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Ausgabe:

1987

Spalte:

108-109

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Scripture and christology 1987

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 2

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nicht nötig. Die Auslegung der Bibel richtete sich nach den allgemein
anerkannten hermeneutischen Methoden. Zuletzt hat die liberale
Theologie die Prinzipien der historischen Kritik übernommen.

Die Stärke der vorliegenden Arbeit besteht darin, daß L. den
Neuansatz hervorhebt, den in dieser Hinsicht die dialektische Theologie
bedeutet hat (S. 67fT). Auch die Formgeschichte (Traditionskritik)
und Redaktionsgeschichte begreift er als Auslegungsmethoden, die
mit dem erwähnten Umbruch zusammenhängen, indem sie das
soziale Milieu der christlichen Gemeinden und das christliche
Zeugnis der Evangelisten besonders ernst nehmen. Demnach gliedert
L. sein Buch im Grunde forschungsgeschichtlich (s. S. 27) auf die Darstellung
der historischen Theologie (Teil 2) und der theologischen
Exegese (Teil 3). Auch der einleitende Teil (1), in dem L. die Probleme
der Kanonsgeschichte, der Textkritik und die Grundprobleme der
Hermeneutik skizziert, ist theologisch geprägt: ,,. .. dieses Programm
heißt auch . . . sich einzulassen auf die Fragen, die die Texte selber
stellen, mögen sie uns zeitgemäß scheinen oder nicht',' (S. 28). Das
Problem einer Theologie des Neuen Testaments, der biblischen Theologie
und der ökumenischen Wirkung der Bibelauslegung kommen in
den letzten Abschnitten des 3. Teils zum Wort. In dem kurzen 4. Teil,
der Nachfragen heißt (S. 116-121), werden die Beziehungen historische
Forschung - Theologie und Theologie - Kirche als offene
Probleme formuliert. Zuletzt ist auch der mögliche Beitrag der Linguistik
, der Psychologie und der Soziologie erwähnt.

Es hängt mit dem theologischen Ansatz zusammen, daß L. über die
einzelnen exegetischen Methoden mit Abstand berichtet. Offensichtlich
weiß er, daß den einzelnen Methoden die Tendenz zu eigener
Verabsolutierung innewohnt. Statt sie näher zu beschreiben, stellt er
sie am Schluß jedes Abschnittes in Frage und macht auf den breiteren
theologischen Rahmen aufmerksam. Darin unterscheidet sich L. von
dem Lehrbuch K. Bergers (Exegese des Neuen Testaments, 1977), der
bei aller gelehrten Behandlung der Einzelfragen das theologische
Problem des Kanons oder die Frage des Verhältnisses der biblischen
Texte zu den kirchlichen Glaubensformeln beiseite läßt und auch mit
seinen methodischen Prinzipien lassen muß. Anders L., der in seinen
Fragestellungen die einzelnen Methoden ständig mit den Glaubensaussagen
(bis zur Barmer Erklärung) konfrontiert. Ähnlich wie in den
Einführungen von J. Roloff (Neues Testament - Neukirchener
Arbeitsbücher 1977) und von K. Haacker (Neutestamentliche Wissenschaft
. Eine Einführung in Fragestellungen und Methoden 1981)
lesen wir auch hier, daß der Ausleger das Gemeinsame der Biblischen
Theologie suchen soll. In diesem Punkt distanziert sich L. auch von
der Bultmannschen Theologie und Hermeneutik, an die er in vieler
Hinsicht dankbar anknüpft.

Problematisch ist das didaktische Anliegen dieses Buches und seine
praktische Durchführung. Eine Auslegungs- oder Forschungsgeschichte
will L. nicht bieten. Dazu ist die absichtlich auf den
deutschen Raum begrenzte Darstellung zu eng. Die Ergebnisse der
Forschung werden nur dort erwähnt, wo sie die methodischen Grundprobleme
illustrieren sollen. Für eine Einführung in die exegetischen
Methoden, wie sie z. B. O. Kaiser, W. G. Kümmel und G. Adam, H.
Zimmermann oder im französischen Bereich M.-A. Chevallier
geschrieben haben, kann man das vorliegende Buch nicht halten. L.
versucht zwar nach der Darstellung jeder Etappe der Forschung ihren
irreversiblen Charakter anzudeuten, aber praktisch führt er die
Methodik der Arbeit nicht vor, auch wenn er die wichtigsten diesbezüglichen
bibliographischen Angaben bietet. Die linguistische
Analyse der Texte kommt übrigens zu kurz. Auch wenn man vor
Überschätzung dieser Methode warnen will, muß man ihre Grenzen
und Möglichkeiten anschaulicher zeigen, als es L. in indirekter Auseinandersetzung
mit K. Berger auf den Seiten 117 und 1 18 tut.

Das Buch soll also eine Einführung in die Probleme der Exegese
sein. Als solches ist es anregend und hilfreich. Mit den Richtlinien der
Herausgeber hängt vielleicht zusammen, daß vieles zu knapp gefaßt
ist und daß einige Probleme der biblischen Hermeneutik nicht behandelt
werden: Das theologische Problem der Offenbarung und der

Geschichte und die Fragen, vor die uns die säkulare, besonders die
marxistische Forschung stellt. Dies ist jedoch eher nur ein Vorschlag
für die künftigen Arbeiten dieser Art.

Prag Petr Pokomy

Fitzmyer, Joseph A., S. J.: Scripture and Christology. A Statement ofa
Biblical Commission with a Commentary. New York-Mahwah:
Paulist Press 1986. VII, 110 S. 8°. Kart. $ 6.95.

Die Arbeit einer Kommission geht in der Regel so vor sich, daß,
wenn nicht Einzelne eindeutig dominieren, die Ansichten aller Mitglieder
irgendwie in ein Schlußdokument aufgenommen werden.
Auch schwerwiegende Fragen oder andere Ansichten versucht man
irgendwo auch noch einzubringen, solange man nicht grundlegend
differiert und die Mitarbeit aufgeben muß. Darum zeigen solche
Dokumente selten aufregend neue Wege, bieten aber eine Art von allgemeiner
topographischer Aufnahme eines zur Zeit erreichten
Gebiets. Fitzmyer bietet eine sorgfältige Übersetzung aus dem Lateinischen
unter ständigem Vergleich mit dem zugrundeliegenden
französischen Text und einen Kommentar, der abgesehen von wenigen
kritischen Anmerkungen das im Dokument Gesagte ausführlicher
umschreibt, vor allem aber mit bibliographischen Angaben und näheren
Beschreibungen der darin besprochenen Autoren und Werke
ergänzt.

Das Hauptgewicht liegt auf Teil I, einem Überblick über moderne
Christologien (S. 3-19), gefolgt von kritischer Besprechung
(S. 19-32), worauf sich auch Fitzmyers Kommentar beinahe beschränkt
(S. 54-92): 1. Traditionell wird von den Formulierungen der
Konzile und Kirchenväter ausgegangen, was die Gefahr eines (katholischen
) Fundamentalismus in sich birgt (F., S. 59). 2. Kritischspekulative
Versuche (z. B. P. Schoonenberg) sehen den Wandel der
immer im kulturellen Kontext verwurzelten Sprache, lassen aber gern
die (moderne) „Hilfssprache" wichtiger werden als die der „Referenz
", d. h. im Wesentlichen der Heiligen Schrift (S. 20). 3. Die
Leben-Jesu-Forschung ist nicht mehr naiv durchzuführen, seit die
Subjektivität des Textverfassers und des Interpreten ernsthaft gesehen
wird. Dennoch kann auf historische Forschung nicht verzichtet
werden (S. 6f), wobei freilich die gleiche Kommission diese früher
weithin blockierte (historische Korrektheit aller Evangelien, Ablehnung
der Zweiquellentheorie, Autorschaft des Zebedaiden Johannes
, F., S. 630- 4. Der religionsgeschichtliche Vergleich hilft, Jesus
und die ersten Gemeinden richtig zu sehen, darf aber nicht zu einer
Herleitung aus antikem Synkretismus absinken. Fitzmyer erinnert an
die völlig neue Lage seit der Entzifferung ägyptischer, akkadischer und
babylonischer Texte wie der Entdeckung der Qumranrollen (S. 67f)-
5. Jüdische Gelehrte haben viel zum Verständnis Jesu beigetragen,
auch wenn sie dahin tendieren, die Besonderheit Jesu und seine Auseinandersetzung
mit dem damaligen Judentum zurücktreten zu lassen
(S. 23). 6. Als heilsgeschichtliche Entwürfe werden die Werke so verschiedener
Autoren wie von Cullmann, Pannenberg, Moltmann und
von Sozialgeschichtlern zusammengefaßt. Fitzmyer unterstreicht die
Unterscheidung von „historisch" und „geschichtlich" ("historical/
historic" englisch nur beim Adjektiv möglich), die Bultmann,
aber weniger Pannenberg entspricht, und merkt an: "The Commission
.. . skirts the problem [der Eschatologie] with the sole comment
that 'a Christology true to its colors ought to explain all questions of
this sort' (S. 25). Amen! But who can answer them? Not even the
Biblical Commission has tried" (S. 75). 7. Teilhard de Chardin,
K. Rahner, H. Küng, E. Schillebeeckx gehen von der Anthropologie
aus. Erst Fitzmyer zeigt die sehr verschiedenen Ansätze und die
Fraglichkeit der Einordnung besonders bei Teilhard. Kritisch wird
gefragt, ob der Ansatz bei den Synoptikern und ihren Quellen trotz
der zurecht erwähnten Kontinuität zwischen vor- und nachösterlichem
Glauben genügt, eine nicht defiziente Christologie zu begründen
(S. 75-81). 8. Während die Genannten nur in je einem Paragra-