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Ausgabe:

1987

Spalte:

106-108

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lührmann, Dieter

Titel/Untertitel:

Auslegung des Neuen Testaments 1987

Rezensent:

Pokorný, Petr

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Seite 1, Seite 2

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'05 Theologische Literaturzeitung 112. Jahrgang 1987 Nr. 2 106

Für eine Neuauflage müßte die Übersetzung von Uoh 1,7; 3,16 und 2Joh 9 die Annahme vertreten, der heilige Kuß gehöre in einen bereits

vervollständigt werden. geprägten liturgischen Zusammenhang (S. 273)? So wären zu einigen

Berlin Christian Wölfl" exegetischen Entscheidungen kleinere Bedenken anzumerken. Doch

keine dieser Fragen ist vom Vf. übersehen worden. Vielmehr hat er

Hni», t „ „ . . ., _ ... . , dem Leser alle Informationen dargeboten, die er für seine eigene

"oitz, l raugott: Der erste Brief an die I hessalonicher. Zunch-Ein- ...... , ... , . . ,,

siedeln-Köln: Benziger; Neukirchen-Vluyn; Neukirchener Verlag Urteilsbildung benötigt, d.e im Einzelfall auch von der ,m Kommende
. X, 291 S. gr. 8- = EKK. Evangelisch-Katholischer Kommen- tar gegebenen Erklärung abweichen kann.

tar zum Neuen Testament, 13. Kart. DM 72,-. Der Kommentar ordnet den IThess in den Zusammenhang der

paulinischen Theologie ein, deren Ansätze sich in diesem ihrem

Der erste Brief an die Gemeinde in Thessalonich ist auf der einen frühesten Dokument erkennen lassen, und nimmt die Erklärung

Seite in der theologischen Diskussion verhältnismäßig wenig beachtet jeweils unter Berücksichtigung des ganzen Corpus Paulinum vor.

Worden. Auf der anderen Seite ist er zum Gegenstand mancher rasch Paulus schreibt ebenso als Seelsorger wie als Theologe an die erst vor

hingeworfenen Hypothesen geworden, die sowohl die Frage seiner kurzer Zeit gegründete Gemeinde. Darum ist der Abschnitt 2,1-12

literarischen Integrität wie auch das Problem seiner Entstehungszeit nicht als Ausdruck von Routine zu begreifen, sondern Paulus muß

betreffen. In seiner Erklärung läßt sich Traugott Holtz weder von ernsthafte Gründe gehabt haben, sich so pointiert der Gemeinde in

ungerechtfertigter Geringachtung dieses frühen apostolischen Schrei- Erinnerung zu rufen (S. 93). Die Verse 2,14-16, die auf Grund der

bens noch von unzureichend begründeten Theorien beeindrucken. scharfen Judenpolemik der Auslegung so viele Schwierigkeiten berei-

Mit vorbildlicher Sorgfalt geht er der Bedeutung jedes Wortes nach tet haben, werden nicht als nachträgliche Interpretation, sondern auf

und gibt den theologischen Gedankengang des Briefes in flüssig les- Grund der Aufnahme traditioneller Wendungen erklärt, die nicht in

barer Auslegung wieder. Die Vielfalt gelehrter Einzelfragen ist in die grundsätzlichem Widerspruch zu Rom 9-11 stehen. Denn Paulus

Anmerkungen verwiesen. Dadurch ist erreicht worden, daß der Leser wendet sich keineswegs gegen Juden, weil sie Juden sind, sondern

der fortlaufenden Wiedergabe der paulinischen Gedanken gut folgen „obwohl sie Juden sind. Er macht Front gegen solche, denen Gottes

kann, in den Anmerkungen aber jede nur wünschbare nähere Zuwendung in besonderer Weise galt und die doch gerade in

Begründung erhält. Zu keiner denkbaren Frage bleibt der Kommentar Geschichte und Gegenwart sich gegen Gottes Weg mit seinem Volk

eine Auskunft schuldig. Nach gewissenhafter Prüfung unterschied- und der Welt gewandt haben und wenden." (S. 103) Wie zu diesem

'icher Auffassungsmöglichkeiten scheut der Ausleger sich nicht, Abschnitt schlüssiger Argumentation Tradition und Redaktion her-

Jeweils eine gut abgewogene Entscheidung zu treffen. Kein Problem ausgearbeitet werden, so auch zu 4,15-17 und der Interpretation eines

Wlrd im unklaren gelassen, stets wird präzis Rede und Antwort Herrenwortes durch Paulus. Der Apostel hält das Logion zweifellos

gestanden. nicht für einen Prophetenspruch, sondern ein Jesuswort, das er aus der

Wer der Aufgabe zu genügen sucht, einen wissenschaftlichen mündlichen Überlieferung übernommen hat. Sein Wortlaut dürfte

ommentar zu einer neutcstamentlichen Schrift abzufassen, muß sich etwa gelautet haben: „Die, die bei der Parusie (des Herrn) übrig-

an vielen Stellen durch ein schwer zu lichtendes Dickicht von Hypo- bleiben, werden keinesfalls den Entschlafenen zuvorkommen." (S.

thesen hindurchfinden. Holtz bahnt mit gleichbleibender Gewissen- 198) Durch eine apokalyptische Tradition, die in V. 16f ange-

a tigkeit den Weg seiner Interpretation und weicht dabei keiner schlössen wird, erhält das Herrenwort Deutung und Anwendung, um

useinandersetzung mit anderen Ansichten aus. Was die Entste- die in der Gemeinde entstandene Ungewißheit beheben zu können.

ngsverhältnisse angeht, so hält er mit treffender Begründung an der Zu 5,1-11 wird angenommen, „daß Paulus diesen Gegenstand auf-

uberkommenen Beurteilung fest: Durch den Brief wird alsbald nach greift, ohne durch unmittelbare Anfragen dazu veranlaßt zu sein. Er

er Trennung des Paulus von der Gemeinde die Verbindung zu ihr führt seine Gedanken in solcher Weise weiter, weil für ihn die jetzt

aufgenommen (S. 13). Dabei stimmen die Angaben der Apostel- entfalteten Aussagen unabdingbar zur Heilshoffnung der Zukunft hin-

geschichte 'n 'nreni wesentlichen Gehalt mit denen des Briefes zugehören."(S. 211)

erein, so daß es Willkür wäre, „die Situation des Briefes als unver- So entsteht durch fortlaufende Erklärung des Briefes ein deutliches

einbar mit der von Apg. 17 f zu erklären" (S. 16). Der Brief muß somit Bild vom Verhältnis des Apostels als des Gründers der Gemeinde zu

lm Jahr 50 oder 51 in der Anfangszeit des korinthischen Aufenthalts den Christen in Thessalonich, die noch ganz am Beginn der Kirch-

verfaßt worden sein (S. 19). Abweichende Meinungen, die in der werdung stehen. Noch hat die Lehre keine feste Gestalt gewonnen und

"eueren Diskussion vorgetragen worden sind, werden Punkt für Punkt ist auch keine ausgeprägte Gemeindeordnung vorhanden. Die Ord-

geprüft Und mit überzeugenden Gründen als nicht stichhaltig erwiesen nung dieser Gemeinde „ist vor allem das kontingente Ergebnis der

• 0-23). Ebenso werden verschiedene Versuche, die einheitliche geschichtlichen Situation und muß als in voller Entwicklung begriffen
estalt des Briefes in Zweifel zu ziehen, umsichtig erörtert und dann angesehen werden" (S. 246). Als christliches Zeugnis aus früher

ausnahmslos zurückgewiesen (S. 23-29). Mit guten Gründen läßt sich Anfangszeit kann der 1 Thess in den so grundlegend gewandelten Verglich
annehmen, daß Paulus einzelne Traditionselemente aus der hältnissen der Kirche unserer Zeit beispielhafte Orientierung verbindlichen
Überlieferung aufgenommen und in seine Argumenta- mittein. Der Vf. deutet bei seiner mit stets gleichbleibender Umsicht
n einbezogen hat (S. 280- Was deren Umfang und Gestalt angeht, vorgetragenen Auslegung hier und da an, welche Folgerungen für
ne'gt der Kommentator zu vorsichtiger Zurückhaltung. Der verantwortliches Christ-Sein heute zu ziehen sind. Mit seinem
äpostolische Rat, alles zu prüfen, allein das Gute aber zu behalten Kommentar hat er auf diese Weise nicht nur der neutestamentlichen
s^^ ss 5.21), wird mit treffsicherem Urteil befolgt, so daß der Leser Wissenschaft, sondern auch dem Leben der Kirche einen ebenso

voller Vertrauen auf die ihm dargebotenen Auskünfte verlassen förderlichen wie dankenswerten Dienst erwiesen,
kann.

j-j: Hannover Eduard Lohse
>e vorsichtige Urteilsweise, die den Kommentar in allen Teilen

,rnmt, läßt zu einigen Ausführungen Rückfragen aufkommen: Ist .... , , , _ _,, . . _,

es wirkli^i, ■ • . . , , _ , Luhrmann, Dieter: Auslegung des Neuen lestaments. Zürich: Theo-

Paulini' u », g- em erStCS gn'S logischer Verlag 1984. 121 S. gr. 8' = Zürcher Grundrisse zur Bibel,

"'sener Wirkungsgeschichte des IThess zu begreifen, sondern an Lw sfr28 —

^""Paulinischen Abfassung festzuhalten (S. 276-278)? Steht hinter

* nicht doch ein deutlicher zu fassendes geschlossenes Traditions- Es ist nicht leicht, eine Einführung in die Exegese zu schreiben,
stuck (S. 54_52)9 Ist nicht auch bei der Erklärung von 5,4-10 der denn die Wahl der Methoden hängt mit der theologischen Grund-

' Psis gegenüber einer vorpaulinischen Tauftradition zu weit gefolgt einstellung des Auslegers zusammen. In der „vorsäkularisierten" Zeit

0rden? Und läßt sich zu 5,25 nicht doch mit gewichtigen Gründen und in der Periode der liberalen Theologie waren solche Lehrbücher