschlag der
jeweiligen politischen Situation im Drama wird einsichtig gemacht.
Die Autorin wendet teilweise eine eigenwillige Terminologie an (276:
„Physiognomie der beiden Antagonisten" = Charakterisierung der
Gegensätze). Der ganz anders gearteten literarischen Gattung der
Predigt wendet sich Eybl in einer breit angelegten Untersuchung zu,
indem er Anlage und Absicht von Florentus Schillings Predigtsammlung
analysiert. Den singulären Tatbestand, daß der Wiener
Prediger den Sprach- und Präsentationsgestus der protestantischen
Literaturprogrammatik (Fruchtbringende Gesellschaft) aufgreift,
führt Eybl auf die besondere politische Situation des Entstehungsjahres
zurück (342: „Das Buch enstand ... im kaiserlosen Jahr und
abseits des mit Leopold nach Frankfurt gereisten Hofes", d. h.
1657/58). Van Gemert, der kürzlich eine Monographie über Aegidius
Albertinus veröffentlicht hat, arbeitet in seinem vorliegenden Beitrag
das vom reformkatholischen Bücherapostolat didaktisch orientierte
Literaturprogramm des „Hirnschleiffer"-Autors heraus. Für sein
Werk, mit dem Albertinus im Sinne des Tridentinums „zugleich die
gottliche Ehr in politischen vnd geistlichen Wesen" fördern will (142),
möchte van Gemert den „weitergesteckten Terminus .geistliches
Schrifttum'" in Anspruch nehmen anstelle des durch das herkömmliche
Verständnis belasteten der .Erbauungsliteratur' (136). Bedenken
, ob mit einem so weiträumigen Begriff wirklich etwas gewonnen
ist, scheinen dem Autor nicht zu kommen. Den für Albertinus abgelehnten
Terminus greift Tarot auf, indem er nachweist, daß sich
Grimmelshausen als Erbauungsschriftsteller verstand und mit dem
,Simplicissimus' „vielleicht das Meisterwerk erbaulicher Literatur geschaffen
" hat (121). Sein Mißerfolg als Erbauungsschriftsteller erklärt
sich aus dem schwindenden Interesse an erbaulicher Literatur
nach 1666. Nicht von gleichem Gewicht wie die literargeschichtlichen
sind die Beiträge aus der Feder der Historiker. Teilweise bedingt durch
ihre Aufgabenstellung dominiert bei ihnen das Flächige, der Überblick
, der Bericht über Forschungsvorhaben. Gattungseigentümlichkeiten
werden zu wenig beachtet (z. B. 39f bei Leichenpredigten).
Offensichtlich ist bei einer so weitgreifenden Fragestellung auch die
Kenntnis der Spezialliteratur unterbewertet worden, z. B. bei den
Ausführungen zum Verhältnis von Kirchenlied und Konfessions-
kampf(23-30).

Insgesamt ist ein solcher interdisziplinärer Themenbd. sehr zu
begrüßen, auch wenn man sich die Mitarbeit von Historikern oder
Kirchenhistorikern ähnlich intensiv gewünscht hätte wie die der
Literarhistoriker.

Corrigendum: 249 Anm. 8 statt der Blockade: p, 217-243.

Berlin Siegfried Bräuer

Campi. Emidio: Lutero e Maria (Protestant. 41.1986,1 51 -161)
Garci'a-Mateo, Rogelio: Martin Luther - Ignatius von Loyola - Teresa von

Avila. Ökumenische Gemeinsamkeit in spirituellen Grunderfahrungen

(GuL 59. 1986,343-358).